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"Wünschet Jerusalem Frieden! Was dient dem Frieden in Nahost?" hatte Moderator Arnd Henze ausgegeben und schränkte gleich zu Beginn ein: "Wir maßen uns hier nicht an, diese Problematik der Weltpolitik zu lösen. Deshalb fragen wir etwas niedrigschwelliger, was dem Frieden dienen könnte."

„Was dient dem Frieden in Nahost?“: Empörung und Diskussion beim ersten Braunsfelder Forum

Bisweilen schlugen die Wellen der Empörung hoch im Gemeindesaal im Gemeindehaus der Evangelischen Clarenbach-Kirchengemeinde Köln-Braunsfeld. Das erste Braunsfelder Forum hatte allerdings auch ein eher schwieriges Thema. „Wünschet Jerusalem Frieden! Was dient dem Frieden in Nahost?“ hatte Moderator Arnd Henze ausgegeben und schränkte gleich zu Beginn ein: „Wir maßen uns hier nicht an, diese Problematik der Weltpolitik zu lösen. Deshalb fragen wir etwas niedrigschwelliger, was dem Frieden dienen könnte.“

Als Gäste waren gekommen Bettina Levy aus dem Vorstand der Synagogengemeinde Köln, Monika Möller, Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Tel Aviv und Manfred Kock, von 2012 bis 2016 Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Köln-Bethlehem. Live zugeschaltet aus Jerusalem waren der dortige Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland, Probst Joachim Lenz, und Sally Azar, Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land und Palästinenserin.

Bettina Levy berichtete aus ihrer Gemeinde nach dem Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober. „Alle stellen sich Fragen: Was passiert in unserem Land? Was geschieht mit den Menschen? Wie können wir helfen?“ Sie erinnerte an den Schweigegang, zu dem die evangelische und katholische Kirche nach dem Attentat aufgerufen hatten. „Es hat uns sehr gutgetan, dass am Ende so viele Menschen schweigend vor unserer Synagoge standen.“ Levy bedauerte, dass etwa von Seiten der Künstlerschaft kein Aufschrei zu hören gewesen sei. Und es hätten auch keine pro-israelischen Flaggen an den Fensterscheiben gehangen.

Mehr Empathie auf beiden Seiten

Die Synagogengemeinde hat 40 Kinder aus Israel eingeladen, um bei der Trauma-Bewältigung zu helfen. „Die waren so energiegeladen. Die haben das Leben gefeiert und dass sie hier sein konnten.“ Zu den Geschehnissen im Gaza-Streifen: „Israel bekämpft nicht die Menschen dort, sondern die Hamas.“ Levy wünscht sich mehr Empathie auf beiden Seiten. „Wir hier können uns allerdings nicht anmaßen, die Politik Israels zu kritisieren.“

Sally Azar erklärte, dass die Menschen in Deutschland das Leid in Palästina nicht sähen. Sie beklagte auch Tote in ihrer Gemeinde. Die Umstände im Gaza-Streifen seien unvorstellbar. Nichts funktioniere. Es gebe kein Essen, kein Wasser, keinen Strom, kein Netz. Menschen würden sterben, weil einfache Operationen nicht stattfinden könnten. Sally Azar glaubt, dass die Palästinenser im Gaza-Streifen die Bekämpfung der Besatzung befürworten, die Ermordung von Menschen aber ablehnen. Die Palästinenser hätten allesamt keine Pässe. Sie würden behandelt wie Menschen zweiter Klasse. Es gebe auch Angriffe der Israelis auf christliche Kirchen in Ostjerusalem.

„Nichts rechtfertigt den Angriff vom 7. Oktober“, stellte Joachim Lenz unmissverständlich fest. Für arabische Christen sei eine Positionierung schwierig, weil sie im Zweifel einen „Besuch“ der Hamas riskierten. Es werde allerdings auch mit Fake News gearbeitet. „Es gibt arabische Christen, die glauben den 7. Oktober nicht.“ Wichtig sei, dass beide Seiten sich wahrnähmen. „Zur Wahrheit gehört immer, dass andere Menschen andere Wahrheiten haben. Wir Deutsche sitzen zwischen allen Stühlen.“

„Wir beten für Gerechtigkeit“

Sally Azar erinnerte daran, dass Israelis und Araber früher friedlich nebeneinander gelebt hätten. „Wir beten für Gerechtigkeit. Dann gibt es Frieden.“ Niemand könne ernsthaft erwarten, dass die Bewohner des Gazastreifens mit der israelischen Armee gegen die Hamas kämpfen würden. „Die Menschen wollen ihr Leben zurück. Ohne Krieg.“ Lenz erklärt: „Wir als christliche Kirchen lieben alle Menschen. Es erfüllt uns mit Schmerz und Trauer, Wut und Zorn, dass niemand in dem Konflikt die andere Seite wahrnehmen kann. Leid und Schmerz überdecken gerade alles.“

Lenz berichtete, dass vor einem Jahr ein protestantischer Friedhof in Jerusalem von zwei Hooligans zerstört worden sei. Die beiden seien gefasst worden. Es gebe zwar keine Christenverfolgung, aber es könne durchaus passieren, dass man als Christ von Israelis angespuckt werde. Die Christen seien in einer schwierigen Lage, der Druck werde als sehr stark empfunden. „Sie haben das Gefühl, die Verwaltung will sie dort nicht haben.“

Monika Möller vom Partnerschaftsverein Köln-Tel Aviv berichtete, dass kurz nach dem Terrorschlag eine von ihr organisierte Reise einer großen Gruppe nach Israel abgesagt werden musste. Der Verein stehe in Solidarität mit Israel und der Partnerstadt. Sie verwies auf den Friedenskindergarten in Tel Aviv, der mit Kölner Unterstützung entstanden sei. Dort seien die Hälfte der Kinder Juden, die andere Hälfte Araber. Nun forderten die Eltern, eine ebensolche Grundschule einzurichten. Auch das Kollegium solle aus beiden Gemeinschaften gleich stark besetzt sein. Andererseits: Es habe zwar mal in anderen Zusammenhängen einen Austausch mit israelischen und arabischen Jugendlichen gegeben. Da hätten sich aber etliche Eltern dagegen ausgesprochen.

Manfred Kock erinnerte daran, dass vor allem palästinensische Kinder in ihren Familien Schwierigkeiten gehabt hätten, wenn sie erzählt hätten, mit jüdischen Kindern gespielt zu haben. Das Attentat der Hamas nannte Kock „entlarvend“. „Zum ersten Mal wurde in dieser Radikalität deutlich, dass die Hamas die Existenz Israels ablehnt.“

„Haben Sie den Mut, Ihre Stimme zu erheben“

Pfarrerin Azar lobte die Arbeit der Partnerschaftsvereine als „toll“. Aber Möller schränkte ein: „Ein gemeinsames Papier würden die Partnerschaftsvereine Köln-Tel Aviv und Köln-Bethlehem derzeit nicht hinkriegen. Das sah Kock nicht so pessimistisch: „Die Bedingungen sind schwierig. Aber der Wille bei uns beiden ist doch wohl ungebrochen.“

Lenz erzählte aus seiner Familiengeschichte: „Mein Opa hat Paris im Zweiten Weltkrieg erobert. Mein Sohn ist dort jetzt Hochschullehrer. Es gibt immer Möglichkeiten. Wir müssen auf beiden Seiten die Guten stärken, zu erzählen, dass immer noch was geht, ist christlicher Auftrag.“

Levy ermunterte die Anwesenden: „Haben Sie den Mut, Ihre Stimme zu erheben. Nutzen Sie sie weise und für die Wahrheit.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann