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Die Organisierenden und Referentinnen des 29. Frauentages im Kirchenkreis Köln-Süd.

„Was mich bewegt“: Ein inspirierender 29. Frauentag im Kirchenkreis Köln-Süd voller Musik, Tanz und Geschichten

Was bewegt Sie? Eine Frage, auf die es wohl sehr verschiedene Antworten gibt. Mit „Was mich bewegt“ war zuletzt der 29. Frauentag im Kirchenkreis Köln-Süd überschrieben. Im Berufsförderungswerk der Diakonie Michaelshoven im Kölner Süden spürten die Teilnehmerinnen dem Thema auf vielfältige Weise nach: mit Musik, Tanz und Farben, mit biblischen Texten und einem Blick in die Geschichte des Karnevals, mit dem Erzählen eigener Lebensabschnitte …

„Auf die Zahl genau sind es hundert Frauen“, informierte Susanne Klüsener vom Organisationsteam. Diese besuchten jeweils zwei von sieben Workshops. Vorangestellt war ein ebenso inspirierendes Bühnenprogramm. Darüber hinaus wies die Veranstaltung willkommene Pausen auf, in denen die Frauen miteinander erzählten, sich über gestern und heute Erlebtes austauschten.

„Was ist heilig?“

In ihrer Begrüßung ermutigte die Hürther Pfarrerin Franziska Boury dem nachzugehen, was jede einzelne bewege. Als Impuls in einer kurzen Andacht nutzte das Mitglied des Orga- und Referentinnen-Teams Gedanken des Rabbiners und Buchautors Marc Gellman zur Frage „Was ist heilig?“. Und sie formulierte Anregungen: „Wo stehen wir als Menschen in der Geschichte Gottes mit uns Menschen? Was macht Menschen aus, was mich selber?“ Gleichzeitig merkten wir, dass Einschübe die Wege veränderten. „Wir können Raum füllen, körperlich, ebenso mit Tönen und Klangwellen.“ Wenn man nach dem schaue, was einen bewege, gelte es auch zu gucken, „was mich lähmt“. Oder zu erkunden, wo körperliche Unterstützung von außen notwendig gewesen und gekommen sei, um trotz Hindernissen „wieder in Bewegung kommen zu können“. Ebenso gelte es, Neues zu wagen.

Bewegen ließen sich die Frauen immer wieder mit Gesang. Schon in der Andacht und folgend beim Offenen Singen widmeten sie sich zum Tages-Thema passenden Liedern wie „Vertraut den neuen Wegen“ und „Steh auf, bewege dich“. „Ich kann mit ihnen arbeiten“, versicherte die humorvoll anleitende Veronika Metzger den Damen. Die Kirchenmusikerin und Musiktherapeutin setzte vor allem auf Lieder mitgebracht, bei deren Interpretation „der ganze Körper einbezogen wird“. „Sie haben keine andere Wahl“, machte Metzger motivierend deutlich. Ob im Sitzen oder Stehen, „der ganze Körper ist in Bewegung“ (…), „mit den Füßen machen wir ein dong dong und singen hey“.

„Je mehr wir mit dem Körper schaukeln, desto schöner findet das der Körper“, stellte Metzger fest. Nach dem sehr berührenden, eingängigen Ohrwurm „Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben“ versprach sie den Interpretinnen: „Wenn Sie heute Abend einschlafen, werden sie immer noch schaukeln.“ Schließlich bat die Musiktherapeutin, sich singend in der gesamten Aula zu bewegen und dabei bewusst Mitmachende anzusingen. „Haben Sie es gemerkt?“, fragte Metzger anschließend: „Wenn man für jemanden singt, strahlt man direkt mehr.“

Barbara Bannasch hatte für Ihren Workshop einen ganzen Satz an kleinen und großen Instrumenten mitgebracht. Mit diesen und „unseren Stimmen“ spürten die Kirchenmusikerin und Teilnehmerinnen Fragen nach wie: „Welche Musik bewegt mich? Kann aus Bewegung Musik entstehen?“

Vielfältigkeit des Menschen in der Schöpfungsgeschichte

Zahlreiche Frauen folgten der Einladung von Pfarrerin Andrea Döhrer aus Erftstadt zur Beschäftigung mit der Geschichte der Juden im Kölner Karneval seit über 200 Jahre. Der Beweggrund für ihr Thema „Shalom und Alaaf“ sei das heutige Datum, so Döhrer. „Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit.“ Seit 1996 ist das Datum in Deutschland der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. In ihrer Präsentation reiste Döhrer „durch die vielen schönen Dinge des jüdischen Karnevals in Köln“. Aber natürlich sei die Shoa immer ein Thema. „Von Köln aus sind 11.000 jüdische Menschen deportiert und ermordet worden.“ Döhrer ist Fördermitglied im „Kölsche Kippa Köpp e.V.“ Seit November 2017 ist er der erste registrierte jüdische Karnevalsverein in der Domstadt. Der Juden und Nichtjuden, Frauen und Männer offen stehende Verein knüpfe bewusst an den jüdischen Karnevalsverein „Kleiner Kölner Klub“ an. Dieser war seit den 1920er Jahren bis 1933 aktiv.

Döhrer erläuterte nicht nur die Motivation und Aktivitäten der „Kölschen Kippa Köpp“, deren Krätzchen (Mütze) unter anderem einen jüdischen Reisesegen tragen. Sie nahm in den Blick auch die Entwicklung des bürgerlichen Kölner Karnevals seit 1823, in dem Juden lange selbstverständlich mitwirkten. So verkörperte Simon Oppenheim im Rosenmontagszug 1824 „Prinzessin Venetia“. Ein längeres Porträt widmete die Pfarrerin dem 1888 geborenen Kölner Juden Hans David Tobar. Schon früh habe das spätere Mitglied der Roten Funken sein Talent etwa als Büttenredner und Bühnendarsteller entdeckt. Seit Mitte der 1920er Jahre sei er bei seinen Sommeraufenthalten auf Norderney auch dort regelmäßig aufgetreten. 1933 mit einem öffentlichen Auftrittsverbot belegt, emigrierte Tobar 1939 mit seiner Familie in die USA.

In ihrem theologisch-künstlerischen Angebot „Malt die Menschen lila an“ thematisierte Boury die Vielfältigkeit des Menschen in der Schöpfungsgeschichte. Nach den „reduziert vorgetragenen“ beiden Schöpfungserzählungen machten sich die Teilnehmerinnen daran, mittels Farben und deren zahlreichen Tönen Menschen nach ihrer jeweils eigenen Vorstellung zu „erschaffen“. Obwohl Teilnehmerinnen häufig einschränkend vorausschickten, sie könnten gar nicht malen, führe deren Kreativität „immer zu ganz tollen Ergebnissen“, freute sich Boury. Und wenn sie anschließend über ihre dynamisch-bewegten wie ruhigen Bilder erzählten, würden diese geradezu lebendig.

Offen sein Leben mit anderen teilen

Simone Semmelmann-Werner lud ein, über das Erzählen in Berührung zu kommen mit längst vergessenen Erinnerungen, Begegnungen und prägenden Lebenssituationen. Der Mensch sei ein Erzähler von Geschichten, in denen er seine Identität entwirft, konstruiert und reflektiert, sagte die Pfarrerin. Einführend macht sie bekannt etwa mit dem zur Visualisierung von Lebensumständen verwendeten „kawa-river-Modell“ und der Erzählmethode des „Storytelling“. Ihr Angebot belegte, dass auch Frauentage die Chance bieten, offen sein Leben mit anderen zu teilen – glückliche wie schwere Zeiten und Momente.

In ihrem Fazit sprach Boury von einem „durchweg schönen, fröhlichen Frauentag“. Er habe mit dem Offenen Singen beschwingt begonnen. Und diese Stimmung habe sich bis zum Schluss durchgezogen. Zugleich empfand die Pfarrerin die Veranstaltung als „sehr dicht“. Rege sei die Möglichkeit genutzt worden, miteinander ins Gespräch zu kommen, Bekanntschaften aufzufrischen oder sich kennenzulernen. „Nach meinem Gefühl sind die Frauen sehr fröhlich nach Hause gegangen.“ Genutzt wurde auch das erstmals ausgelegte Gästebuch, in das sich regelmäßige wie neue Gäste eintrugen. Auch dort ist von „einem wieder mal gelungenen Frauentag“ zu lesen – und von einer in diesen Zeiten als sehr erholsam empfundenen Gemeinschaft.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich