Dr. Georg Kalinna ist seit März persönlicher theologischer Referent von Präses Dr. Thorsten Latzel. „Ich habe im Vikariat gelernt, wie wichtig es ist, Pluralität ernst zu nehmen, Vielfalt stehen zu lassen. Das gilt für die Vielfalt unterschiedlicher Lebenswelten, Wertvorstellungen, aber auch für die vielen Formen, in denen man den Glauben leben kann“, sagt er. Das Interview:
Sie kommen gebürtig aus Bonn und haben in Bonn, Göttingen und Berlin Theologie und Rechtswissenschaften studiert. Ihr Vikariat haben Sie in Köln-Klettenberg absolviert. Wie fühlt es sich an, wieder in Köln zu sein?
Georg Kalinna: Köln fühlt sich für einen Bonner ohnehin direkt wie halbe Heimat an (lacht). Ich war ja schon im Vikariat in Köln und freue mich sehr wieder hier zu sein, ich mag die Mentalität und die Menschen. Meine Frau und ich wohnen seit September 2021 in Kalk. Davor habe ich in der Südstadt gewohnt. Es ist spannend die verschiedenen Seiten von Köln kennenzulernen.
Sie haben in mehreren Städten studiert – wie kam es dazu?
Georg Kalinna: Ich habe in Bonn angefangen zu studieren – das war praktisch und nah (lacht). Danach habe ich in Göttingen weiterstudiert, da ich gerne in einer Unistadt studieren wollte. Ich habe dann noch Rechtswissenschaften dazu genommen und das Theologiestudium abgeschlossen. Und dann hat es mich mit Jura nach Berlin verschlagen.
Theologie und Rechtswissenschaft, ist das eher gegensätzlich oder gibt es auch Überschneidungen?
Georg Kalinna: Für mich sind die Studiengänge keine Gegensätze. Ich würde eher sagen, dass sie sich ergänzen. Beide Fächer fragen danach, wie wir als Menschen zusammen leben wollen. Und beide bemühen sich darum, Texte auszulegen, die sie für unser Zusammenleben für wichtig halten. Im Einzelnen haben sie natürlich andere Herangehensweisen. Das Theologiestudium ist stärker historisch orientiert; in Jura dagegen steht die Technik der Rechtsanwendung im Vordergrund. Hier geht es darum, Fälle zu lösen. Insofern habe ich Jura auch als praxisorientierter erlebt als viele meinen. Beiden Fächern konnte und kann ich viel abgewinnen.
Welchen Stellenwert hat Praxis für Sie?
Georg Kalinna: Theologie muss sich bewähren. Wenn ich am Grab stehe und die richtigen Worte finden muss; wenn ich Menschen taufe oder traue, reicht es nicht, zu sagen, was richtig ist. Es kommt darauf an, was hier und jetzt für mich, für die Situation und für diese Menschen richtig ist. Da kommt Theologie aus der Reflexionshöhe rein in die wirkliche Welt. Das fand ich sehr wichtig für mich, meine Theologie und meine eigene Religiosität. Ich habe im Vikariat gelernt, wie wichtig es ist, Pluralität ernst zu nehmen, Vielfalt stehen zu lassen. Das gilt für die Vielfalt unterschiedlicher Lebenswelten, Wertvorstellungen, aber auch für die vielen Formen, in denen man den Glauben leben kann.
Zwischen 2016 und 2019 haben Sie Ihr Vikariat in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg absolviert und wurden 2019 als rheinischer Pfarrer ordiniert…
Georg Kalinna: Für mein Vikariat in Köln-Klettenberg bin sehr dankbar. Ich habe dort viele Menschen kennen gelernt, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Und ich habe dort viel gelernt. Neben meiner Tätigkeit im Landeskirchenamt darf ich in der Gemeinde Köln Brück-Merheim arbeiten. Dort mache ich Predigtdienste und bringe mich ein, wo ich kann. Ich habe Kontakt zur Gemeindebasis – das ist ein schöner Ausgleich.
Was bedeutet der Glaube für Sie persönlich?
Georg Kalinna: Glaube bedeutet für mich, in Verbindung zu stehen: in Verbindung mit mir, mit anderen, mit der Natur, mit etwas, was größer ist als ich selbst. Sich zuhause fühlen zu können in den Kontakten und in der Welt, in der ich lebe, das ist für mich Glaube. Ich bin ein Stadtkind und lebe nach wie vor gerne in der Stadt – aber ich merke, dass mir der Kontakt zur Natur wichtiger wird, je länger ich im Straßenlärm lebe.
Nach dem Abschluss des Ersten Theologischen Examens waren Sie von 2013 bis 2016 am Lehrstuhl für Systematische Theologie der Universität Göttingen tätig und wurde dort mit einer Arbeit über die politische Ethik des Protestantismus in der frühen Bundesrepublik promoviert. Was konnten Sie aus Ihrer Promotionszeit mitnehmen?
Georg Kalinna: Das war eine wichtige und schöne, bereichernde Zeit. Mir ist wichtig, den Kontakt zur akademischen Theologie nicht abbrechen zu lassen. Viele Fragen aus dieser Zeit begleiten mich weiterhin, darunter die: Was haben Theologie, Glaube und Kirche über Politik zu sagen?
Nach einer erneuten zweijährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Georg-August-Universität Göttingen sind Sie seit März persönlicher theologischer Referent des neuen Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel. Was gefällt Ihnen hierbei besonders?
Georg Kalinna: Was ein:e persönliche:r Referent:in macht, hängt sehr von der Persönlichkeit und den Anforderungen der Leitungsperson ab. Ich würde für mich drei Schwerpunkte sehen: Organisation, Beratung und Vermittlung. Organisation, das ist die Steuerung von Prozessen und Abläufen. Ich bin an vielen strategischen Prozessen beteiligt, koordiniere Termine und bin an größeren Projekten mitbeteiligt. Ich berate den Präses und arbeite ihm inhaltlich zu.Vielleicht könnte man sagen: Ich versuche, die Pfade und Wege so auszubauen, dass der Karren darauf gut fahren kann. Ein großer Teil meiner Arbeit hat aber auch damit zu tun, dass man Entscheidungen vermitteln muss – den eigenen Mitarbeitenden im Haus und den Kirchenmitgliedern, für die wir die Arbeit machen. Insofern hat die Arbeit auch eine Art diplomatischen Anteil. Was mich besonders fasziniert, ist der politische Charakter kirchlicher Arbeit. Wir beschäftigen uns viel mit Fragen, wie man Mehrheiten organisiert, wie man Prozesse fördert, welche strategischen Entscheidungen langfristig die richtigen sind, an welche Stelle sie gehören, wie man mit Widerständen umgeht. Spannend finde ich aber auch die Frage, wie Theologie und Organisationsentwicklung zusammenpassen. Ich bin dabei nah an Entscheidungsprozessen bin gespannt, die Folgen zu zu sehen.
Hat die Pandemie das Ankommen beeinflusst?
Georg Kalinna: Ich hatte sehr viel Kontakt zu den Menschen über Telefon und Zoom. Im Augenblick bin ich zwei Mal die Woche vor Ort in Düsseldorf, ansonsten arbeite ich im Homeoffice. Mit fehlt die Begegnung – aber das Homeoffice bietet auch Vorteile.
Worauf freuen Sie sich?
Georg Kalinna: Ich freue mich, wenn die Projekte Früchte tragen, die der Präses anstößt und bei denen ich ihn unterstütze. Die Zusammenarbeit mit den Menschen ist erfüllend und ich freue mich auch darauf, weiter viel in ganz unterschiedlichen Bereichen zu lernen und Erfahrungen zu machen.
Woraus ziehen Sie Ihre Energie?
Georg Kalinna: Unter anderem aus dem Sport. Morgens mache ich Yoga und Meditation. Ich fahre Trekkingrad und gehe gerne mit meiner Frau wandern. Ich ziehe aber auch aus der Gemeindearbeit Energie. Vor kurzem hatten wir einen Gesprächskreis, wo wir sehr gut ins Gespräch gekommen sind und uns gut ausgetauscht haben. Insofern kann man vielleicht sagen: Der Austausch mit Menschen gibt mir Energie.
Foto(s): Kalinna/APK