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Stadtsuperintendent Bernhard Seiger beim Gottesdienst zur Sessionseröffnung im Kölner Dom.

Es ist nicht verkehrt, ein Narr zu sein – Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und Stadtdechant Robert Kleine feiern Gottesdienst zur Sessionseröffnung im Dom

Keinen Geringeren als Heinz-Günther Hunold, immerhin Präsident und Kommandant der Roten Funken, zitierte Bernhard Seiger im Kölner Dom: „Auf der Suche nach der inneren Freiheit ist es nicht verkehrt, ein Narr zu sein“, sagte der Stadtsuperintendent zu Beginn seines Grußwortes beim Gottesdienst für Karnevalisten zu Beginn der Session.

Grußwort des Stadtsuperintendenten

Es sei wichtig, das Leben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, um sich von Umständen zu befreien, die einem die Luft abschnürten. „Das geht nicht immer ohne Irritationen. Karneval geht auch nicht ohne Irritationen.“ Seiger lobte die Erfinder des Sessionsmottos ‚Wat e Theater – wat e jeckespill‘. Schließlich spielen alle im Leben Rollen. „Wir hier in liturgischen Gewändern, die auf etwas Größeres verweisen. Aber ansonsten stecken wir in anderen Rollen, weil das Leben so vielfältig ist.“

Paulus habe über jemanden gesagt, der sich für sehr weise hielt, er möge ein Narr werden, damit er wirklich weise werde. Wichtig sei, die eigenen Überzeugungen nicht zum Nabel der Welt zu machen. „Wir sind alle gleich. Gleich abhängig von Luft, die wir atmen, von Liebe und vom Frieden.“ Und alle seien unterwegs auf der Bühne des Lebens. Das Motto sei eine wunderbare Vorlage für die Karnevalisten. Es lade ein, dem Spielen Fantasie und Raum zu schenken. Und locker zu bleiben, wie Verspielte es könnten. „Ich stelle mir vor, dass der Schöpfer das Dasein selbst gern spielt. Wir sollten anders sein, da er so frei und kreativ war, sich diese wunderbare und lebendige Welt auszudenken.“

Segen und Kerze

Der Stadtsuperintendent feierte den Gottesdienst gemeinsam mit Stadtdechant Robert Kleine. Mit dabei waren auch die evangelischen Pfarrer Markus Herzberg, Klaus Völkl und Pfarrer i.R. Otmar Baumberger in ihren Funktionen als Regimentspfarrer in Karnevalsgesellschaften. Imposant war der Einzug der Flaggenträger und -trägerinnen. Die dem Festkomitee Kölner Karneval angeschlossenen Gesellschaften präsentierten vor Beginn des Gottesdienstes ihre Flaggen. Die, die noch nicht gesegnet waren, segnete der Stadtdechant.

Genauso wie die Kerze, die das designierte Kinderdreigestirn gestaltet hat und die nun bis Aschermittwoch im Dom brennt. Gemeinsam mit Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn entzündeten Kinderprinz Julius I., Kinderjungfrau Benedikta und Kinderbauer Severin die Kerze.

Predigt des Stadtdechanten

Kleine ging in seiner Predigt auf den Evangeliumstext aus Matthäus 11, 16 – 19, ein. „Kinder spielen miteinander auf dem Markt. Es herrscht geschäftiges Treiben und die Kinder fangen an, auf der Flöte Musik zu spielen und zu singen. Aber es gibt plötzlich Streit: Die einen beginnen den anderen vorzuwerfen: ‚Wir haben euch aufgespielt und ihr wolltet nicht tanzen!‘ Wir sind sauer: Ihr habt einfach nicht mitgemacht. Darauf antworten die anderen vorwurfsvoll: Und wir haben Klagelieder gesungen und ihr wolltet nicht trauern und weinen!‘ Ihr Spielverderber!“

Diese Schilderung Jesu gibt eine Wahrheit wieder, die bis heute gilt: Man kann es nicht jedem recht machen. Jesu Zeitgenossen haben Distanz bewahrt. Wie Fernsehzuschauer heute. „Man steht beziehungsweise sitzt – wat e Theater – außerhalb des Geschehens, ob sich nun in der Welt Komödien, trumpeske Tragödien oder wahre Dramen abspielen.“ Diese Distanz nützt aber nichts. „Die Welt wird nicht dadurch besser, dass wir passiv sind. Und wir selbst widersprechen dem, was Menschsein bedeutet, wenn wir uns nicht am gemeinsamen Leben beteiligen, wenn wir nicht aufstehen, wo die Menschenwürde mit den Füßen getreten wird, wo Krieg, Terror, Gewalt und Hetze die Oberhand haben.“

Menschsein im christlichen Sinne bedeutet, Verantwortung für die Mitmenschen zu übernehmen und zusammen mit ihnen zu leben. „Was Jesus immer kritisiert hat, war die Art und Weise, wie Menschen sich zueinander verhalten. Die Kälte, die zwischen ihnen herrschen konnte. Die Gleichgültigkeit, die Unterdrückung und Ausnutzung, die Lust zur Verurteilung. Die Eigenliebe in all ihren Schattierungen.“ Jesus hat das Wort Gottes verkündet. Seine Botschaft ist universell. „Er wollte, dass die Leute an das Recht der Barmherzigkeit glauben sollten. Dass niemand außerhalb der Reichweite der Liebe Gottes steht, und deshalb sollte auch niemand außerhalb der Reichweite der Liebe von Menschen stehen.“

Das unterstrich auch das Lied von Brings, das während des Gottesdienstes gesungen wurde: „Wir werden frei sein, wenn wir uns lieben. Es wird vorbei sein mit all den Kriegen. Wir sind Brüder, wir sind Schwestern, ganz egal wo wir sind: Glaub mir: die Liebe gewinnt.'“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann