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Stadtsuperintendent Bernhard Seiger beim Gottesdienst zur Sessionseröffnung im Kölner Dom.

„Das Motto dieser Session ist wunderbar gewählt“: Karnevalsgottesdienst mit Stadtsuperintendent Bernhard Seiger

„Egal, wie das Leben uns verändert durch das, was wir erleben und was uns aufgelegt wird, egal wie das Leben uns prüft, ermutigt und zerzaust, in welcher Verkleidung wir auch sind, wir sind immer Kinder Gottes“, sagte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger beim ökumenischen Karnevalsgottesdienst im Kölner Dom im Januar.

Lesen Sie hier den Wortlaut:

„Liebe Schwestern und Brüder, wir haben ja gerade in dem Lied von Brings gehört, was damit gemeint ist.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Karnevalsfreunde, liebes Dreigestirn, liebes Kinderdreigestirn, gut, dass wir hier sind.

Wat e Theater – wat e jeckespill.

Das Motto unserer Session.

Heinz-Günther Hunold von den Roten Funken hat einmal gesagt, auf der Suche nach der inneren Freiheit ist es nicht verkehrt, ein Narr zu sein.

Nein, es ist nicht verkehrt, ein Narr zu sein und es ist auch nicht verkehrt, Theater zu spielen.

Warum ist das so?

Weil der Narr, der Clown, der Schauspieler in eine Rolle hineingehen, die es erlauben, das Leben aus einem anderen Blickwinkel anzusehen.

Damit gewinnen wir eine Freiheit zu den Verhältnissen, die einem oft die Lebensfreude und die Luft nehmen.

Deshalb findet sich schon in der Bibel zum Beispiel bei den Propheten das Theater und das Rollenspiel, um Leute wach zu kriegen.

Wir hörten ja gerade auch in der Predigt davon, wie das bei Jesus war.

Dazu gehört die Irritation.

Ja und Karneval ohne Irritation geht ja auch nicht.

Und ja, wir spielen doch alle Rollen.

Der Stadtdechant und ich und all die anderen, die liturgische Gewänder tragen, wir spielen ja auch eine Rolle.

Wir tragen liturgische Gewänder, um zu sagen, wir machen jetzt etwas in dieser Rolle und die verweist auf etwas Größeres.

Denn die Gewänder sind ja nicht mit uns verwachsen.

Wir sind ja nicht immer in der Rolle, Geistliche und Botschafter Jesu Christi zu sein.

Wir können auch in anderen Rollen sein, eben weil das Leben so vielfältig ist.

In den Rollen steckt aber Wahrheit.

So hat der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief mal gesagt, wer unter euch meint weise zu sein in dieser Welt, der werde ein Narr, dass er weise werde.

Der Narr hat die Freiheit, sich von seinem Bild in den Augen anderer zu verabschieden und zu sagen, es ist nicht wichtig, wie viel Ehre jemand hat, wie jemand angesehen ist, geachtet ist, sondern ob er demütig sein kann und ehrlich in den Spiegel sehen kann und sich gerade so nicht für den Nabel der Welt hält.

Wie sind wir denn vor Gott?

So geachtet, wie wir im Gefüge sein mögen, in dem wir leben, im Beruf, in der Familie, in den Karnevalsgesellschaften.

Wir sind bei Licht betrachtet alle gleich und alle gleich abhängig.

Abhängig von der Luft, die wir atmen, von der Liebe und Wärme anderer Menschen und von dem Frieden, der niemals sicher ist, aber den Frieden, den wir brauchen, um uns entfalten zu können.

Nackt kommen wir auf die Welt und nackt sind wir, wenn wir an irgendeinem Tag von einem freundlichen Bestatter einmal in schönen Kleidern in den Sarg gelegt werden.

Vor Gott sind wir mit leeren Händen da, wir können das Entscheidende nur empfangen.

Das zeigt und sagt uns der Nahe, der sein Ansehen, seine Titel und den Alltag loslassen kann.

Ja, wir sind alle unterwegs auf den Bühnen des Lebens.

Mal mehr vorne, mal mehr hinten.

Und im Karneval wollen wir, das verbindet uns alle heute und in den nächsten Wochen, ein Stück Theater spielen.

Die Rolle des Funken, des treuen Hosars, des Uhus, die Rolle des Prinzen, des Bauers, der Jungfrau oder der Tanzmarie oder welche anderen Rollen wir noch alle unter uns heute gerade hier vor Augen haben.

Und es geht schon beim Verkleiden im Kindergarten los.

Manche erinnern sich vielleicht daran, wie das in ihrer Kindergartenzeit war.

Also ausprobieren, was so geht und spüren, wie es sich anfühlt, so unterwegs zu sein.

So ein Theater schenkt Freiheit.

Und ist denn nicht jeder Gottesdienst, den wir feiern, auch ein Theaterspiel, eine Inszenierung?

Ja, was ist das für ein Theater, bei dem wir, wenn es gut geht, ins Staunen kommen.

Wir kommen ins Staunen, weil uns versichert wird, so und so ist der Himmel und deshalb ist es hier und da schon so, dass wir ein Stück vom Himmel erleben, wenn wir so leben, wie wir gerade im Lied von Brings gehört haben.

Vor der Kulisse des Doms sind wir auch wir, weil wir Menschen mit Herz und Händen und Füßen sind, aber eben auch Kinder Gottes.

Schwestern und Brüder, die die gleiche Mutter, den gleichen Vater haben.

Das sind wir immer, aber hier spüren wir es.

Wie gut, dass wir im Letzten doch keine Schauspielerrolle spielen.

Egal, wie das Leben uns verändert durch das, was wir erleben und was uns aufgelegt wird, egal wie das Leben uns prüft, ermutigt und zerzaust, in welcher Verkleidung wir auch sind, wir sind immer Kinder Gottes.

Ja, das Motto dieser Session ist wunderbar gewählt, Kompliment für die, die es ausgesucht haben, denn das Spielen hat etwas Kindliches, Unbedarftes.

Das erinnert daran, dass manches viel leichter geht, wenn man sich und seine Überzeugung nicht gar so ausnimmt.

Die Narren, Gaukler und Theaterspieler stehen für diese Gegenwelt und halten damit der Welt den Spiegel vor.

Ob Machthaber, Hüben und Trüben fähig sind zu spielen und zu weilen, von sich selbst Abstand zu gewinnen, es wäre ihnen und uns allen so zu wünschen.

Der Karneval bietet die Chance, dem Spiel und damit der Freiheit ganz viel Raum zu verschaffen.

Und ich stelle mir vor, dass auch der Schöpfer dieses wunderbaren Daseins gerne spielt.

Wie sollte es anders sein, da er so frei und kreativ war, sich diese wunderbare, vielfältige und lebendige Welt auszudenken.

Noch einmal, Hunold, auf der Suche nach der inneren Freiheit ist es nicht verkehrt, ein Narr zu sein.

Wie gut, wie gut, dass Gott uns dazu die Freiheit schenkt.

Dem designierten Dreigestirn und euch dem Kinderdreigestirn viele gute Erfahrungen in den nächsten Wochen.

Ich wünsche euch und uns allen eine gesegnete Zeit.

Wache Augen für den Nächsten und Spaß an all dem Theater.“

Hier das Grußwort noch einmal ansehen/anhören

Text: APK
Foto(s): Stefan Rahmann