Der Campus Kartause ist ohne Zweifel das größte Zukunftsprojekt des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Doch bevor die Bauarbeiten losgehen, stand erstmal die Vergangenheit im Mittelpunkt. Professor Dr. Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums, Stadtsuperintendent Bernhard Seiger, Gregor Wagner, Leiter der Archäologischen Bodendenkmalpflege, und Ulrich Karas, örtlicher Grabungsleiter, informierten über den aktuellen Stand der Ausgrabungen auf dem Gelände am Kartäuserwall 24b.
Dort wurde ein Ausschnitt der Bebauung des 1334 gegründeten Kartäuserklosters St. Barbara und Baustrukturen der nach Räumung des Klosters folgenden militärischen Nutzungen des Geländes in französischer und preußischer Zeit offengelegt. Trier wies hin auf die Einzigartigkeit Kölns unter den deutschen Millionenstädten: „Wir haben hier eine 2000 Jahre währende urbane Kontinuität, das haben weder Berlin noch Hamburg und München.“ Dementsprechend würde bei Bauprojekten im innerstädtischen Bereich eben nach der Vergangenheit gegraben.
„Es wird hier sehr entschlossen gearbeitet“
Am Kartäuserwall laufe alles nach Plan: „Wir sind hier kein baubehinderndes Projekt.“ Stadtsuperintendent Seiger erinnerte sich beeindruckt: „Ich habe hier bei Minus-Temperaturen Menschen graben sehen. Da habe ich gewusst, dass hier sehr entschlossen gearbeitet wird.“
Trier erinnerte daran, dass die Kartäusergasse auf dem mittelalterlichen Stadtgebiet an der ehemaligen Stadtmauer liege. Die benachbarte Severinstraße sei eine ehemalige Limesstraße von Köln nach Bonn gewesen. Man habe in der Nähe auch Spuren von Weinbau gefunden. Das Kartäuserkloster sei im Mittelalter Kölns zweitgrößter Weinproduzent gewesen. Mit der Qualität war es aber wohl nicht weit her: „Der Wein wurde Nasser Hund und Saurer Ludewig genannt.“
Stadtsuperintendent Bernhard Seiger erklärte, dass an der Stelle Menschen gelebt hätten, die ehrbares Handwerk ausgeübt und dort ein spirituelles und geistliches Leben geführt hätten. Er ging auch noch auf die Klostermauer ein, die bei ersten Erkundungsuntersuchungen gefunden wurde und zu den längsten erhaltenen mittelalterlichen Mauern in Köln zählt: „Die Mauer wird auf jeden Fall sichtbar bleiben.“ Gregor Wagner, Leiter der Archäologischen Bodendenkmalpflege, erzählte, dass die Mönche in kleinen Häuschen mit Garten um einen Kreuzgang angesiedelt gelebt haben und untereinander wenig Kontakt hatten. Nach 467 Jahren klösterlicher Einsiedelei hätten die Franzosen das Kloster zwangsgeräumt, 1815 hätten die Preußen das Gelände von den Franzosen übernommen.
Bei Ausgrabungen seien zahlreiche Mauern freigelegt worden: aus Basaltsteinen aus der frühen Zeit, aus Ziegelsteinen aus der späteren Zeit. Man habe Kanäle gefunden, eine Latrine und einen Brunnen. „Der Grundriss des Klosters wird immer genauer ersichtlich.“
Zahlreiche Fundstücke
Wagner zeigte einige Fundstücke, auf die man beim Graben gestoßen ist. Darunter waren zahlreiche Krüge in unterschiedlichen Größen, Ofenkacheln und eine gusseiserne Ofenplatte mit einem Motiv aus der Bibel. Wagner erzählte die Geschichte des glücklosen Peter Kachelbecker, der als Laie im Kloster gelebt hat und Ofenbauer war. Er verbrachte vier Monate in Haft im Frankenturm, weil er beim Ofensetzen Zinngeschirr des Auftraggebers hatte mitgehen lassen. Er hatte wohl mitunter auch gepredigt. Jedenfalls wurde er aus der Stadt verbannt.
Weitere Fragmente kamen beim Graben ans Tageslicht. Etwa ein Knochenstück, aus dem man mit einem Hohlbohrer Rosenkranzkugel gebohrt hat. Spektakulärster Fund war allerdings eine 70 Kilogramm schwere Bombe aus der Franzosenzeit. Die wurde bei Belagerungen eingesetzt, um Mauern zu brechen. Sie konnte von einem Mörser abgeschossen 1300 Meter weit fliegen und entfaltete beim Aufprall noch mehr Sprengkraft. Eingesetzt werden musste die Bombe nicht, denn als die Franzosen anrückten, haben die Kölner die Stadttore freiwillig weit aufgemacht. Trier vermutet: „Die Bombe ist wohl einfach liegen geblieben, als die Franzosen überstürzt räumen mussten, weil die Preußen kamen.“
Foto(s): Stefan Rahmann