Premiere für Bernhard Seiger: Zum ersten Mal leitete er nach seiner Wahl zum Stadtsuperintendenten eine Verbandsvertretung im Haus der Evangelischen Kirche. Für seine Andacht zu Beginn der Sitzung hatte er die Bibelstelle Matthäus 22, 35 – 39, ausgewählt. „Ein Schriftgelehrter versuchte Jesus und fragte: Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz? Jesus antwortete ihm: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Damit sei der christliche Kompass gesetzt, so der Stadtsuperintendent. Denn wenn Menschen die letzte Autorität für sich beanspruchten, führe das oft zu Unfreiheit. Es gelte, sich in Demut mit den muslimischen und jüdischen Geschwistern in dieser Liebe zu Gott zu verbünden.
Die Menschen würden von Gott geliebt, wie sie sind. „Wir müssen nicht in Unsicherheit und Angst leben, weil wir unfertig sind“, sagte Seiger. „Unser Wert hängt im Letzten nicht von dem ab, was wir tun. Wir sind begnadete Sünder. Wir sind wie eine Schale, die jeden Tag neu gefüllt wird und die deshalb abgeben kann.“ Wer sich selbst liebe, könne auch den anderen freundlich gegenübertreten. Wer um seine Grenzen wisse, könne die der anderen annehmen. „Jesus Christus hat geliebt. Aber nicht naiv. Er wusste um die Ambivalenzen.“
Geschäftsbericht des Verbandsvorstandes
In seinem anschließenden Geschäftsbericht des Verbandsvorstands ergänzte der Stadtsuperintendent den schriftlichen Bericht im Vortrag um vier weitere Themen. Zunächst ging er auf das jüdische Leben in Deutschland und das aktuelle Aufflammen von Antisemitismus ein: „Im September haben wir in der Kölner Synagoge in der Roonstraße ,60 Jahre Wiederaufbau der Synagoge‘ gefeiert, bei der in Musik und Wort das lebendige jüdische Leben zuversichtlich und fröhlich gefeiert wurde. Was für ein Wunder, dass dies drei Generationen nach dem Holocaust in Deutschland so ist! Beides ist wahr: Das vitale jüdische Leben heute in unserer Stadt – und seine Bedrohung. Es ist Christen- und Bürgerpflicht, sich in der Bedrängnis an die Seite der Juden in unserem Land zu stellen, die Stimme öffentlich zu erheben, Schweigeminuten einzulegen und im Alltag Ansätzen von Hass und Menschenverachtung entgegen zu treten.“ Gesellschaftlich sei vor allem Bildung gefragt. „Zu wenige junge Menschen wissen von den Gräueltaten, die vor 80 Jahren stattgefunden haben. Hier sind wieder verstärkte Anstrengungen nötig.“ Der Vorstand des Ev. Kirchenverbandes Köln und Region werde im Dezember den Vorstand der jüdischen Gemeinde an der Roonstraße besuchen.
Das Neubauprojekt Campus Kartause am Kartäuserwall sieht Seiger auf einem guten Weg. Mit dem in kirchlichen Neubauprojekten erfahrenen Büro Schlünz habe man einen Projektsteuerer gefunden. Bei einer öffentlichen Präsentation des Siegerentwurfs des Architekten Kaspar Krämer hätten sich auch die Nachbarn ein Bild von dem Vorhaben machen können. „Weil wir frühzeitig an die Öffentlichkeit gegangen sind, hat sich eine Interessengemeinschaft in der Nachbarschaft gebildet, da Nachbarn Sorgen wegen der Folgen des Bauprojektes haben. Die Interessengemeinschaft geht auch mit den Fragen an die Öffentlichkeit. Die kritische Berichterstattung in dieser Woche haben sicher viele mitbekommen. Sie sucht das Gespräch mit uns als Bauherrn. Der Architekt und ich werden Anfang Dezember ein Gespräch mit den Vertretern der Interessengemeinschaft führen, die Einladung dafür ist von uns schon lange ausgesprochen. Wir wollen die Bedenken kennenlernen, hören und auch über manche Detailfragen aufklären. Wir sind ja jetzt noch vor dem offiziellen Beteiligungsverfahren.“ Das wird voraussichtlich im ersten Quartal des kommenden Jahres Fahrt aufnehmen.
Seiger lobte ausdrücklich das Konzept zur Ausbildung Ehrenamtlicher in der Seelsorge. „Es haben sich erfreulich viele Menschen zum Einsatz in Gemeinden, in Altenheimen und im Krankenhaus gemeldet. Zurzeit läuft der zweite Kurs. Es werden Basis- und Aufbaukurse angeboten. Es läuft gerade die Werbephase für den dritten Kurs, der im Februar 2020 beginnt. Wir sind also jetzt von der Testphase in die Regelphase übergegangen. Ich danke an der Stelle allen, die ehrenamtlich in der Seelsorge mitarbeiten. In diesem Bereich, in Besuchsdiensten, aber auch in der Telefonseelsorge und in der Notfallseelsorge. Und ich danke den Ausbildern und Referenten, die eine kompetente Ausbildung und Supervision anbieten.“
Für eine gute Idee hält der Stadtsuperintendent, „uns durch die Orientierung an Themenjahren über die Ebenen unserer Kirche thematisch zu konzentrieren und Schwerpunkte zu setzen“. Nach dem Thema „Frieden“ wird in 2020 und 2021 die Taufe im Mittelpunkt stehen. Dazu Seiger: „Die Taufe soll gestärkt werden als Möglichkeit, das Leben zu feiern und dafür eine weite Öffentlichkeit zu erreichen. Das Motto lautet wie die neue Website, die im Aufbau ist: ,hallo-wunder.de‘. Wir wollen breit diskutieren über die Bedeutung dieses ,ökumenischen Sakramentes‘. Dazu gehört auch das Entwickeln und Pflegen von Ideen zur Tauferinnerung. Lebendiger Glaube braucht etwas zum Sehen und zum Spüren!“. Sogenannte „Taufhürden“ sollen überwunden werden. „Ich denke etwa an Alleinerziehende, die Scheu haben vor einer traditionellen ,Familientaufe‘, oder an suchende Erwachsene. Manchmal haben wir als Insider nicht auf dem Schirm, was Außenstehende als Hindernis oder ,Hürde‘ empfinden.“ Und zum Schluss: „Wir verstehen die Taufe als Feier für das große Ja Gottes zum Menschen.“
Diakoniespende sowie Finanzen
Die Verbandsvertreterinnen und -vertreter beschlossen, die Diakoniespende im kommenden Jahr für sechs ambulante und stationäre Hospizdienste in evangelischer Trägerschaft oder Mit-Trägerschaft zu erheben. Aufgerufen wird konkret im Mai 2020. Bei der Spendenaktion 2018 sind bis zum 31. Juli 2019 146.732 Euro für den Vringstreff eingegangen. Aktuell läuft die Diakoniespende für das Diakoniehaus Salierring. Gespendet wurden seit dem 1. August bislang 30.196 Euro.
Zur Kenntnis nahmen die Verbandsvertreterinnen und -vertreter den Jahresabschluss 2018, den Lothar Ebert vorstellte. Der Abschluss wurde mit einer Bilanzsumme von 116.389.506 Euro sowie einem Haushaltsergebnis in der Ergebnisrechnung in Höhe von 3,671 Millionen Euro festgestellt. 80 Prozent des Haushaltsergebnisses, 2.937.282 Euro werden an die Gemeinden nach Mitgliederzahlen verteilt. Das sind rund 10,60 Euro pro Kopf. 20 Prozent der Summe erhält der Kirchenverband.
Für 2020 rechnet Lothar Ebert mit einem Gesamtbetrag der Erträge des Kirchenverbandes in Höhe von 126.977.387 Euro. Die Erträge aus Kirchensteuern werden auf 107.986.294 Euro geschätzt. Nach Abzug von Umlagen verbleibt in Köln im kommenden Jahr ein Kirchensteueraufkommen in Höhe von 50.907.703 Euro. Dank einer einmaligen kumulierten Dividendenausschüttung der Antoniter Siedlungsgesellschaft mbH kann der Verband im nächsten Jahr über 53.779.974 Euro verfügen. 10,7 Millionen gehen an den Verband für dessen Aufgaben. 43 Millionen Euro erhalten die Gemeinden je nach Mitgliederzahl. Das sind geplante 148 Euro pro Kopf.
Schutzkonzept sexueller Missbrauch und Diakonisches Werk Köln und Region gGmbH
Am 1. Juni 2019 ist das „Schutzkonzept sexueller Missbrauch“ auf Verbandsebene in Kraft getreten. Einstimmig beschloss die Verbandsvertretung die Ergänzung des Leitbildes des Verbandes um folgenden Passus: „Im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region ist die persönliche und sexuelle Grenzwahrung insbesondere gegenüber Kindern und Jugendlichen unverzichtbare Grundlage der Arbeit. Die Arbeit ist von Respekt und Wertschätzung gegenüber allen Menschen geprägt.“
Die Überführung des Diakonischen Werkes Köln und Region in die „Diakonisches Werk Köln und Region gGmbH“ ist auf einem guten Weg. Die Verbandsvertretung bevollmächtigte den Vorstand, den Einbringungsvertrag und in dessen Folge den Personalüberleitungsvertrag zu schließen. Ebenso darf der Vorstand mit der neuen gGmbH einen Zuschussvertrag schließen, der sich an der Höhe des bisherigen Zuschussbedarfs des Diakonischen Werks orientiert. Der Interimsgeschäftsführer bleibt bis auf Weiteres im Amt. Die Mitarbeitenden werden im Aufsichtsrat der neuen gGmbH mit einer beratenden Stimme vertreten sein.
Personalia:
Pfarrer Torsten Krall aus Dünnwald wird Nachfolger von Pfarrer Ralph Knapp im Fachausschuss Melanchthon-Akademie.
Die Verbandsvertretung wählte Gaby Orbach aus der Gemeinde Nippes als Nachfolgerin von Superintendent Markus Zimmermann aus dem Kirchenkreis Köln-Nord in den Fachausschuss Diakonisches Werk. Auch Superintendentin Susanne Beuth aus dem Kirchenkreis Köln-Mitte entsendet die Verbandsvertretung in diesen Ausschuss. Susanne Beuth wird zudem Nachfolgerin von Rolf Domning im Stiftungsrat der Gemeinschaftsstiftung Diakonie.
Jörg Rehnitz aus der Gemeinde Dellbrück/Holweide wählte die Verbandsvertretung zum Vorsitzenden des Beratungsausschusses für Bau- und Liegenschaftsfragen des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Stadtsuperintendent Bernhard Seiger wird sein Stellvertreter.
Stichwort Verbandsvertretung
Die Verbandsvertretung ist das Leitungsorgan des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region mit seinen 57 Gemeinden im Rhein-Erft-Kreis, in Köln und im Rheinisch-Bergischen Kreis in den vier Kölner Kirchenkreisen. Zu den Aufgaben der Delegierten gehören beispielsweise der Beschluss des Haushalts und die Wahl des Stadtsuperintendenten. Die Verbandsvertretung tagt zweimal im Jahr und wird von Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger geleitet.
Foto(s): Stefan Rahmann/APK