Die Gleichstellungsbeauftragte – Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit

Geschlechtergerecht und gleichberechtigt: Die Gleichstellungsbeauftragte des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region unterstützt und prüft die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes (GleistG) der Evangelischen Kirche im Rheinland. Grundlagen ihrer Arbeit sind das Grundgesetz (Art. 3, Abs. 2) und die Kirchenordnung (Art. 2, Abs. 2). Danach haben alle Geschlechter entsprechend ihren Begabungen und Fähigkeiten gleichberechtigt  Zugang zu Ämtern, Diensten und weiteren Aufgaben.

Ziele des Gleichstellungsgesetzes sind neben der gleichberechtigten Teilhabe aller in der kirchlichen Arbeitswelt außerdem die Frauenförderung – um bestehende Benachteiligungen abzubauen – sowie die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hier berät die Gleichstellungsbeauftragte in Fragen zur Arbeitszeitgestaltung, zu Teilzeit,  Beurlaubung, Fortbildungen und beruflichem Fortkommen. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Unterstützung und Beratung bei Stellenausschreibungen und die Begleitung von Vorstellungsgesprächen.

Menschen neigen dazu, sich selbst und andere in „Schubladen“ zu stecken: „Menschen mit Ehrgeiz“, „ältere Mitarbeiterin“, „Frauen in Führung“, „Männer in Teilzeit“, „Mitarbeiter in Krankheit“, „Vater in Homeoffice“ und viele mehr. Dahinter verbergen sich Annahmen: Zum Beispiel, dass jeder Mensch zu einer Personengruppe gehört und man daraus ableiten kann, wie er oder sie „tickt“.

So hilfreich Deutungen zur Bewältigung der Lebens- und Arbeitswelt sind, so gefährlich sind sie auch. Wer in der „falschen Schublade“ steckt (oder glaubt, darin zu stecken), kommt vielleicht nie mehr heraus. Das hat auch Auswirkungen auf das Arbeitsleben und den Umgang miteinander. Dort, wo das Schubladendenken reflektiert wird, besteht die Möglichkeit, voneinander zu lernen, miteinander Neues zu entdecken und sich in diesem Prozess gegenseitig anzuregen.

Dabei ist es hilfreich, sich zu fragen: Was ist der oder die Andere vielleicht noch? Außer dem Bild, das ich von ihr oder ihm habe? Worin liegen ihre Fähigkeiten oder seine Interessen? In dieser Weise auf „Forschungsreise“ unter den Kolleginnen und Kollegen zu gehen, ist ein spannendes Unternehmen. Beim aufmerksamen Hinschauen wird schnell klar: Die Wirklichkeit ist viel bunter und vielfältiger als angenommen.

Dass darin erhebliches Potenzial steckt, haben Arbeitgeber und Organisationen der Wirtschaft längst erkannt. In der „Charta der Vielfalt – Für Diversity in der Arbeitswelt“ (charta-der-vielfalt.de) haben sie ihre Erkenntnisse zusammengefasst und sich selbst zu „diversity management“, zum Organisieren und Nutzen der Vielfalt verpflichtet. Zu den Unterzeichnerinnen der „Charta der Vielfalt“ gehören auch evangelische Organisationen: eine Landeskirche, ein Regionalverband, ein Kirchenkreis, zwei Hochschulen, eine Jugendhilfeeinrichtung und eine Familienbildungsstätte.

„Eigene Denkschubladen aufmachen, ansehen und aufräumen – das fördert die Chancengleichheit, für alle“, meint etwa die Agentur für Arbeit, die sich mit unbewussten Denkschubladen auseinandergesetzt hat und damit zu einer der „Erfolgsgeschichten des Monats“ auf der Homepage der Charta wurde.

Probieren Sie es aus und erleben ihre eigene kleine Erfolgsgeschichte. Oft halten Vorurteile, wenn sie überdacht werden, der Überprüfung nicht stand. Die Kollegin ist vielleicht gar nicht so neugierig, denn sie gehört zu den Menschen, die sich viele Sorgen um andere macht. Der Kollege ist vielleicht gar nicht so arrogant, denn er gehört zu denjenigen, die gelernt haben, sich immer und überall zu schützen. Die Chefin ist vielleicht gar nicht so cool, denn sie hat als Kind gelernt, cool zu sein, bedeutet: Ruhe zu vermitteln. Prüfen Sie, fragen Sie nach – ein Vorurteil weniger macht das Leben leichter und lebenswerter.

Vielfalt und Gerechtigkeit

Die Lebenswelt der Bibel ist eine andere als unsere heutige. Wir leben in Gesellschaften, die viel stärker ausdifferenziert sind. Auch die Arbeitswelt hat sich im Lauf der vielen Jahrhunderte stark verändert. Die Menschen sind spezialisiert. Mit einer bestimmten Ausbildung ist es nicht einfach, etwas völlig anderes tun. Immer mehr Unternehmen entdecken jedoch, dass das, was eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter „ist“, nicht irgendwo auf einem Papier steht. Eher ist es tief in der Person verborgen – und in ihrer zukünftigen Entwicklung.

Darum nehmen Betriebe und Organisationen neue Begriffe in den Katalog ihrer Personal- und Organisationsentwicklung auf: Diversity & Inclusion, Vielfalt und Inklusion. Ob Weltanschauung, Beeinträchtigungen, Alter, geschlechtliche Identität – die Menschen auf dem Planeten Erde sind vielfältig.

Die Schöpfungsberichte in der Bibel kamen noch mit einer Zweiteilung aus. Eva und Adam. Mann und Frau. Verschieden von Gott erschaffen. Würde die Bibel heute geschrieben, hätte sie es nicht so einfach. Wer heute die Vielfalt – die „diversity“ – der Schöpfung preisen wollte, müsste den bewussten Umgang mit verschiedenen Geschlechtsidentitäten reflektieren. Es geht um die Anerkennung, dass nicht jeder Mensch sich mit einem der beiden Begriffe Mann oder Frau identifizieren kann. Und darum, auch den Menschen respektvoll und aufmerksam zu begegnen, der sich eben nicht in „Mann“ oder „Frau“ wiederfindet.

Die Gleichstellungsarbeit geht noch darüber hinaus: Sie hat das Ziel, bewusst zu machen, wie stark die Vielfalt der Menschen unsere Gesellschaft bereichert. Wer diesen Gedanken konsequent zu Ende denkt, ist weit davon entfernt, andere zu diskriminieren. Vielfältige Ideen, Erfahrungen und Biografien des jeweils anderen werden damit zu einem wertvollen Potenzial.

Völlig neu ist diese Sichtweise allerdings nicht. „Es gibt Unterschiede in den geschenkten Fähigkeiten, doch sie stammen aus derselben göttlichen Geistkraft“, heißt es schon im Ersten Korintherbrief (1. Kor. 12,4). Vielfalt und Gerechtigkeit gehören seit Urzeiten zusammen, sind heute aber bereichert durch die weiter entwickelte Sicht in den modernen Gesellschaften.

Gerechtigkeit ist ein Kernthema der evangelischen Kirche. Dazu gehört auch die Geschlechtergerechtigkeit, die ein Teil der Vielfaltsgerechtigkeit ist. Die Evangelische Kirche im Rheinland setzt sich dafür ein, dass die Strukturen und Inhalte der kirchlichen Arbeit allen Menschen gleichermaßen gerecht werden. Unterstützt und beraten wird sie auf landeskirchlicher Ebene von der Gender- und Gleichstellungsstelle. Auch der Evangelische Kirchenverband Köln und Region hat mich zur Gleichstellungsbeauftragten berufen, zuständig für Fragen und Anliegen von 14 Ämtern und Einrichtungen.

Angelika Clüver
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