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Zum ersten Mal steht in der evangelischen Gnadenkirche von Bergisch Gladbach ein schwules Paar vor dem Altar

Sie haben kein Problem damit, schwul genannt zu werden: Herbert Groh und Heiner Koppe leben ihre Liebe öffentlich. Auf dem Standesamt haben die beiden Männer bereits „Ja“ gesagt. Die Evangelische Kirchengemeinde Bergisch Gladbach ermöglicht ihnen nun – ganz neu – auch eine gottesdienstliche Begleitung ihrer Lebenspartnerschaft.


Bereits im September auf dem Standesamt
Vor der Tür des Reihenhäuschens am Heiligenstock blühen Kübelpflanzen und beim Öffnen lugt Hund Kenzo um die Ecke. Herbert Groh (56) und Heiner Koppe (52) fühlen sich hier miteinander wohl. Seit 1992 wohnen sie in dem Bergisch Gladbacher Haus, seit 24 Jahren sind sie ein Paar. Sie, die noch mit der Strafverfolgung von Homosexuellen groß wurden, drängte es zunehmend, das informelle Lebensbündnis in eine verbindlichere Form zu bringen. Mit schmunzelndem Blick zu seinem Partner erzählt Herbert Groh: „Ich habe gesagt: Wenn du das Aufgebot bestellst, heirate ich dich!“
Am 10. September, seinem 56. Geburtstag, war es soweit, wenngleich die Zeremonie im Bergisch Gladbacher Ratssaal im Amtsdeutsch nicht „Trauung“, sondern „Verpartnerung“ heißt.

Der wichtigere Teil: Die gottesdienstliche Begleitung
Jetzt freuen sich die beiden Männer darauf, in der evangelischen Gnadenkirche auch vor Gott zu treten. „Gottesdienstliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Paare in verbindlicher Lebensgemeinschaft“ heißt das im Kirchen-Klartext. Den beiden ist der Begriff egal. Was für sie zählt, ist, dass ihr Wunsch nach kirchlichem Segen wahr wird. Aufgrund ihrer Bitte hat das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach im Oktober 2005 beschlossen, diese „Gottesdienstliche Begleitung“ in ihren Pfarrbezirken möglich zu machen. Für Heiner Koppe ist der gottesdienstliche Teil im Vergleich zum weltlichen auf jeden Fall „der wichtigere“, und auch sein Partner meint: „Wenn schon, denn schon.“

Öffentliche Anerkennung statt Diskriminierung
Für die beiden Männer ist die öffentlich gemachte Anerkennung ihrer Beziehung wichtiger Baustein einer Lebensgeschichte, die anfangs von offener Diskriminierung und später immer noch von familiärem Leid geprägt war. „Ich hatte mein Coming out mit 21“, sagt Herbert Groh. „Damals gab es den Paragraphen 175 noch.“ Jugendliche wissen heute gar nicht mehr, dass er mal einfache Homosexualität zu einem Straftatbestand machte. „Es war extrem schwierig für zwei Männer, die zusammenziehen wollten, eine Wohnung zu finden.“ Durch eine Kontaktanzeige im Stadtmagazin lernte er, der Jurist, 1981 in Bremen Heiner Koppe kennen, der damals als Krankenpfleger arbeitete und heute als freiberuflicher Supervisor tätig ist. 32 und 28 waren sie. Auch der Jüngere hatte mit 21 seine Männerliebe entdeckt und damals einschlägige Magazine wie „Du und ich“ nur „unterm Ladentisch“ bekommen. Treffpunkte in Kneipen, Saunen und Parks habe es zwar genauso viele wie heute gegeben, aber es sei schwieriger gewesen, sie zu finden. Homosexualität war ein Tabu. Die zwei erinnern sich, dass sie in jungen Jahren bisweilen auch extra provokant auftraten – zum Beispiel Händchen haltend. „Da sind wir beschimpft worden.“

Homosexuell? Gleichgeschlechtlich? Nein, einfach schwul
1984 zogen sie nach Köln, nahmen am Christopher Street Day teil. „Der war da noch mini.“ In dem Maße wie er wuchs, schwand die offene Diskriminierung. „Heute ist homosexuelles Leben in der Öffentlichkeit in Köln und Umgebung eine Selbstverständlichkeit“, meint Herbert Groh. Dabei mag er das Wort „homosexuell“ eigentlich gar nicht. „Das ist wie eine medizinische Diagnose – und ich bin nicht krank.“ Den Eiertanz um die Begrifflichkeit findet das Paar unnötig. „Homoerotisch? Ist abgehoben. Gleichgeschlechtlich? Furchtbar! Wir sind schwul.“ Punkt.

Gottvertrauen durch die Großmutter vermittelt
Rückendeckung vom Elternhaus hatten beide Männer nicht. Im Gegenteil. Herbert Grohs Vater war vom „braunen“ Gedankengut durchdrungen, die Eltern kamen mit seiner Entwicklung nicht klar, nur der Bruder stand ihm bei. Bei Heiner Koppe war’s noch drastischer: „Mein Vater war ein Nazi.“ Er wandte sich vom Sohn ab, schickte noch 1992, als das Paar von Köln ins Gladbacher Reihenhaus umzog, eine Karte: „Ich habe immer noch gehofft, du findest die richtige Frau.“ Die Mutter hatte dem nichts entgegenzusetzen. „Ohne meine Großmutter gäbe es mich nicht“, sinniert der 52-Jährige. Sie sensibilisierte ihn auch für die Religion. „Dieses Gottvertrauen ist gewachsen durch sie. Sie kannte alle Paul-Gerhardt-Lieder – und alle Strophen.“

Kirchliches Leben ist keine Privatsache
Für beide Männer ist es ein Bedürfnis, ihre lange Lebensgemeinschaft auch in die Kirche zu tragen. „Es ist ein Bekenntnis zu dir und zu meinem Glauben“, sagt Herbert Groh, während seine Augen den Partner festhalten. Und dafür sei im Gottesdienst der richtige Platz. „Kirchliches Leben findet in der Gemeinde statt.“ Das sei keine Privatsache. Das war nicht immer so klar für die beiden Bergisch Gladbacher. Denn auch kirchlich lief bei ihnen nicht alles rund.

Kirchliche Heimat wieder gefunden
Herbert Groh, der sich bei Kindergottesdienst und Jugendarbeit engagiert hatte, wandte sich nach seinem Coming out an den Pfarrer, „meinen ehemaligen Religionslehrer“, um Hilfe zu finden. „Der hat mich hängen lassen“, da er nur Ratschläge wie „Da müssen Sie gegen angehen“ parat hatte. „Aus dieser Enttäuschung habe ich einen Teil meiner kirchlichen Heimat verloren. Was ich nicht verloren habe, ist mein Vertrauen in eine höhere Macht, heute sage ich Gott.“ Heiner Koppe kehrte ebenfalls zwischendurch der Amtskirche den Rücken, nachdem der Kirchenvorstand in der Bankreihe hinter ihm die Schweinepreise diskutiert hatte – während seiner Konfirmation. „Die Glaubwürdigkeit hatte darunter sehr gelitten.“ Erst langsam und im Miteinander fanden die beiden Männer zu ihrer religiösen Identität (zurück). Beide haben die Bibel ganz gelesen (Koppe: „Ich allerdings das Alte Testament nur quer.“), kümmern sich um zwei Patenkinder und besuchen fast jeden Gottesdienst in der Gnadenkirche, zu deren Bezirk sie gehören. Dass manche Pfarrer die „Gottesdienstliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Paare in verbindlicher Lebensgemeinschaft“ ablehnen, ficht sie nicht an. „Unser Gott ist größer.“

Signal der Akzeptanz
Aber es macht sie froh, dass das Presbyterium ihren Wunsch erfüllt und Pfarrer Thomas Werner sie zum Altar der Gnadenkirche begleitet. „Es war uns wichtig, dass das in der Gemeinde stattfindet“, sagt Heiner Koppe. „Das ist ein Signal der Akzeptanz auch nach draußen. Und es ist eine Botschaft an die, die außerhalb der Kirche stehen, dass schwule Paare eine kirchlich gebundene Heimat finden können.“ Das Datum steht schon fest, eine Rentnerin aus der Nachbarschaft hat sich bereits erkundigt, was sie und ihr Ehemann dem Paar schenken könnten.

Die Geschichte der Begleitung Schwuler durch evangelische Gemeinden
Die gottesdienstliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Paare in verbindlicher Lebensgemeinschaft hat für evangelische Gemeinden im Rheinland außerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde bereits eine längere Geschichte – sie begann schon 1994 mit einer damals noch nicht erlaubten „Segnung“ in der Kölner Südstadt, seit 2000 aber ist sie für alle Gemeinden des Evangeischen Rheinlands erlaubt – so sie es denn wollen. Nachzulesen hier.

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser