You are currently viewing Fast alles anders – ökumenische Andacht im Dom vor dem ersten FC-Spiel
Stadtsuperintendent Bernhard Seiger (links) und Msgr. Robert Kleine hielten die ökumenische FC-Andacht

Fast alles anders – ökumenische Andacht im Dom vor dem ersten FC-Spiel

Nur jede zweite Reihe ist besetzt, in jeder Bank gibt es zwei Meter Sicherheitsabstand zur Sitznachbarin oder zum Sitznachbarn, für die Öffentlichkeit ist die Veranstaltung gesperrt und insgesamt sind nur 300 Menschen anwesend – die traditionelle ökumenische Andacht für FC-Fans vor dem ersten Spiel sah völlig anders aus als im vergangenen Jahr. Da war der Dom bis auf den letzten Platz gefüllt, es wurden laute Gesänge angestimmt und Fahnen geschwenkt. In diesem Jahr war die Andacht „pandemiegerecht“, und, wie Stadtsuperintendent Bernhard Seiger feststellte, es war „fast alles anders.“

Stadtdechant Msgr. Robert Kleine begrüßte die Teilnehmenden, nicht ohne noch einmal auf die Regeln hinzuweisen, an die sich alle Fans, die das Glück hatten, dabei sein zu dürfen, penibel genau gehalten haben. Dieser Gottesdienst war dann auch die einzige Berührung der Fans mit ihrem Lieblingsverein, da kurzfristig die Teilnahme von Fans am ersten Spiel seitens der Stadt wieder untersagt wurde. So wurde die Andacht umso mehr von diesem einen Thema durchgängig beherrscht.

Verzicht und Dankbarkeit

Bernhard Seiger bat in seinem Eingangsgebet darum, dass „wir als Christen das Leben fair und gerecht gestalten“ und so diese Maßnahmen nicht nur dem eigenen Schutz, sondern auch dem der Anderen dienen. Nach einem Gebet für Vereine und Mannschaften trug Msgr. Robert Kleine eine Lesung aus dem Markus Evangelium vor. „Man kann die Botschaft in einem Satz zusammenfassen: Du sollst Gott lieben und den Nächsten“, erläuterte der Stadtdechant. Nach einer improvisierten kölschen Zwischenmusik auf der Orgel ging der Stadtsuperintendent auf das Thema des Tages ein.

„Alles ist anders in diesem Jahr. Die Absage für die Fans im Stadion hat gewiss ihre Wirkung.“ Diese konnte man in den Gesichtern der Fans und FC-Verantwortlichen trotz Maske deutlich ablesen. Bernhard Sieger zeigte den Besuchern allerdings, dass man der ganzen Sache auch Positives abgewinnen kann: „Ich nenne zwei Stichworte – Verzicht und Dankbarkeit.“

Wir hätten jetzt alle ganz neu das Verzichten gelernt. Im letzten Jahr sei es rappelvoll gewesen mit Fahnen und Gesängen. In diesem Jahr gibt es nur eine Handvoll Fans und sonst nichts. „Wir haben gelernt, zu verzichten. Wir konnten jahrelang tun und frei entscheiden, was wir wollten. Jetzt verzichten wir auf so vieles, etwa die Stimmung rund um das Spiel.“ Später werde man von dem erzählen, worauf man jetzt verzichtet hat, „Das ist nicht nur der Fußball, das ist der Besuch der alten Mutter, die Familienfeier oder gar der verlorene Job.“

Verzicht als eine Form der Nächstenliebe

Das sei eine gute Gelegenheit, auf den Mann aus Nazareth zu sehen. „Er hat verzichtet auf Ehe, ein Zuhause, sogar darauf, sein Leben festzuhalten. Wie ging das? Er hat sich frei dazu entschieden.“ Die Schlussfolgerung: „Verzicht geht leichter, wenn ich mich freiwillig dazu entscheide.“ Verzicht sei die neue Form der Nächstenliebe.

Jetzt sprach Bernhard Seiger das Thema Dankbarkeit an. „Wir können dafür dankbar sein, hier zu sein, dankbar, dass es überhaupt Spiele gibt, dankbar für die Menschen, die jeden Tag folgenschwere Entscheidungen treffen müssen und für die Menschen, die das Leben aufrecht erhalten.“ Vor einem Jahr hätte man  bei solchen Aussage gefragt „tickt der noch richtig?“ Jetzt seien unsere Ansprüche komplett durcheinander gewirbelt, wir würden alle bescheidener. „Dankbarkeit ist leichter bei freier Entscheidung, Dankbarkeit ist eine Haltung. Danke dass wir uns haben, danke für dieses Leben.“

Fairness und Freude

Für die Fürbitten kamen Fans und Vertreterinnen und Vertreter des FC nach vorne, um unter anderem für faire Spiele, für alle Verantwortlichen, für die Zuschauer und schließlich für alle Menschen, die unter Corona leiden sowie die verstorbenen Fans der Vereine, zu bitten. Anschließend betete der Stadtsuperintendent mit den Fans das Vater Unser, um dann gemeinsam mit dem Stadtdechanten mit einem Segen die Andacht abzuschließen.

„Ich bitte den Herrn um den Segen für eine faire Saison, für Freude an Sport und Spiel und für alle Fans.” Zum Abschluss durfte als einziges Lied unter den Masken die FC-Hymne gesungen und die Schals in die Höhe gehalten werden. Dann endete eine stille Veranstaltung in aller Stille.

Text: Dr. Klemens Surmann
Foto(s): Dr. Klemens Surmann