Tod und Humor – auf den ersten Blick nicht gerade ein „Perfect Match“. Oder vielleicht doch? Die Hospiz- und Palliativ Arbeitsgemeinschaft Köln e.V., das Palliativ- und Hospiznetzwerk Köln e.V. sowie das Katholische Bildungswerk e.V. veranstalten vom 7. bis zum 19. Oktober zum dritten Mal seit 2009 und 2016 nicht nur einen Hospiztag, sondern die Themenwochen „Hospiz im Blick“, in diesem Jahr unter dem Motto „Sie hat mir der Himmel geschickt! Humor in der Hospiz- und Palliativmedizin“. Es gibt 15 Veranstaltungen – vom Gottesdienst über Vorträge und Gesprächsrunden, Lesungen, Mitsing-Workshops bis hin zu von zertifizierten Kräften durchgeführte Letzte-Hilfe-Kurse, in denen ganz konkrete Kenntnisse rund um das Thema Sterbebegleitung vermittelt werden.
Den künstlerischen Rahmen der Themenwochen bildet eine von der Hospiz-Akademie Bamberg entwickelte Karikaturenausstellung, die nun Station in der Christuskirche (Dorothee-Sölle-Platz 5) macht. Aus insgesamt 80 Karikaturen renommierter Zeichner und -innen haben Angelika Fürst und Franz Meurer 20 Werke ausgewählt, die dem Lebensende ein wenig von seinem Schrecken nehmen, indem sie ihm ein herzhaftes und manchmal trotziges Lachen entgegensetzen.
Gerade in schweren Momenten lohne es sich, über den Tellerrand zu blicken, betonte Oberbürgermeisterin Henriette Reker in ihrem verlesenen Grußwort. Die Kultur präge unseren Umgang mit der Trauer, erklärte sie und illustrierte diese Aussage mit der Beschreibung des in Ghana üblichen dreitägigen Trauerrituals, das die Hinterbliebenen vom exzessiven Weinen über das trotzig-heilsame Lachen bis hin zur weißen Trauerkleidung als sichtbarem Zeichen führt.
„Können Sie nicht mal leise sein? Ich sterbe gerade!“
Superintendent Torsten Krall berichtete von einem sehr persönlichen Erlebnis mit seiner Großmutter, die ihre letzten Stunden in einem Zweibettzimmer verbrachte und ihre laute Zimmernachbarin anfuhr: „Können Sie nicht mal leise sein? Ich sterbe gerade!“
„Dinge müssen klar ausgesprochen werden am Sterbebett“, forderte Krall. Die Verbindung von Humor und Sterbebegleitung besteht für ihn auch im Freisetzen von Ressourcen. „Der Hospizdienst befreit. Er macht den Weg frei für die Kraft des Humors“, stellte er fest und dankte allen, die in der Hospizarbeit tätig sind.
Pfarrer Stefan Wagner erinnerte sich an seine erste Kaplanstelle in Bensberg und seine Arbeit im Palliativbereich des Vincenz Pallotti Hospitals in Bensberg. Dort sei immer ein zweites Bett in das Zimmer einer sterbenden Person geschoben worden, damit ein(e) Angehörige(r) dort übernachten konnte. Er habe beim Betrachten der Ausstellung „eine Menge Déjà-vus“ gehabt, bekannte Wagner und berichtete von der an ihn herangetragenen Bitte, die Krankensalbung an einer Sterbenden so durchzuführen, dass diese es nicht merke.
„Humor schafft Abstand zu großen Gefühlen“
Die Karikaturistin Petra Kaster, 2012 mit dem Deutschen Karikaturenpreis ausgezeichnet und mit zwei Arbeiten in der Ausstellung vertreten, erklärte in einem Vortrag humorvoll und anschaulich, „Wie die Linie lustig wird“. „Wir gucken dorthin, wo andere nicht so gerne hinschauen“, beschrieb sie die gesellschaftliche Funktion der Karikaturisten und -innen. Krisen bieten dazu natürlich besonders viele Gelegenheiten. „Die größte Krise, die uns allen bevorsteht, ist der Tod“, meinte die studierte intermediale Kunsttherapeutin und erklärte damit auch, warum der Tod ein beliebtes „Arbeitsfeld“ so vieler Karikaturisten und -innen ist.
„Ideen entstehen aus Missverhältnissen, Missverständnissen und den kleinen Lügen des Alltags“, gab Kaster Einblick in ihre Werkstatt und fügte hinzu: „Humor schafft Abstand zu großen Gefühlen.“ So entstehen jene Frei- bzw. Denkräume, in denen Perspektiven entwickelt werden können, denn: „Angst macht unbeweglich!“
„Ein Spiel mit den Erwartungen und dem Wissen des Betrachters“
Nach dem eher theoretischen Teil gab es dann eine Live-Demonstration dessen, was aus raschen, gekonnt gesetzten Strichen eine humorvolle „Ein-Bild-Geschichte“ macht. Das Zeichnen von Karikaturen sei „ein Spiel mit den Erwartungen und dem Wissen des Betrachters“, erklärte Kaster. Am Anfang des Zeichenprozesses stünden zunächst eine Idee und dann die Entwicklung des Personals. Dabei geht Petra Kaster von eher realistischen Darstellungen aus und erhöht dann (zum Beispiel durch Abstrahierung der Formen) die Kontraste. Außerdem führte die versierte Zeichnerin vor, wie sich aus einer Grundform verschiedene Charaktere entwickeln lassen oder welche kreativen Möglichkeiten eine genderneutrale (oder gar speziesneutrale) Figurenanlage eröffnet.
Ob Bildungssystem, die Tücken der modernen Technik, Klima-, Wohnungs- oder Beziehungskrise, das Phänomen des „comic relief“ (Erleichterung durch Humor) funktioniert bei den großen und kleinen Krisen unserer Gegenwart, bietet aber auch einen kreativen Ansatzpunkt für den Umgang mit den existentiellen Themen Einsamkeit, Alter und Tod. Petra Kaster bezeichnete ihre Arbeit als „ein Stück Rache“ an dem Unausweichlichen – der Endlichkeit des menschlichen Lebens. Ein wenig sei das Zeichnen natürlich auch „Selbsttherapie“. Die Frage sei nicht „Was darf Satire?“, sondern vielmehr „Was darf (das) Leben?“ „Wir sind nur Chronisten“, stellte Kaster klar, „die Realität ist immer viel, viel schlimmer!“
Die Ausstellung „Sie hat mir der Himmel geschickt!“ ist rund um die Veranstaltungstermine geöffnet. Das Programm der Themenwochen ist unter www.bildungswerk-koeln.de oder www.hak-online.de nachzulesen. Der Katalog „Sie hat mir der Himmel geschickt! Karikaturen zu Sterben, Tod und Trauer“ (ISBN 978-3-931432-31-7) ist auch über den socialnet Buchversand bestellbar.
Foto(s): Priska Mielke