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Superintendentin Andrea Vogel mit dem Kreissynodalvorstand des Ev. Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch während der Herbstsynode 2019

„Erprobungen Raum schenken“ – Nachrichten von der Synode des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch

Sie gestalteten den Gottesdienst zur diesjährigen Kreissynode.

„Ich bin das Brot des Lebens“ hatten Pfarrer Sebastian Baer-Henney aus Mülheim und Torsten Krall aus Dünnwald ihren Gottesdienst zu Beginn der Herbstsynode des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch in der Kartäuserkirche überschrieben. Baer-Henney dachte in Form eines Poetry-Slam über das Thema satt werden nach. „Das Gegenteil von Hunger ist nicht einfach satt, sondern glücklich. Gott ist der Meister in der Küche mit 1000 Sternen. Hören wir auf, das Alte immer wieder aufzuwärmen. Er serviert uns pures Glück auf goldenen Tellern.“ Torsten Krall erzählte in seiner Antwort, worin sein Glück als Pfarrer besteht. „Ich sitze gerne mit meiner Gemeinde am Tisch. Wir sind zusammen, wenn wir dem Herrn ins Gesicht schauen. Vielleicht sollten wir mal die Speisekarte ändern. Oder es kommt ein Restaurant-Tester mit neuen Ideen für die Zukunft. Ich bin gespannt.“

Leitthema: Erprobungen Raum geben

ErprobungRaum@Kirchenkreis-Koeln-Rechtsrheinisch – Erprobungen Raum geben im Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch“ lautete das Leitthema der Synode im Haus der Evangelischen Kirche. Landespfarrer Christoph Nötzel, Leiter des Amtes für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), moderierte intensive Gespräche zwischen den Synodalen, die sich schließlich in Kleingruppen über Themenfelder wie Gottesdienste, Spiritualität, Diakonie, Gemeinschaft, Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, Bildung und Seelsorge austauschten.

Die Ideen wurden schriftlich festgehalten. Eine Auswertung folgt. „Wir sind eine kleiner werdende Kirche im Umbruch. In einer hyperindividualistischen, digitalisierten und globalisierten Gesellschaft“, sagte Nötzel zu Beginn. Was die Zukunft bringe, könne niemand voraussagen. Wahrscheinlich werde es den Evangelischen Kirchenverband Köln und Region 2060 nicht mehr geben. Oder er sei dann so groß wie aktuell der Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch. „Viele glauben, Gott käme hoch zu Ross. Ich glaube, er kommt eher auf einem Esel. Wer also nach Gott schaut, sollte die Esel in den Blick nehmen.“

Etwas Verrücktes machen

Die Synodalen entwickelten in acht Arbeitsgruppen Ideen und Lösungsansätze

Erprobung heißt, in den Gemeinden auch mal was Verrücktes machen. Sich ausprobieren. Und auf die regionalen Unterschiede achten. Was sich in Düsseldorf als segensreich erweist, halten die im Hunsrück möglicherweise für den Tod.“ Es gebe ein Förderprogramm der EKiR für die Gemeinden. Immerhin sechs Millionen Euro habe die rheinische Landessynode zur Verfügung gestellt. Einzelheiten finde man auf der Internetseite erprobungsraeume.de. Die Erprobungsräume seien keine Konkurrenz zur Parochie, erklärte der Landespfarrer. Sie seien vielmehr eine Bereicherung der Vielfalt des gemeindlichen Lebens. „Eine feste Form für alle gibt es nicht mehr.“ Es gehe darum, neue Formate zu finden, Glauben zu leben und zu kommunizieren. „Fusionen zum Beispiel geben keine Antworten. Sie machen den Mangel nur verwaltbar.“ Und ein abschließender Appell: „Denkt nicht für andere, denkt mit ihnen. Das gelingt nicht alleine. Suchen Sie sich Leute, die für die gleiche Idee brennen.“

Der Bericht der Superintendentin

„Erprobungen Raum schenken“ war denn auch das Thema des Berichts der Superintendentin. „Die Kirche wird anders“, sagte Andrea Vogel gleich zu Beginn und nannte Zahlen. Laut einer Studie des Freiburger Forschungszentrums Generationenverträge (FFG) würden die Kirchen bis 2060 voraussichtlich die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren. Trotzdem rechne man damit, dass die Kirchensteuereinnahmen nominell gleichblieben: Zwölf Milliarden Euro pro Jahr. Aber: „Um sich die Dinge leisten zu können, die sie heute mit zwölf Milliarden Euro finanzieren, wären aufgrund des Kaufkraftverlustes dann 25 Milliarden Euro nötig.“

Vogel verwies auf das Programm der EKiR für „innovative Initiativen“ in den Gemeinden. Dazu zitierte sie den Präses der rheinischen Landeskirche Manfred Rekowski: „So wichtig diese innovativen Initiativen für die Zukunft der Kirche auch sind, für nicht weniger bedeutsam erachte ich es, wenn wir das Bewährte gut machen – von der Taufe über die Trauung bis hin zur Bestattung, zu Seelsorge und Gottesdienst.“

Dazu die Superintendentin: „Wir sollten uns durch Traditionsabbruch, Mitgliederschwund, Ressourcenverknappung und auch so manche Erschöpfung nicht davon abbringen lassen, zu klären, was uns wichtig ist und was wir Neues wagen können und sollen, ohne Bewährtes aufzugeben.“ Und weiter: „Wir werden noch die eine oder andere Anpassung von uns ausgestalten können, zum Beispiel durch engere Zusammenarbeit in Regionen. Bei allem ermutige ich Sie, die gegenwärtige Umbruchsituation als Chance zu sehen. Neues entsteht oft und gerade in und aus einer Krise, einem Umbruch.“ Vogel verwies auf den „Denkerkreis“, den der Kreissynodalvorstand gebildet habe, um unkonventionelle Ideen zu entwickeln und Gäste einzuladen, die beratend mitwirken.

Als Erfolg sieht die Superintendentin das „Pilotprojekt Heizungs-Check“. 14 von 18 Gemeinden des Kirchenkreises haben im ablaufenden Jahr von Fachleuten ihre Heizungsanlagen überprüfen lassen. Im Blickpunkt standen die Optimierung der Heizzeiten und -temperaturen, investive Verbesserung der Anlagen und Empfehlungen für öffentliche Zuschüsse. Die Kosten für die Gemeinden in Höhe von 250 Euro pro Anlage wurden vom Kirchenkreis übernommen.

160 Jugendliche und 30 Ehrenamtliche haben am Konfi-Tag im Kirchenkreis teilgenommen. Der Tag in Köln-Brück stand unter dem Motto „Unsere Schätze“. „Ich sehe eine große Chance der Konfi-Tage darin, dass Konfirmandinnen und Konfirmanden die Erfahrung machen, dass es in anderen Gemeinden auch Konfirmandengruppen gibt, die es (sich) sich lohnt kennenzulernen“, lobte die Superintendentin die Veranstaltung. Als Erfolg wertete sie auch den 1. Kinder- und Jugendtag in der Lukaskirche in Porz. 250 Gäste mit direktem Bezug zur Gemeinde und Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft hätten sich unter dem Motto „Kinder und Jugendliche fragen – Erwachsene antworten“ eingefunden.

Es sei gelungen, einen Kontakt zu zwei Professoren der Fakultät für Architektur an der Deutzer Fachhochschule zu knüpfen. Die Gemeinde Kalk-Humboldt stehe nun in engem Austausch mit den Studentinnen und Studenten über die Neugestaltung ihrer Räumlichkeiten. „Die Erfahrungen der Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Professoren und den Studierenden ermöglichen einen neuen Blick auf die gemeindliche Situation und führte bisher zu erfrischenden und überraschenden Begegnungen und Ergebnissen“, sagte Vogel. Der Dialog werde fortgesetzt.

„Eine neue Herausforderungen ist heute der neu entflammte und auf tragische Weise sichtbar gewordene Antisemitismus“, fuhr die Superintendentin fort. „Wir müssen als evangelische Christen allen Entwicklungen und Menschen entgegentreten, die sich den Antisemitismus auf die Fahnen geschrieben haben und gesellschaftsfähig machen wollen. Ich meine, dass wir neu Demokratie lernen müssen, den hörenden, kritischen, nachfragenden Dialog und nicht verstummen dürfen aus falsch verstandener Toleranz.“

Die Superintendentin erinnerte auch an die wichtige Rolle der evangelischen Christinnen und Christen beim Mauerfall vor 30 Jahren. „Wir waren auf alles vorbereitet, aber nicht auf Kerzen und Gebete“, zitierte sie Horst Sindermann, damals Mitglied im Zentralkomitee der SED. Vogel nannte als Beispiel die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche, die von immer mehr Menschen besucht worden seien. „In diesen kirchlichen Veranstaltungen wurden Räume eröffnet, in denen sehr viel mutiges zivilgesellschaftliches und politisches Engagement möglich wurde, das zu der gewaltfreien Veränderung führte. Für die Suche nach Frieden und Gewaltlosigkeit muss es Räume geben. Das wird mir im Blick auf den 9. November deutlich.“ Die Gemeinden könnten diese Räume zur Verfügung stellen, „Räume des Miteinanders, des Dialogs, der Verständnisses, in denen gegenseitiges Interesse entdeckt, gelernt und eingeübt werden kann“. Vogel zitierte Psalm 34,15: „Setze dich für den Frieden ein und verfolge dieses Ziel mit ganzer Kraft.“

Die Synodalen haben das beschlossene „Schutzkonzept des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch“ zur Prävention sexualisierter Gewalt und zum Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung zur Beratung in die Gemeinden verwiesen. Ergänzt wurde die Präambel des Kirchenkreiskonzeptes: „Im Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch ist die persönliche und sexuelle Grenzwahrung aller Menschen unverzichtbare Grundlage der Arbeit. Unser Schutz gilt insbesondere Kindern und Jugendlichen. Die Arbeit ist von Respekt, Wertschätzung und Vertrauen geprägt.“

Einstimmig billigen die Synodalen den Jahresabschluss 2018 mit Erträgen in Höhe von rund 1,12 Millionen Euro und Aufwendungen in Höhe von 0,95 Millionen Euro. 191.465 Euro werden in die allgemeine freiwillige Rücklage des Kirchenkreises eingestellt. Für 2020 rechnet der Kirchenkreis mit Erträgen in Höhe von 1,033 Millionen Euro. Denen sollen Aufwendungen in Höhe von 1,005 Millionen Euro gegenüberstehen.

Auf Antrag von Pfarrer Martin Häusling, Skriba im Kreissynodalvorstand, beschloss die Synode eine Resolution mit dem Titel „Haltet ein – wider den Ungeist des Anti-Semitismus, der Intoleranz und des Hasses in unserem Land“. Darin heißt es: „Wir bekennen uns zur unveräußerlichen Würde des Menschen, zu Toleranz, Achtsamkeit und einem kritischen Dialog mit allen Menschen, egal, woher sie kommen und welche Religion sie im Herzen tragen.“ Der theologische Ausschuss des Kirchenkreises wird darüber beraten, welche konkreten Folgen für die praktische Arbeit in den Gemeinden die Resolution haben soll.

Den Mitgliedern, die voraussichtlich zum letzten Mal an der Kreissynode des Kirchenkreises als Mitglieder teilgenommen haben, wurde gedankt und mit großem, anerkennendem Applaus verabschiedet.

Personalia:

Ralph Knapp, Pfarrer aus Delling, ist nach zehn Jahren als Assessor aus dem Kreissynodalvorstand, zuletzt als Assessor, auf eigenen Wunsch ausgeschieden.

Marc Gschlössl wurde zum Mitglied im Synodalen Jugendausschuss berufen.


Stichwort: Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch

Dieser Kirchenkreis bildet mit 18 Kirchengemeinden im rechtsrheinischen Köln, in Altenberg, Bergisch Gladbach, Kürten, Lindlar, Odenthal und Rösrath den größten Zusammenschluss innerhalb des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. In seinen Gemeinden leben mehr als 94.000 Mitglieder, deren Interessen im „Parlament“ des Kirchenkreises, der Kreissynode, von 125 Synodalen vertreten werden.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann/APK