Auf dem 1. Ökumenischen Kirchentag 2003 haben die Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) die Charta Oecumenica unterzeichnet. Das Ziel sei ein praktisches, hieß es damals: Die Kirchen wollten das ökumenische Miteinander auf dem europäischen Kontinent intensivieren, indem sie gemeinsame Regeln für die Praxis festlegten. Das kommt im Untertitel der Charta Oecumenica zum Ausdruck: „Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa“. Der 20. Jahrestag der Unterzeichnung war nun ein willkommener Anlass für einen ökumenischen Gottesdienst im Binnenchor des Kölner Doms unter dem Motto „Meilenstein der Ökumene“ im Rahmen der diesjährigen Domwallfahrt.
Domdechant Robert Kleine begrüßte die Gäste. Kleine freute sich, dass die zahlreichen Kirchen nunmehr schon in guter Tradition durch „den gemeinsamen Glauben verbunden“ seien. Susanne Beuth, Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Mitte und Kölner ACK-Vorsitzende, erinnerte an die Unterzeichnung der Charta. Sie begrüßte besonders Manfred Kock, damals Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der seinerzeit auch seine Unterschrift unter die Charta gesetzt habe und den man als Prediger für den Jubiläumsgottesdienst gewinnen konnte. Auch Stadtsuperintendent Bernhard Seiger war in den Dom gekommen.
Völker und Kulturen zu versöhnen, formuliere die Charta als Auftrag
Beuth sprach vor dem Ökumenekreuz, das seit 25 Jahren die geschwisterliche Verbindung zwischen den christlichen Kirchen in Köln symbolisiert und ökumenische Ereignisse begleitet. „Charta Oecumenica ist die Selbstverpflichtung der Kirchen, im ökumenischen Geist der Einheit zu feiern, zu sprechen und zu handeln in ganz Europa.“ Völker und Kulturen zu versöhnen, formuliere die Charta als Auftrag. Wie dringlich diese Aufgabe sei, sei allen seit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine „schmerzlich bewusst“. In Köln sei durch das Zusammenleben mit Gemeinde etwa aus Afrika, Südamerika und Asien deutlich, „dass unser Auftrag nicht an den Grenzen Europas enden kann“.
Der frühere Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Kock, predigte über das 17. Kapitel aus dem Johannes-Evangelium, in dem Jesus sein Vermächtnis für die Seinen, für die Welt und die Kirche in Form eines Gebetes gebe. Wer Jesus bei diesem Gebet zuhöre, merke, „wir sind nicht ein isoliertes Grüppchen, und von einer religiösen Anhängerschaft umgeben. Sondern wir sind im Namen Jesu seine Vision für die Welt.“ Und weiter: „“Erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir.“ Das Gebet beschäme ihn angesichts der Zerrissenheit der Welt und auch der Kirche, sagte der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende. „Nun aber komme ich zu dir und rede dies in der Welt, damit meine Freude in ihnen, also in uns Menschen, vollkommen sei.“ Wie kleinkariert die Streitigkeiten auf Erden wirkten angesichts der Größe dieses Gebets, dessen Weitherzigkeit die Menschen fast hilflos mache.
„Aber unsere Einheit in Jesus‘ Vision für die Welt ist seine Vision für uns.“ Angesichts der Realität sei dies allerdings auch eine Provokation. „Es gibt heute zwei Arten, dem Problem der getrennten Kirchen und der Provokation zu entkommen: eine oberflächliche und eine ernsthafte. Die oberflächliche ist gefährlich. Sie empfindet die Trennung der Kirchen nicht als einen Schmerz. ,Wir haben doch alle einen Herrgott‘, sagen sie leichthin. ,Lass doch die Theologen sich zanken, lass die Politiker sich streiten, mich interessiert das nicht, solange ich meine Ruhe habe.'“ Wer so spreche, gehöre zu denen, die den lieben Gott einen guten Mann sein ließen. Eine Gleichgültigkeit, die keine Schmerzen bereite, sei für die Kirchen und ihre Zukunft gefährlich, weil es sie unwichtig mache. Und gefährlich für die Menschen: „Denn wohin kommen sie, wenn sie gar nicht mehr merken, was sie an spirituellem Reichtum und an ethischer Orientierung, an Trost und Ermutigung verloren haben?“ Er denke, dass es auch eine ernsthafte Weise gibt, die Trennung und Spaltungen und inneren Streitigkeiten, zu betrachten. „Sie stellen die Unterschiede nicht in den Vordergrund, denn die uneingelösten Konflikte des 16. Jahrhunderts und die unvollendeten Auseinandersetzungen in der Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts dürfen nicht den Blick dafür verstellen, für das, was heute dran ist.“ Angesichts der Leiden der Menschen könne man sich die Fixierung auf die Spaltung der Kirchen nicht mehr leisten. Vor dem Hintergrund der dramatischen Lage in vielen Bereichen, nicht zuletzt vor der Bedrohung der Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen, müssten die Kirchen zusammenarbeiten. Und das täten sie ja auch an vielen Stellen in erheblichem Maße.
Die Liebe Gottes in die Welt tragen
„Es gibt eine neue Ökumene in dieser Welt, eine Ökumene der Ermutigung und des Kampfes für Gerechtigkeit. Menschen, die sich dieser Ökumene verpflichtet fühlen, sind aktiv und engagiert. Denn sie beziehen ihre Kraft aus der Kraft des Geistes. Und so entspricht es im Gebet Jesu: Eine Konfession lockt die andere aus ihrem Schatz und ihrem Reichtum etwas mitzuteilen, dass sie alle eins seien, damit die Welt glaube. Das ist das Ziel des Gebetes Jesu.“ Kock erklärte zum Schluss: „Der Mann am Kreuz hat die Liebe Gottes, die wir empfangen. Die gilt es in die Welt zu tragen, gleich in welcher Konfession wir leben. ,Ich bitte dich nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen.‘ Diese Fürsprache Jesu ist größer als unser Herz und auch größer als unser Verstand. In dieser Fürsprache ist unsere ganze Zerrissenheit aufgehoben. Sein Wort macht froh im Leben und trägt uns auch durchs Sterben.“
Foto(s): Engelbert Broich (Archiv-Bild)