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Rainer K. Siebrasse-Schenk (links) und Christoph R. Siebrasse stehen innerhalb der Installation „Denkmal“.

Christoph R. Siebrasse und Rainer K. Siebrasse-Schenk stellten im Haus der Evangelischen Kirche aus

Wo anfangen, wo aufhören mit Begrifflichkeiten und Einordnungen? Diese Frage könnte sich auch stellen, wer auf das vielgestaltige Gesamtwerk von Christoph R. Siebrasse und Rainer K. Siebrasse-Schenk blickt. Seit über fünf Jahrzehnten arbeiten und leben die beiden Künstler zusammen. Dabei beschreiten sie unabhängig ihrer künstlerischen Kooperation auch eigene, gegensätzliche schöpferische Wege. Eine übersichtliche und zugleich dichte Auswahl ihrer Arbeiten aus Bildender Kunst und Design war Ende Januar im Haus der Evangelischen Kirche in Köln versammelt.

Organisiert hatte die achttägige Ausstellung Martin Bohn. Er ist Inhaber der Kölner Galerie formformsuche, die beide Künstler vertritt. Am Eröffnungstag durften die Besuchenden Siebrasse zum 80. Geburtstag gratulieren. „Ich wollte schon immer Möbel machen“, informierte er im Gespräch. So war der gebürtige Wermelskirchener insbesondere vielfältig wie einfallsreich im (Grenz-)Bereich von Möbel-Skulptur und -Design, wechselwirksam zwischen Kunst und Formgebung tätig: spielerisch, avantgardistisch, dabei zweckgerichtet, anwendungsbezogen und mit häufig noch heute überraschenden Resultaten. Einige sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.

Siebrasse-Schenk konzentriert(e) sich neben dem Zusammenspiel mit Siebrasse in der gemeinsamen Entwicklung von Möbeln und weiteren Objekten auf die Malerei. Beide sind unverändert künstlerisch aktiv. Jedoch ist Siebrasse aufgrund einer fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung nur noch ein eingeschränktes Arbeiten möglich. „Ich kann mich lediglich begrenzt bewegen, musste mit dem eigenen Möbelbau aufhören. Ich bin aber noch fit im Kopf“, stellte er fest.

„Triade“ in der Trinitatiskirche

Vor wenigen Jahren entwarfen Siebrasse und Siebrasse-Schenk eine dreiteilige Arbeit eigens für die evangelische Trinitatiskirche im Filzengraben in Köln. Ihr Name lautet „Triade“. Dabei handelt es sich um ein kombiniertes Sprech- und Dirigierpult, ein Lesepult und einen Hocker. Sie sind ausgeführt in poliertem Edelstahl, Marmor und Filz. Für die handwerkliche Realisierung zeichnet verantwortlich die Gürtlerin/Metallbildnerin Judith Bohn. 2021 kam „Triade“ als Geschenk der beiden Künstler und ihres Galeristen Bohn in das rheinnahe Gotteshaus. Erstmals eingesetzt wurden die drei Elemente in dem damals unter strengen Hygieneauflagen durchgeführten Gottesdienst in der Osternacht. Darin sprach Stadtsuperintendent Bernhard Seiger den (nicht anwesenden) Urhebern und Stiftern seinen Dank aus. Dank für ein Werk, das in seiner „Machart für Transparenz und Freiheit“ steht.

„Es hat sich so ergeben, dass ich in der Trinitatiskirche saß und auf das fünfteilige Kreuz blickte“, erinnert Siebrasse, wie er auf die Idee für „Triade“ gekommen ist. „Das Kreuz wirkte auf mich sehr mächtig.“ Was er jedoch vermisste, war ein ansprechendes Rednerpult und dienliche Kleingeräte. Im Austausch mit dem Kirchenmusiker Wolf-Rüdiger Spieler, Programm- und Organisationsleiter an der Trinitatiskirche, lotete er aus, was gewünscht wird, was möglich ist an dieser Adresse. Seit Langem nutzt der Evangelische Kirchenverband Köln und Region das Sakralgebäude als Konzert-, Kultur- und Veranstaltungsstätte. Und dort werden die „Triade“-Objekte verschiedenen Anlässen entsprechend „sowohl einzeln als auch als Gruppe im Raum platziert“.

Dass der Begriff Triade sehr verschiedene Bedeutungen aufweist, stört Siebrasse überhaupt nicht. Im Gegenteil. „Ich finde solche Dinge gut, wenn sie sich dadurch erklären, dass sie etwas anderes sind, als namensgleiche Begriffe.“

Ausstellung im Haus der Evangelischen Kirche

Mit formgleichen, aber in der Größe deutlich reduzierten Objekten hielt die Ausstellung am Sitz des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region einen inspirierenden, Neugierde weckenden Hinweis auf „Triade“ in der Trinitatiskirche bereit. Die drei Miniaturen fanden sich innerhalb des älteren von zwei Pentagon-Dodekaedern präsentiert. Einst begegnete Siebrasse in Paris Wertstoffbehältern in dieser geometrischen Form. „Unbedingt“ wollte er eigene Objekte aus zwölf Fünfecken konzipieren und auch damit Kunst, Formgebung und Handwerk verbinden. Die in Edelstahl und MDF realisierte Großskulptur zeichnet sich neben ihrer Form durch die Farbgebung und Technik des Auftrags aus. Siebrasse-Schenk erzielte die unikatäre Struktur der inneren und äußeren Flächen des auch als Vitrine fungierenden Objekts mit gespachtelter Ölfarbe. Der Maler war ebenso vertreten mit Nessel-Arbeiten, die er mit Zeitungsseiten gepolstert und damit Tagesgeschehen „bewahrt“ hat. Auch waren von Siebrasse-Schenk individuell mit Farbe strukturierte Kreuze sowie ein mittels „ausgedienter“ Hölzer in Corona-Zeiten gefertigter Stuhl und Tisch zu sehen.

Im Zentrum der Schau befand sich die Installation „Denkmal“. Ihren Rahmen bildeten auf Stangen gesetzte Efeuwurzeln, die Siebrasse von Rinde befreit, geschliffen und mit Farbe versehen hat. „Der Efeu war so etwas wie eine Therapie“, erklärte der Parkinson-Patient, wie schwer ihm die Beschäftigung mit den Händen gefallen sei. Der Umgang mit den Pflanzen habe zugleich seine Konzentrationsfähigkeit herausgefordert und gestärkt. Im Zuge der Ver- und Bearbeitung der Wurzeln hat Siebrasse „viel gelesen und nachgedacht“ über die verbreitete, ausdauernde Heilpflanze, ihre Verwendung und Symbolik. „In Griechenland gilt Efeu als Brautgabe, auf dass er wachse hoch zu Gott.“

„Mit dem ,Denkmal´ möchte ich Dankeschön sagen für achtzig Jahre, in denen ich gut zurechtgekommen bin“, zeigte er sich glücklich angesichts guter Freunde. Er blicke zufrieden auf den erlebten beruflichen Erfolg und manch anderes mehr. „Dankbar bin ich vor allem meinem Mann Rainer.“ Dieser habe von beider Kennenlernen an stets zu ihm gehalten. Und Siebrasse hielt fest: „Die Frage, was in den Werken von wem ist, welchen Anteil wir jeweils an ihnen haben“, stelle sich nicht. Das sei häufig gar nicht auseinanderzuhalten und von beiden auch nicht angestrebt, betonte der Designer die insgesamt und damit ebenso künstlerisch sehr enge Beziehung zwischen ihm und seinem Mann Siebrasse-Schenk.

Das unvermindert fortgesetzte Projekt „Die Rolle unseres Lebens“ verleiht der tiefen Verbindung des Künstlerpaares beredten Ausdruck. Diverse, viele Meter lange Stoffbahnen haben die beiden bemalt und vor allem beschrieben mit Erinnerungen sowie jeweils aktuellen Erfahrungen. Ausgestellt sind die Rollen bis einschließlich Sonntag, 25. Februar, in der Kulturkirche Rondorf, Rondorfer Hauptstraße 45, 50997 Köln, werktags von 15 bis 18 Uhr.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich