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Kinder aus der Regenbogen-Schule sangen das Lied „Wir wollen Frieden“.

100. Mahnwache am Mühlenbrunnen: Ein Zeichen gegen Krieg

Ein „Jubiläum“, das es nicht geben sollte: Seit zwei Jahren versammeln sich jeden Samstag Menschen zu einer Mahnwache am Mühlenbrunnen in Dellbrück, um ein Zeichen gegen Krieg zu setzen. Mittlerweile fand die Mahnwache zum 100. Mal statt. Wie vor zwei Jahren schon waren auch diesmal Kinder der Regenbogen-Schule mit dabei. Wie damals sangen sie „Wir wollen Frieden“.

Bereits am Samstag vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 versammelten sich auf Initiative von Pfarrer Ulrich Kock-Blunk einige Menschen rund um den Mühlenbrunnen unweit der Dellbrücker Hauptstraße zu einer Mahnwache. Mit Liedern, Kerzen und Gebeten wollten sie ein Zeichen setzen gegen den (damals noch lediglich drohenden) Krieg. Wenige Tage später war der befürchtete Krieg in Europa Realität.

Bis heute treffen sich samstags um 12 Uhr zwischen 50 und 100 Menschen, die sich nicht wort- und tatenlos abfinden wollen mit der scheinbar unaufhaltsamen Spirale der Gewalt, zumal seit dem 7. Oktober 2023 ein weiterer Konflikt die Welt erschüttert. „Wir wollten unsere Ohnmacht teilen und unsere Hoffnung, dass die Menschheit mehr kann als Eskalation“, sagte Ulrich Kock-Blunk.

„Krieg in der Zermürbungsphase“

„Inzwischen ist der Krieg fast zwei Jahre alt. Wir erleben einen Krieg in der Zermürbungsphase. Wir sehen Bilder von sinnlos zerbombten Städten. Wissen von traumatisierten Menschen. Wir rechnen die Milliarden, die für Waffen ausgegeben werden und die doch dringend anders benötigt werden. Dieser Krieg ist Wahnsinn. Er zerstört ein ganzes Land“, beschrieb Kock-Blunk den ernüchternden Ist-Zustand.

Seit die Hamas am 7. Oktober Israel mit Terror überzog, ist auch im Gaza-Streifen Krieg und die Teilnehmenden der wöchentlichen Mahnwache mussten nicht nur ihr geografisches „Blickfeld“ erweitern, sondern noch ein wenig mehr gegen das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit ankämpfen.

„Menschen sind in beiden Kriegen, die von einem Tag auf den anderen zu Flüchtlingen wurden. Menschen, die ihr Land, ihre Arbeit, ihre Familie, alle Dinge und Menschen, die sie geliebt haben, zurücklassen müssen. Menschen sind da, die von einem Tag auf den anderen zu Gefangenen wurden, denen keine Individualität mehr zugestanden wird, keine Intimität, keine körperliche Unversehrtheit, die vergewaltigt werden, Menschen, die auf einmal eingepfercht werden wie Tiere, die für demütigende Spiele drapiert und gefoltert werden nach Belieben“, so Kock-Blunk.

Er rief den Teilnehmenden aber auch ins Gedächtnis, dass Kriege tiefe Spuren in den Seelen aller Beteiligten hinterlassen: „Für diejenigen, die der Krieg zu Tätern macht, gibt es das auch: das Entsetzen darüber, wie der Krieg die eigene Person, die eigene Psyche verformt hat. Gewalt wirkt nicht nur auf die zurück, die ihr unterworfen werden, sondern auch auf die, die sie ausüben. Diejenigen, die von sich selbst nicht wussten, dass sie andere quälen und töten könnten“, und er fragte: „Was wird aus diesen Vielen, die das gelernt haben – nach dem Krieg?“

Verständigung statt Hass

Am Ende seiner kurzen Ansprache gab Ulrich Kock-Blunk den Teilnehmenden zwei historische Beispiele mit auf den Weg, die Hoffnung darauf machen, dass Hass nicht endlos perpetuiert werden muss, sondern von Menschen guten Willens sogar in sein Gegenteil verkehrt werden kann: die Wandlung der deutsch-französischen „Erbfeindschaft“ zur deutsch-französischen Freundschaft und den langen Weg von Konfessionskriegen zur gelebten Ökumene.

Michael Mohr, bis vor kurzem Vorsitzender des katholischen Pfarrgemeinderates, zitierte aus einem bewegenden Interview mit einer 75-jährigen palästinensischen Christin, die ihren Sohn gewaltsam verloren hatte, sich aber der Verständigung statt des Hasses verschrieb. Geleitet werde sie dabei von drei Prinzipien: Erstens der Gleichheit aller Menschen, zweitens ihrer Verschiedenheit und drittens dem Glauben an einen wertvollen, unveränderlichen Kern in jedem Menschen. Diesen „Diamanten“ in ihrem Inneren wolle sie jeden Tag neu zum Leuchten bringen.

Mit der gesungenen Bitte „Verleih uns Frieden gnädiglich“ endete die 100. Mahnwache am Dellbrücker Mühlenbrunnen und es wird weitergehen, auch wenn wohl alle Anwesenden hoffen, dass es keiner 200. Zusammenkunft mehr bedarf.

Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke