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Vor 70 Jahren wurde in Wuppertal die Barmer Theologische Erklärung unterzeichnet. Was ist sie, was sagt sie?

Die Barmer Theologische Erklärung wurde am 31. Mai 1934 in der „Gemarker Kirche“ (heute neben der Neuen Synagoge) in Wuppertal-Barmen unterzeichnet. Die Barmer Theologische Erklärung formulierte den Widerspruch der Bekennenden Kirche gegen die Theologie der Deutschen Christen und die Politik der Gleichschaltung durch den nationalsozialistischen Staat. Sie wurde damit gewissermaßen zum Gründungsdokument der Bekennenden Kirche. Heute zählt die Barmer Erklärung für einige Evangelische Kirchen im Rahmen der EKD zu ihren Bekenntnisgrundlagen (Evangelisch-reformierte Kirche, Evangelische Kirche der Union). Das heißt, ihre Aussagen haben verpflichtende Bedeutung und PfarrerInnen dieser Kirchen werden auf diese Erklärung ordiniert. Daher ist sie im Evangelischen Gesangbuch, das in den meisten deutschsprachigen evangelischen Kirchen in Gebrauch ist, im Wortlaut abgedruckt.
Aus Anlass des diesjährigen Jubiläums und weil unser Betriebsausflug uns in die unmittelbare Nähe der Kirche geführt hat, in der die Erklärung unterzeichnet wurde, hier eine Zusammenfassung der Inhalte der Barmer Theologischen Erklärung, wie sie im letzten Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll zu lesen war, unter freundlicher Überlassung der Autorin, Dipl. Theol. Cordula Trauner, Vikarin in Deutz/Poll:


Vor siebzig Jahren wurde auf der Bekenntnissynode von Barmen die Barmer Theologische Erklärung (im Folgenden: BET) verfasst. Der reformierte Theologe Karl Barth gilt als ihr Hauptverfasser (Im Ev. Gesangbuch unter Nr. 858 zu finden). Barths erster Entwurf, den er für die „Evangelische Bekenntnisgemeinschaft Bonn“ geschrieben hatte, wurde u.a. von Hans Asmussen und dem Erlanger Kirchenhistoriker Hermann Sasse kritisch kommentiert und ergänzt. Noch während der Synode wurden weitere Änderungen eingearbeitet.

Die BET wurde auf der Barmer Synode „… als christliches, biblisch-reformatorisches Zeugnis angenommen und den Bekenntniskonventen zur Erarbeitung verantwortlicher Auslegung von ihrem Bekenntnissen aus“ (so der Beschluss) übergeben. Somit wurde die Möglichkeit zu unterschiedlichen Auslegungen, Wertungen und Akzentuierungen einzelner Lehraussagen als legitim eingeräumt. Die BET ist bewusst den reformatorischen Bekenntnissen untergeordnet.

Gliederung, Inhalte
Die BET ist in einleitende Schriftworte und nachfolgende Bekenntnis- und Verwerfungssätze gegliedert. Die Abfolge der Thesen wird durch die Zentrierung auf Christus bestimmt.
Aus der in These I proklamierten alleinigen Geltung der Christusoffenbarung werden bestimmte Folgerungen für das christliche Handeln (These II), für das Selbstverständnis der Gemeinde (These III), für die Ordnung der Ämter (These IV), für die Aufgaben von Kirche und Staat (These V) und schließlich für den Dienst der Verkündigung (These 6) gezogen. Zu den einzelnen Thesen:

These I
Die Christusbotschaft wird als das allein maßgebende Kriterium christlicher Existenz und kirchlicher Verkündigung herausgestellt. Im Verwerfungssatz wird demzufolge die deutschchristliche Geschichtstheologie abgelehnt.
Barmen I ist von Anfang an in ihrer theologischen Berechtigung umstritten gewesen und bis heute auch geblieben. Lutherische KritikerInnen vermissten in ihr vor allem die Erwähnung des Gesetzes Gottes und sahen die Wirklichkeit der allgemeinen Offenbarung verneint. Auch nach 1945 haben Theologen wie Althaus daran festgehalten, dass Barmen I weder mit der Heiligen Schrift noch mit dem lutherischen Bekenntnis in Einklang stehe.

These II
Thema: Die Zusammengehörigkeit von Rechtfertigung und Heiligen, Glaube und Handeln. Der Herrschaftsanspruch Christi auf unser ganzes Leben macht eine religiöse Privatexistenz unmöglich und begründet die Verpflichtung zu einem Handeln, das dem Wohle der Nächsten dienen soll. Der vom nationalsozialistischen Staat erhobene Totalitätsanspruch, die allein bestimmende Macht im Denken und Handeln der Bürgerinnen und Bürger zu sein, wird durch den Hinweis auf den Herrschaftsanspruch Christi bestritten. 

These III
Wichtig ist die Erkenntnis, dass zwischen Botschaft und kirchlicher Ordnung ein Zusammenhang besteht und dass die Kirche als Glaubensgemeinschaft nicht von einer ihrem Wesen entsprechenden institutionellen Rechtsordnung getrennt werden darf. Die Kirche muss auch in Fragen des scheinbar indifferenten äußeren Kirchwesens ihre Eigenständigkeit behaupten und darf sich keinem Staat unterordnen. Damit wurde eine Wende im evangelischen Kirchenrechtsdenken eingeleitet, das in der Folgezeit grundsätzlich für die rechtliche Selbständigkeit der Kirche und ihrer Unabhängigkeit vom Staat eingetreten ist.

These IV
Hinter dieser These steht das Ringen um eine rechtliche Gestaltung der Kirche, die ihrem Wesen als Kirche Christi entspricht. Oberstes Ziel muss es sein, der Evangeliumsverkündigung und der Entfaltung des christlichen Lebens die notwendige Freiheit zu erhalten.
Das Verständnis der Kirche als einer hierarchisch gegliederten Heilsanstalt wird abgelehnt. Es darf weder eine Herrschaft der Kirchenleitung über das Predigtamt noch eine Herrschaft der Amtsträger über die Gemeinde oder umgekehrt geben. Da Christus allein das Haupt der Kirche ist, muss eine Ordnung abgelehnt werden, welche in Übernahme des Führerprinzips die Träger von kirchenleitenden Ämtern mit besonderen Herrschaftsbefugnissen ausrüstet.

These V
Sie steht in Übereinstimmung mit der lutherischen Lehre vom weltlichen und geistlichen Regiment. Die Aufgabenbereiche und Funktionen von Kirche und Staat werden gegeneinander abgegrenzt. Staat und Gesetzgebung sollen an dem Willen Gottes zu messen sein. Die willkürliche Ausweitung staatlicher Machtbefugnisse und die Etablierung des totalen Staates werden verworfen.

These VI
Hier geht es um die Bewahrung der Freiheit der Kirche, die gemäß ihrem Auftrag ausschließlich Botschafterin der freien Gnade Gottes sein soll und daher ihre Verkündigung nicht „in den Dienst irgendwelcher eigenmächtig gewählter Wünsche, Zwecke und Pläne stellen“ darf.

Bekenntnisbegriff
Auf den Bekenntnisbegriff hat die BET bewusst verzichtet. Um jedoch
gegenüber den Deutschen Christen und dem NS-Staat eine geschlossene
Abwehrfront zu bilden, verstärkten sich bald die Bestrebungen, die BET mit
der Autorität und Dignität einer für die Evangelische Kirche in Deutschland
verbindlichen Bekenntnisentscheidung auszustatten.

Tipp
Die Barmer Theologische Erklärung im Original

Text: Cordula Trauner/AL
Foto(s): wikipedia