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Pfarrer Rolf Theobold, Evangelische Kirchengemeinde Porz.

Rolf Theobold im Interview: Interreligiöse Kita – Unterschiede als Bereicherung erleben

„Religionsübergreifende Geschwisterlichkeit“ und „Unterschiede als Bereicherung erleben“: In einem inspirierenden Interview spricht Pfarrer Rolf Theobold, Evangelische Kirchengemeinde Porz, über seine Vision einer interreligiösen Kindertagesstätte in Köln und seine Eindrücke vom Friedenskindergarten „Cologne Day Care Peace Center“ in Tel Aviv.

Sie haben den Friedenskindergarten „Cologne Day Care Peace Center“ in Tel Aviv besucht und möchten mit ihm eine Kooperation eingehen. Wie weit wurden dieser Wunsch bereits in die Wirklichkeit umgesetzt?

Rolf Theobold: Erste zarte Bande wurden schon geknüpft. So wurden zum Beispiel von Kindern gemalte Bilder ausgetauscht oder aufgenommene Lieder vorgespielt. Und dann war natürlich unser Besuch in Tel Aviv – Yafo ein wichtiger Baustein zum Aufbau der Partnerschaft. Das gegenseitige Interesse ist groß, und wir müssen sehen, wie wir die Partnerschaft weiter gestalten und ausbauen. Natürlich machen die Entfernung und die Sprachbarriere das nicht nur einfach. Aber wir werden Wege finden, diese Partnerschaft mit Leben zu füllen.

Der Friedenskindergarten, den die Stadt Köln finanziert und aufgebaut hat, ist ein gutes Beispiel für interreligiöses Zusammenleben und Koexistenz. Wie haben Sie von der interreligiösen Kindertagesstätte erfahren und was hat Ihr Interesse daran geweckt?

Rolf Theobold: Über Monika Möller, die Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Tel Aviv-Yafo. Besonders beeindruckend fand ich die Tatsache, dass dort seit über drei Jahrzehnten erfolgreiche Arbeit stattfindet und nun schon Kinder in der zweiten, teilweise dritten Generation dorthin gebracht werden. Wir wollten es aber nicht beim Hörensagen belassen, sondern das auch mit eigenen Augen anschauen. Also sind wir im Juni 2023 mit dem Städtepartnerschaftsverein dorthin gereist. Die Begegnungen und Gespräche mit den dortigen Verantwortlichen und zu sehen, wie selbstverständlich und unbelastet die Kinder miteinander spielen, all das hat bei uns einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Was hat Sie dazu inspiriert, eine ähnliche Kindertagesstätte in Köln gründen zu wollen?

Rolf Theobold: Seit vielen Jahren bin ich interreligiös engagiert, insbesondere im Arbeitskreis der Religionen in Porz. Im Hintergrund steht die Idee, dass die Religionen mehr verbindet als trennt, und dass sie einen wichtigen Beitrag zum Frieden leisten können. Leider haben vielen Menschen von anderen Religionen vereinfachte, stereotype Vorstellungen. Uns scheint es ein heilsames Gegenmittel, möglichst früh einen selbstverständlichen und wertschätzenden Umgang mit den je anderen Religionen zu lernen. Das geschieht durch konkrete Begegnungen, im Idealfall schon als Kinder, die noch weitgehend unbelastet sind von erwachsenen Grenzziehungen. Die Kindertagesstätte an der Lukaskirche, die wir hierfür als Pilotprojekt ins Auge gefasst haben, eignet sich dafür in mehrfacher Hinsicht: Erstens ist die Lukaskirche schon lange Teil der interreligiösen Kultur in Porz, zweitens planen wir hier ein Quartierszentrum, das neue Begegnungsräume in Porz schaffen soll, und drittens ist die Lukaskirche mit der Biografie einer der bedeutendsten Schauspielerinnen in Israel verbunden. Orna Porat (gest. 2015), nach der in Tel Aviv ein Theater benannt ist, wurde 1938 in der Lukaskirche als Irene Klein konfirmiert. Ihr Lebensweg, der von protestantischen Wurzen über Widerstand im Dritten Reich, schließlich zur Auswanderung nach Israel und Konversion zum Judentum führte, ist Vorbild im entschiedenen Eintreten für Menschlichkeit über Grenzen hinweg, auch über Religionsgrenzen hinweg.

Wie stellen Sie sich den Alltag in einer interreligiösen Kindertagesstätte vor und wie sollen die verschiedenen Religionen und Kulturen miteinander integriert werden?

Rolf Theobold: Es wäre so schön einfach, wenn wir die Konzepte aus Tel Aviv-Yafo einfach übernehmen könnten. Wir sind hier in Köln aber in einer anderen Situation als in Israel. Das für uns passende organisatorische und vor allem das pädagogische Konzept muss erst noch gemeinsam mit allen, die mitwirken wollen, entwickelt werden. Das wird in verschiedenen Stufen geschehen und braucht seine Zeit. Was man aber jetzt schon sagen kann, ist, dass es sicher dazugehören wird, die wichtigsten Feste der Religionen und die wichtigsten Grundlagen der Religionen auf kindgerechte Weise in den Kita-Alltag einzubeziehen. Gerne werden wir dafür auch Anregungen und Beratung aus Berlin und Pforzheim suchen, die schon weiter sind als wir.

Welchen Einfluss erhoffen Sie sich von einer interreligiösen Kindertagesstätte auf die Kinder, ihre Familien und die Gemeinschaft insgesamt?

Rolf Theobold: Einen ähnlichen Einfluss, wie wir ihn in Israel erlebt haben. Im Ergebnis wünschen wir uns auch für hier, dass durch die Kita selbstverständliche Begegnungen nicht nur der Kinder, sondern der Familien zum Normalfall werden, und dass dadurch Berührungsängste abgebaut und ein offener, freundlicher, vielleicht sogar freundschaftlicher Umgang miteinander möglich wird. Das wird auch auf die Gesellschaft ausstrahlen und kann ein wichtiger Schritt sein, um von oberflächlichen Vorurteilen über die je andere Religion wegzukommen und stattdessen ein zunehmendes Verständnis für das zu gewinnen, was anderen Menschen in ihrer Religion wichtig und wertvoll ist. Ideal wäre eine religionsübergreifende Geschwisterlichkeit, die im anderen den Bruder, die Schwester sieht, und die Unterschiede nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung erlebt. Es ist zugleich eine freundliche, aber klare Absage an die extremistischen Ränder, die es in jeder Religion gibt. Ebenso sehen wir darin einen gelebten und lebendigen Beitrag gegen Antisemitismus und Rassismus.

Welche Schritte planen Sie als nächstes, um Ihre Vision einer interreligiösen Kindertagesstätte in Köln Wirklichkeit werden zu lassen?

Rolf Theobold: Das Wichtigste wird sein, dass wir an der konkreten Konzeptentwicklung arbeiten. Der erste Schritt wird darin bestehen, dass wir einen Masterplan und die dafür notwendigen Ziele und Zwischenziele festlegen. Unsere Vision, die in Israel nochmals deutlich gestärkt wurde, wird uns helfen, nun auch die nötige Energie und Ausdauer auf dem Weg zu diesem wunderbaren Ziel aufzubringen.

Text: Frauke Komander/APK
Foto(s): Rolf Theobold