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Dr. Martin Hyun erzählt in einer eindrucksvollen Performance aus seiner Jugend.

„Wir sind mehr“: „People of Deutschland“ in der Kulturkirche

Frenetischer Jubel auf in der Kulturkirche in Nippes. Soeben hatte Dr. Martin Hyun in einer eindrucksvollen Performance aus seiner Jugend erzählt. „Ich bin ein südkoreanisches Gastarbeiterkind und damit alles andere als ein biodeutsches Elite-Kind.“ Hyun berichtete von seinem sehr ehrgeizigen Vater, der als Bergarbeiter unter Tage geschuftet habe. Oft auch am Wochenende, um der Familie ein einigermaßen sorgloses Auskommen zu sichern. Hyun war erfolgreich in der Schule und hat nach dem Studium von Politik, International Business und International Relations in den USA, Belgien und in Bonn promoviert. Im Eishockey hat er es bis zum Profi bei den Krefeld gebracht und war deutscher Junioren-Nationalspieler.

„Träume müssen auch wahr werden“, lautet sein Motto. Folgerichtig hat er für sein autobiografisches Buch den Titel „Ohne Fleiß kein Reis. Wie ich ein guter Deutscher wurde“ gewählt. Aber er hat auch erlebt, „dass das Lob der Vielfalt oft nur ein Lippenbekenntnis ist“. Etwa bei wegen seines koreanischen Nachnamens abgelehnten Bewerbungen.

Hyun äußerte sich begeistert über die „positive Energie“ in der Kulturkirche: „Wer die nicht mitnimmt, macht etwas falsch.“ Er sei müde von Hass und Ignoranz. „Aber heute lade ich den Akku wieder auf.“ Es gehöre Mut dazu, für das Richtige einzustehen. „Ich habe mittlerweile den Mut, meinen Namen auszusprechen und ihn nicht zu buchstabieren.“

„45 Menschen, 45 Gesichter – Über Rassismus im Alltag und wie wir unser Land verändern wollen“

Hyun ist einer von 45 Menschen, die sich an dem Buchprojekt „People of Deutschland“ beteiligt haben. Im Untertitel heißt es: „45 Menschen, 45 Gesichter – Über Rassismus im Alltag und wie wir unser Land verändern wollen.“ Simon Usifo ist gemeinsam mit Martina Rink für das Projekt „People of Deutschland“ verantwortlich. Die einzelnen Berichte wurden mit ausdrucksstarken Porträts von Fotograf Sammy Hart ergänzt. Hinter jedem fotografierten Gesicht steckt eine sehr persönliche Geschichte.

„People of Deutschland“ ist ein Sammelsurium an aufwühlenden Einblicken in 45 Leben und 45 alltagsrassistische Ereignisse und gleichzeitig ein Statement dafür, dass es Hoffnung auf Veränderung gibt: So beschreiben Rink und Usifo, die beide auch ihre Geschichten mit eingebracht haben, das Buch. „Wir haben uns in unserem Buch bewusst auf jene Art der Diskriminierung fokussiert, die in erster Linie durch das Aussehen getriggert wird. Wissend, dass dies nur eine von vielen Diskriminierungsdimensionen darstellt. Das ist jedoch der rote Faden, der alle verbindet“, erklärt Usifo.

„Wir brauchen dringend Veränderungen“

In der Kulturkirche wurde über das Buch hinaus gelesen, Musik gemacht und in Talkrunden diskutiert. Die Moderation hatte Milka Loff-Fernandes. Miriam Haseleu, Pfarrerin in der Luther- sprich Kulturkirche, begrüßte die Gäste. “Es ist uns eine große Ehre, dass das hier möglich gemacht wurde. Und wir sind dankbar. Wir brauchen dringend Veränderungen. Und ich glaube fest an die Kraft, die in dem Zuhören von diesen Geschichten steckt.“ Haseleu schloss mit den Worten: „Wir sind mehr.“

Für Furore sorgte auch die Girlband ONA, die in dem Projekt „If a bird“ in Braunschweig entstanden ist. Dabei geht es vor allem darum, dass sich junge Nachwuchsmusiker- und musikerinnen mit ihrer eigenen Identität, ihren Emotionen, Ängsten, Träumen und Zielen auseinandersetzen, um eine eigene starke Message zu entwickeln, die sie der Welt mitteilen. In diversen Projekten, angefangen von Songwriting-Sessions und Bandproben, über Musikvideo-Drehs, Gigs, Talkshow-Formate, bis hin zu einem eigenen Musiklabel, internationalen Austauschprogrammen und ganzen Jugendmessen, entwickeln die „Birds“ ihre Persönlichkeit, um schließlich die beste Version ihrer Selbst zu werden. So erklärte „If a bird“-Gründer Billy Ray Schlag das Projekt, das in der niedersächsischen Stadt für viel Aufsehen sorgt.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann