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Skulptur „Der sterbende Häftling“ von Françoise Salmon in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Gedenkstättenfahrt mit Jugendlichen: Erinnerung und Auseinandersetzung im KZ Neuengamme

Das ehemalige Konzentrationslager Neuengamme stand bei der Gedenkstättenfahrt im Oktober 2023 im Fokus, wo Jugendliche sich mit den grausamen Lebensbedingungen und dem Leiden der Häftlinge auseinandersetzten. Die Fahrt zielte darauf ab, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten und den Jugendlichen zu vermitteln, dass sie aktiv gegen extremistische Tendenzen eintreten müssen.

Stünde nicht in großen Buchstaben „KZ Gedenkstätte Neuengamme“ am grauen Pavillon neben der Bushaltestelle, würde man nicht ahnen, um welchen Ort es sich handelt. Auf dem 57 Hektar großen Gelände sind nur wenige der ursprünglichen Gebäude des ehemaligen Konzentrationslagers erhalten: eine Klinkerfabrik, Hallen der ehemaligen Walther-Werke und zwei Kraftfahrzeughallen der SS. Die Barackenstandorte der Häftlingsbaracken, das Krematorium und alle anderen ehemaligen Gebäude sind durch Steine markiert und teilweise mit Infotafeln versehen. Eine Tongrube wurde rekonstruiert, sodass man erahnen kann, unter welchen Umständen die Häftlinge dort arbeiten mussten.

Im KZ Neuengamme starben von 1937 bis 1945 43.000 Menschen durch Misshandlung, durch „Vergeltungsaktionen“, durch Hinrichtungen – vor allem aber durch unmenschliche Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Tongruben oder am Kanalbau der Elbe. Es waren politische Häftlinge, Sinti und Roma, Homosexuelle, sogenannte „Asoziale“,  Zwangsarbeiter aus Polen, Russland und anderen Ländern und Jüdinnen und Juden.

„Gedenkstätten-erfahrene“ Jugendliche reisten mit

Die mitreisenden Jugendlichen der Gedenkstättenfahrt waren „Gedenkstätten-erfahren“, hatten im vergangenen Jahr die Fahrt ins ehemalige KZ Flossenbürg mitgemacht und waren vereinzelt in Auschwitz oder Dachau gewesen. Für sie war es eine große Herausforderung, bei dieser Fahrt mit so wenig „Außenreizen“ zum Thema Holocaust zu arbeiten – die sie jedoch hervorragend meisterten: Die Gruppe war mit 13 Jugendlichen klein und die erwachsenen Begleiter (Stefan Jansen-Haß und Siggi Schneider) waren ihnen vertraut.

Für Jansen-Haß sind die Gedenkstättenfahrten mit Jugendlichen eine Herzensangelegenheit: „Angesichts von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus wollen wir den Jugendlichen nahebringen, dass autoritären, totalitären, nationalistischen und militärischen Tendenzen mit aller Kraft entgegengewirkt werden muss.“ Und Schneider ergänzt: „Ferienfreizeiten sind eine tolle Sache für Jugendliche: Spaß, Gemeinschaft, Aktivitäten, fremde Länder. Doch bei Gedenkstättenfahrten erleben die Jugendlichen sich und uns in Situationen, die einen fassungslos und ohnmächtig werden lassen, wir sprechen darüber, wie man Gewalt und Hass begegnen kann und kommen natürlich auch auf die Theozidee-Frage zu sprechen und gerade diese Erfahrungen, diese Gespräche wissen die Jugendlichen sehr zu schätzen.“

Mit der Gedenkstätten-Leitung Ulli Jensen hatten Jansen-Haß und Schneider zuvor die Workshop-Tage in Neuengamme geplant: Im Mittelpunkt stand Biografie-Arbeit – allerdings nicht nur von Opfern, sondern vor allem von Täterinnen und Tätern. Und auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Vorfahren – wie haben die Groß- oder Urgroßeltern im Nazi-Deutschland gelebt? – wird bearbeitet. Den Jugendlichen war es jedoch auch wichtig, nicht nur inhaltlich zu arbeiten, sondern Zeit zum Trauern und Erinnern zu haben und gestalteten den kleinen Gedenkgottesdienst am letzten Tag der Reise mit Liedern und Gebeten, Blumen und Kerzen mit.

Im kommenden Jahr geht die Gedenkstättenfahrt ins ehemalige KZ Ravensbrück, welches das größte deutsche Frauen-KZ war und an das das „Jugendschutzlager Uckermark“ angegliedert war, was einen Themenschwerpunkt der nächsten Gedenkstättenfahrt bildet

Text: Siggi Schneider
Foto(s): Siggi Schneider