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Stadtrundfahrt mit Günter Leitner abseits touristisch eingetretener Pfade kreuz und quer durch das „andere Köln“

Und alle Mann ab in den Bus, Frauen natürlich auch – und los ging eine vergnügliche Busreise unter dem Motto „Das andere Köln“ mit Stadtführer Günter Leitner von den AntoniterCityTours kreuz und quer durch das hillije und manchmal auch nicht ganz so fromme Kölle. Start war am Heumarkt, und Leitner wies zu Beginn darauf hin, dass das Maritim-Hotel von seinen Architekten in einem Stil gehalten wurde, der an Markthallen erinnern soll, wie sie früher an dieser Stelle gestanden hätten. Weiter ging es über die Rheinuferstraße.


Deutzer Hafen bald geschlossen?
Bei strahlendem Sonnenschein war das Verdeck des Doppeldeckerbusses geöffnet, so dass die Ampeln den Köpfen der Mitreisenden manchmal bedrohlich nahe kamen. Leitner erklärte, dass der Deutzer Hafen auf der gegenüberliegenden Rheinseite wohl bald geschlossen werde. Dann werde wahrscheinlich auch die Aurora-Mühle verschwinden. „Das Schokoladen-Museum ist mittlerweile deutschlandweit das Museum mit den meisten Besuchern“, überraschte Leitner mit einer Zahl, die vielen nicht bekannt war. Gegenüber von den markanten Kranhäusern im Linksrheinischen waren mal jede Menge Bordelle angesiedelt. Aber das ist Geschichte. „Heute ist dort alles verkehrsberuhigt“, scherzte Leitner.

Blutige Geschichte des Bayenturms
Die Geschichte des Bayenturms, der anschließend passiert wurde, ist eine blutige. Hier wurden über Jahrhunderte Verurteilte gefoltert, enthauptet und gevierteilt. Heute diene er nahezu ausschließlich friedlichen Zwecken: Die Redaktion der Frauenzeitschrift „Emma“ und ein Frauenarchiv sind im Turm angesiedelt, wusste Leitner. Bei der Vorbeifahrt am ehemaligen Völkerkundemuseum am Ubierring plädierte Leitner für die Rheinische Musikschule als künftige Nutzerin. Scharfe Kritik übte der Stadtführer an der Häfen-Güterverkehr-Köln AG, die für Stadtführungen durch den neuen Rheinauhafen eine Gebühr verlange. „Hier müssen wir aufpassen, dass aus öffentlichem Raum nicht Inseln des Kapitals werden, die auf lange Sicht dann zu privaten Räumen ohne öffentlichen Zugang werden“, riet Leitner.

Pontifex erschien in den Kölner Stadtfarben
Mit Blick auf die grüne Lunge am gegenüberliegenden Ufer erinnerte sich Leitner heiter-lästernd an den Weltjugendtag: „Papstmäßig war das für uns natürlich eine Enttäuschung, dass der nicht über das Wasser auf die Poller Wiesen gelaufen ist“. Aber immerhin sei der Pontifex 2005 in den Kölner Stadtfarben erschienen: rote Schuhe, weißes Gewand. Auf der Schönhauser Straße bedauerte Leitner den Abriss der Küppers-Brauerei nicht besonders und blieb damit frech in Fahrt. „Das ist die späte Strafe für das Bier. Wir haben das immer Knüppel-Kölsch genannt.“ Schade sei es allerdings um das alte Speditionsgebäude der Brauerei, in dem ein Biermuseum untergebracht war. „Wenn hier jetzt ein Campus der Fachhochschule entstehen soll, hätte man in dem historischen Gebäude vielleicht das Studentensekretariat einrichten können.“

Keine Schankerlaubnis in Marienburg
Bei der Fahrt über den Bayenthalgürtel erinnerte Leitner an die legendäre Tanzschule „Else Lang“. Die kannten etliche der Führungsteilnehmenden auch noch aus eigenem Erleben. „Das war damals Kult, da hinzugehen.“ Weiter ging es zum Gemeindezentrum der Reformationskirche in Marienburg. Hier erkennt man noch schemenhaft einen SA-Mann, den man während der NS-Zeit rechts vom Eingang reliefartig an der Wand angebracht hat. Gegenüber ist eine Lutherfigur erkennbar. In Marienburg gibt es keine einzige Kneipe, weil die Stadt dort keine Schankerlaubnis erteilt. „He sitzen de Lück dä janze Daach ze Huus und passen op de Möbele op“, zitierte Leitner einen kölschen Spruch aus früheren Zeiten. Lobende Worte fand er für die katholische Pfarrkirche St. Maria Königin von Dominikus Böhm: „Ein wunderbarer 50er-Jahre-Bau.“

Weiter ging es durch Raderthal und Zollstock
Dann fuhr der Bus in die besterhaltene 50er-Jahre-Siedlung der Stadt: Die Siedlung der englischen Offiziere in Raderthal. „Die Häuser wurden jetzt an Privatleute verkauft. Und die müssen richtig investieren. Es heißt, die haben in jedem Zimmer fließend Wasser – und zwar von allen vier Wänden.“ Wie im Flug ging es weiter am Südfriedhof vorbei „mit 66 Hektar der größte von Köln“ – den Wilhelm-Riphahn-Häusern in Zollstock an und hinter der Vorgebirgsstraße, die heute zum größten Teil der GAG gehören, den Zollstock-Arkaden, wo früher Cola-Schmitz die schwarze Brause abfüllte, vorbei am Südstadion, wo der unvergessene Schäng Löring Toni Schumacher als Fortuna-Köln-Trainer im Spiel gegen Waldhof Mannheim während der Halbzeitpause entließ, und am Stadionparkplatz: „Seit das Zelt vom Kölschfest weg ist, ist der Platz planiert“, freute sich Leitner. Gut für die Flohmarktbesucher und -besucherinnen der nächsten Monate, weil die Pfützenlöcher verschwunden sind.

Severinsbrücke bietet „ästhetischen Genuss“
Nach der Vorbeifahrt an St. Pantaleon erinnerte Leitner daran, dass es in diesem Teil der Stadt während des Zweiten Weltkriegs ganz besonders verheerende Bombenangriffe gegeben habe. „Hier lagen Hunderte Tote auf der Straße.“ Angekommen auf der anderen Rheinseite erinnerte Leitner an den Streit der Stadt mit der Unesco um die Hochhäuser und den Blick auf den Dom. Die Unesco hatte gedroht, dem Dom den Status als Weltkulturerbe abzuerkennen, wenn die geplanten Bürotürme gebaut würden. Die Stadt knickte ein, „und dadurch haben wir sehr viele Investoren verloren“, sagte Leitner. Dompropst Dr. Norbert Feldhoff habe damals die Debatte nicht ganz so ernst genommen: „Wenn wir die Unesco-Plakette verloren hätten, hätte ich eine Plakette gemacht, dass wir mal Weltkulturerbe waren“, zitierte Leitner den „Dom-Chef“. Kritik übte der Stadtführer an der Domplatte, der „Kölner Rollbrettzentrale“, und den Tunneln unter der Domplatte. „Wir vernichten den Kulturblick auf unsere Stadt.“ Zurück am Ausgangspunkt wies der Stadtführer noch einmal eindringlich auf die Severinsbrücke hin. „Die war 1959 mit 594 Metern die längste Brücke Europas. Sie anzuschauen ist ein ästhetischer Genuss.“

Stadtrundfahrt „Das andere Köln“ mit Günter Leitner: Jederzeit buchbar!
Das andere Köln – abseits touristisch eingetretener Pfade – wird in dieser Führung vorgestellt. Thematisiert werden dabei unter anderem Vororte, Industriebauten, Arbeitersiedlungen und soziale Einrichtungen. Eine Kooperation mit dem Busunternehmen Kölner CityTour. Die Führung kostet 13 Euro und dauert zwei bis zweieinhalb Stunden. Treffpunkt ist der Heumarkt, neben der Malzmühle. Die Führung kann jederzeit hier individuell gebucht werden, wann sie das nächste Mal wieder angeboten wird, erfährt man ebenso auf der Seite der AntoniterCityTours.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann