Am liebsten, so verrät Pfarrer Thomas Werner, hätte er alle 2500 Mitglieder der Gemeinde bei seiner Abschiedsfeier rund um die Bergisch Gladbacher Gnadenkirche begrüßt. Doch auch wenn nicht alle da sein konnten, um ihn bei dem fröhlichen Fest in den Ruhestand zu verabschieden, freute der Pfarrer sich über das „Lichter- und Sternenmeer an Menschen“, die gekommen waren, um seinen Dienst im Pfarrbezirk zu würdigen, mit ihm zu singen, zu tanzen oder die vielen Erinnerungen noch einmal aufleben zu lassen, die sich in drei gemeinsamen Jahrzehnten ergeben. Gäste aus der Kommunalpolitik, aus dem Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach, dessen Förderverein er angehört und aus der Gemeinde wurden persönlich von Pfarrer Werner begrüßt, jeder wurde mit einem herzlichen Lächeln bedacht.
„Rund um die Gnadenkirche war es immer lebendig“
Die stellvertretende Superintendentin, Pfarrerin Kerstin Herrenbrück, entpflichtete Pfarrer Werner mit Gebet und Segen von seinem Dienst und sprach Thomas Werner ihren Dank für seine jahrzehntelange Treue gegenüber der Gemeinde und der Kirche aus. „Du hast stets ein vielfältiges Zeugnis der Botschaft Gottes abgelegt. Rund um die Gnadenkirche war es immer lebendig. Es wurde viel bewegt und aufgebaut, du hast als Netzwerker und Seelsorger gewirkt.“
Am 1. Januar 1992 trat der Theologe seinen Dienst als Pfarrer an der Gnadenkirche an. Der 1. Pfarrbezirk umfasst die Stadtmitte Bergisch Gladbachs, Rommerscheid, Herrenstrunden und Teile von Sand. Trotzdem er damalige die Atmosphäre in seiner Gemeinde rückblickend als bürgerlich-konservativ definiert, war er sich aber auch bewusst, dass ihn eine große Offenheit willkommen hieß: „Die Bereitschaft, etwas Neues zu wagen, ein Umbruch war schon spürbar. Es gab eine aufgeschlossene Mitarbeiterschaft, die bereit war, im Respekt vor gewachsenen Strukturen, nach neuen Wegen, insbesondere in der Jugend- und Familienarbeit, zu suchen.“
Konzept „Kunst und Gnadenkirche“
Und es wurde viel Neues gewagt. Die Gnadenkirche entwickelte sich zu einem Ort der Kultur, aber auch der politischen Auseinandersetzung. So entstand 1994 das Konzept „Kunst und Gnadenkirche“, das Künstlerinnen und Künstlern Raum für Aktionen und Performances gab. Im gleichen Jahr erfolgte die Gründung der Quirl-Initiative zur Förderung ökumenischer und kultureller Aktivitäten in Bergisch Gladbach, vier Jahre später eröffnete das Bistro „Quirl’s“. Das Fest der Religionen und Kulturen am Quirlsberg wurde zur Tradition, es gab Beratungen für wohnungslose Menschen, und als 2015 immer mehr Geflüchtete Zuflucht in Deutschland suchten, waren Pfarrer Werner und seine Mitarbeitenden sofort da, um schnell und unkompliziert zu helfen. Diese Hilfe gibt es auch jetzt wieder für die Menschen aus der Ukraine.
Als Seelsorger weiterhin ansprechbar
Wort und Tat zu verbinden, authentisch zu sein, glaubwürdig und den Menschen zugewandt, jeden voller Respekt zu begleiten – diese Ziele des Theologen passen gut zu den vielen Dingen, die er umgesetzt, angestoßen und begleitet hat.
Geboren wurde Pfarrer Werner 1957 in der Nähe von Johannesburg – noch heute verbindet ihn viel mit Südafrika, wird er nun erst einmal eine ausgedehnte Reise dorthin antreten. „Ich muss mich in Ruhe sortieren und schauen, was ich mit dem Ruhestand anfange“, sagt der 64-Jährige zur Begründung seiner Auszeit in Afrika. Denn einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger wolle er nicht im Weg sein. Natürlich sei er als Seelsorger weiterhin ansprechbar, doch für Trauungen, Taufen oder Beerdigungen werde er nicht mehr zur Verfügung stehen, sagt er.
Mit ganzem Herzen Pfarrer
In der Rückschau betont er, er sei absolut am richtigen Platz und mit ganzem Herzen Pfarrer gewesen: „Mir war sehr schnell klar, dass es in der Evangelischen Kirche im Rheinland keine bessere Gemeindepfarrstelle für mich gibt!“
Und das, obwohl er als junger Mann zunächst den Wunsch hatte, als Arzt im Entwicklungsdienst seinen Platz zu finden. Ein Praktikum in Essen, bei Pfarrer Willi Overbeck, ließ ihn Gemeindeleben in Verbindung mit Kultur mit anderen Augen sehen. Das Theologiestudium absolvierte er in Heidelberg, Berlin und Bonn, das Vikariat in Köln-Deutz. Als Pastor im Sonderdienst engagierte er sich in Essen-Frohnhausen für Jugendliche aus sozialen Brennpunkten. 1992 kam er nach Bergisch Gladbach und ist nun einer von drei Pfarrern in der 250-jährigen Geschichte der Gemeinde, die „die 30 gerissen haben“, wie er lachend sagt.
Foto(s): Matthias Pohl