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Um den Tisch mit den herausgetragenen gottesdienstlichen Gegenständen versammelten sich (von links) Pfarrerin Friederike Fischer, Presbyterin Dorothee Agena, Presbyter Andreas Kock, Pfarrer Volker Hofmann-Hanke, Pfarrer Wilfried Seeger, Inga Waschke, Pfarrerin im Probedienst, Presbyter Erwin Wittenberg und Diakon Andreas Garstka von der katholischen Nachbargemeinde.

Entwidmung der Andreaskirche in Köln-Merkenich

Trauer, Dank und Zuversicht bestimmten den emotionalen Entwidmungs-Gottesdienst an Christi Himmelfahrt in der sehr gut besuchten evangelischen Kirche in Köln-Merkenich. „Das ist der letzte Gottesdienst unserer Gemeinde in der Andreaskirche”, eröffnete Pfarrer Wilfried Seeger. 54 Jahre hätten sich hier Menschen versammelt. Seit einiger Zeit stünden jedoch eine relativ geringe Nutzung und geringe Nachfrage in keinem Verhältnis zum finanziellen und personellen Aufwand, begründete der Theologe die Entscheidung des Presbyteriums der Evangelischen Hoffnungsgemeinde im Kölner Norden zur Aufgabe des Gotteshauses.

Bereits in der ehemaligen Evangelischen Kirchengemeinde Niehl sei überlegt worden, die Andreaskirche zu schließen. Ausschlaggebend seien die abnehmende Mitgliederzahl der Gemeinde, der Rückgang der Gottesdienstbesuchenden und die Renovierungsbedürftigkeit des Gotteshauses in Merkenich gewesen. Daran habe sich auch nach der Fusion der nördlichen Teile der Gemeinde Niehl mit den Gemeinden Neue Stadt und Worringen am 1. Januar 2020 zur Hoffnungsgemeinde nichts geändert.

„Mache uns auch heute deiner Nähe gewiss.“

„Abschiede rühren, dieser besonders”, stellte Seeger fest. „Gedanken kommen uns in den Sinn, Bilder und Geschichten”, so der Vorsitzende des Presbyteriums. Sie hingen hier in den Mauern und den Dingen, sprach der Seelsorger von Trauer, Wehmut, aber auch von Dankbarkeit. „Wir brauchen den einen Halt, den wir uns selber nicht geben können. Wir brauchen Zuspruch, den wir uns selber nicht geben können. Wir wollen uns versichern, dass Gott mit uns geht.” In liebevoller Erinnerung blickten wir auf hier gefeierte Gottesdienste, Feste, Jubiläen und andere Formen des Zusammenseins. Wir müssten jetzt Abschied nehmen von der Andreaskirche. Aber in unserer Traurigkeit wüssten wir, es sei kein Abschied von Gott. „Mache uns auch heute deiner Nähe gewiss“, betete Seeger. Nicht vergessen sollten wir an diesem Tag unsere Dankbarkeit, empfahl Seeger. Und leitete nach der Lesung von Pfarrerin Friederike Fischer aus Jesaja 55,8 über zu dem Lied „Nun danket alle Gott“. Diese Komposition hatte die Gemeinde schon bei der Einweihung der Kirche am 1. Mai 1969 gesungen.

In ihrer Predigt nach Lukas 24, 50-53 fragte Inga Waschke, Pfarrerin im Probedienst, was wir an Christi Himmelfahrt eigentlich feierten. Sie kam über die weltlichen „Traditionen” rasch auf die eigentliche biblische Grundlage zu sprechen: „Er (Jesus) führte sie (Jünger) aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.”

In ihrer nuancierten wie anschaulichen Auslegung ging Waschke ebenso auf die freudige Reaktion der Jünger ein. Irgendwie seltsam klinge dieser Abschied von Jesus, gab sie zu bedenken. Denn „Abschiede sind nicht schön, sie tun weh. Vermissen tut weh. Wir jubeln nicht.” Waschke fragte, was die Jünger veranlasst habe, sich in dieser Situation „zu freuen und Gott zu loben”. Die Predigerin glaubt nicht, „dass die Jünger nicht auch traurig gewesen wären”. Doch der Evangelist Lukas habe in seiner Erzählung von der Himmelfahrt „den Schwerpunkt darauf (gelegt), wie sich dieses Vermissen, dieses Verabschieden in den Jüngern verwandelt zu Dankbarkeit, zu Freude, zum Lob Gottes”.

„Was für Abschiede zwischen Menschen gilt, das gilt auch für Abschiede von Orten“, richtete Waschke den Blick auf den Anlass des Gottesdienstes. Orte beinhalteten Erinnerungen, stünden für empfundene Gefühle. „Für Erlebnisse, die uns angerührt und geprägt haben.” Orte gingen zwar nicht weg, aber sie veränderten sich. Sie „unterliegen dem Wandel der Zeit und der Gestaltungsfreiheit von anderen”. Es schmerze, aus einer liebgewonnenen Wohnung auszuziehen, die Heimat zu verlassen, ein Kirchgebäude zu schließen.

„Es geht mir an die Nieren, dass heute die Andreaskirche entwidmet wird”, gestand Waschke. Und das, obwohl sie „hier keinen Dienst als Pfarrerin” versehen habe. Denn in diesen Mauern hätten 54 Jahre lang Menschen gebetet, gelacht, geweint. „Sie sind gekommen, um bei Gott Halt und Sinn zu finden. Sie, liebe Gemeinde, haben hier einen Ort gefunden, um Gott zu begegnen, um zu taufen, zu heiraten, zu beerdigen”, erinnerte die Pfarrerin im Probedienst. „Um in den Höhen und Tiefen des Lebens zugesprochen zu bekommen: Du bist ein Kind Gottes. Er ist bei dir.”

„Gott führt uns hinaus, er führt uns auf unserem Weg in die Zukunft.“

Viele Menschen hätten diesen Ort als ihren geistlichen Mittelpunkt empfunden, ihn mitgestaltet, Geld und Zeit eingebracht, stellte Waschke fest. Im Abschiedsschmerz könnten wir vertrauen: „Jesus ist nicht nur in Betanien. Gott ist nicht nur in einer Kirche. Gemeinde ist nicht nur innerhalb kirchlicher Mauern. Gott führt uns hinaus, er führt uns auf unserem Weg in die Zukunft.”

Im weiteren Verlauf durfte sich die Gemeinde über nachbarschaftliche Unterstützung freuen. So bat Diakon Andreas Garstka von der katholischen Gemeinde Hl. Johannes XXIII. Gott um mehrfachen Beistand. Beistand für die Menschen in der Hoffnungsgemeinde, die diese schwere Entscheidung haben treffen müssen. Beistand für diejenigen, denen es schwerfalle, das Gotteshaus aufzugeben. Beistand für den Weg, den die beiden großen Kirchen zu gehen hätten. „Die Zukunft des Christlichen wird eine ökumenische sein oder keine“, machte der Diakon deutlich. Trost spendete er mit Worten von Kohelet und Hermann Hesse.

„Wir haben Christus gefunden“, zitierte Seeger aus dem Bericht des Jüngers Andreas an seinen Bruder Simon. Auf diese Aussage habe die damalige Gemeinde Niehl sich bei Bau und Einweihung der Andreaskirche berufen: „Wir haben Christus gefunden.“ Das wolle man sich nun noch einmal vergegenwärtigen, kündigte der Pfarrer eine Art Raumbegehung an. Darin widmeten sich vier Presbyteriumsmitglieder der Osterkerze, dem Altar, dem Kreuz und der Kanzel.

„Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist.“

Im eigentlichen Entwidmungsakt stellte Seeger namens der Hoffnungsgemeinde die Andreaskirche gemäß dem Beschluss des Presbyteriums vom 28. März 2023 offiziell außer Dienst. „Das Fundament unserer Gemeinde reicht tiefer als das dieser Kirche. Gott segne unserer Erinnerungen und mache uns bereit für das Neue”, vermittelte Seeger Zuversicht. Diese fand im Schlusslied „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist“ auch musikalisch Ausdruck. Unter Glockengeläut verließ die Gemeinde in einer kurzen Prozession die Kirche. An der Spitze Mitglieder des Presbyteriums und Garstka, die unter anderem Abendmahlgeschirr, Altarbibel und -Kreuz mitführten.

Bei dem anschließenden von der Sonne beschienenen Empfang auf der Vorwiese dankte der weiterhin für die Seelsorge auch in Merkenich zuständige Pfarrer Volker Hofmann-Hanke vielen Menschen für ihr Engagement rund um die Gottesdienste und anderen Veranstaltungen in und an der Andreaskirche. Sehr persönliche Worte sprachen weiter der einst hier tätige Pfarrer i. R. Eberhard Matthieß sowie Dorothee Agena. „Diese Kirche war 28 Jahre mein Arbeitsplatz”, so die Presbyterin. Ihr Dank galt denjenigen, die stets „dafür gesorgt haben, dass es hier immer angenehm war”, sich eingebracht und „das hier mitgetragen und (mich) ertragen haben”. Tröstliches formulierte eine ehemalige Lehrerin im Ort: „Die Mauern sind aus Stein. Aber wir sind die lebendigen Steine. Wir bleiben. Wir sind das Licht der Welt.”

In einem Nachgespräch informierten der Presbyteriumsvorsitzende Wilfried Seeger und Stellvertreter Erwin Wittenberg, dass noch unklar sei, was mit dem Gebäude und dem Grundstück geschehe. Behutsam müsse die Gemeinde auch hinsichtlich des Verbleibs der Ausstattungsstücke vorgehen. So überlege man, gottesdienstliche Gegenstände anderen Gemeinden anzubieten. Diesbezüglich sei auch ein Austausch mit der katholischen Kirche angedacht.

Beide erinnerten, dass die Gemeinde, wie schon bei der Anfang 2020 erfolgten Fusion, sich auch bei der Entscheidungsfindung zur Zukunft der Andreaskirche nicht nur mitgenommen gefühlt habe, sondern diese Ideen aus ihr gekommen seien. Für die in Merkenich und Umgebung wohnenden Gemeindeglieder denke man über einen Fahrtdienst zur Stadtkirche in Chorweiler und zur Friedenskirche in Worringen nach. Man wolle niemand im Stich lassen. So hätten auch die bislang die Andreaskirche nutzenden beiden Gruppen eine neue Adresse gefunden.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich