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„So nicht, sonst machen wir die Kita dicht.“ ErzieherInnen, Eltern und Träger protestierten gegen das neue Kinderbildungsgesetz (KiBiz)

Die Rasseln waren von weitem zu hören, die roten T-Shirts und Jacken nicht zu übersehen. Mehr als 1.000 Demonstranten waren dem Aufruf des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region und des Diakonischen Werkes Köln und Region gefolgt, auf dem Roncalliplatz gegen das von der Landesregierung geplante „Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern“ (KiBiz) zu protestieren.


Superintendenten demonstrierten mit
Unter den Demonstranten waren viele Erzieherinnen, Erzieher und sonstige Mitarbeitende in den Einrichtungen, aber auch Stadtsuperintendent Ernst Fey sowie die Superintendenten Rolf Domning, Kirchenkreis Köln-Mitte, und Kurt Röhrig, Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch. „KiBiz ist ein Kuckucksei“, schimpfte Helga Blümel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Köln und Region. Die Landesregierung habe mehr frühe Bildung, mehr Sprachförderung, mehr Plätze für Kinder unter drei Jahren, bessere Unterstützung von Familien, 7.500 neue Stellen, 150 Millionen Euro mehr und die Absenkung des Eigenanteils der Kirchengemeinden an der Finanzierung ihrer Kitas von 20 Prozent auf zwölf Prozent versprochen. Bei genauem Hinsehen werde jedoch deutlich, dass sich die Versprechungen in Luft auflösten. Über ein Jahr lang habe man mit dem Familienministerium um eine für alle tragbare Lösung gerungen. Herausgekommen sei ein Kompromisspapier. Von diesem Kompromiss finde man in der Gesetzesvorlage jedoch nichts wieder.

Gruppenpauschale gefordert
Familienminister Armin Laschet will die Kinder in den Kitas pro Kopf finanziell fördern, die Erzieherinnen fordern statt dessen die Gruppenpauschale. Vor allem kleinere Einrichtungen mit wenigen Kindern würden unter der Kopf-Pauschale in existenzielle Not geraten. Im Fadenkreuz der Kritik standen auch die von der Landesregierung geplanten Buchungszeiten der Eltern. Die sollen wählen können, ob ihr Kind wöchentlich 25, 35 oder 45 Stunden betreut wird. Auch dazu bezog Blümel eindeutig Stellung: „Durch Pro-Kopf-Pauschale und individuelle Buchungszeiten durch die Eltern gibt es für die Kitas keine kontinuierliche Finanzierung – sie steigt und sinkt im jährlichen Rhythmus, wenn Kinder ab- und angemeldet werden.“

Elternbeiträge würden sich drastisch erhöhen
Träger könnten wegen fehlender Planungssicherheit Erzieherinnen und Erzieher unbefristet nicht mehr in ausreichender Zahl einstellen. Befristete Einstellungen und Jobs auf Honorarbasis wären die Folge. Damit gehe, so Blümel, auf jeden Fall ein Qualitätsverlust der Betreuung einher. Im Gesetz, das im Oktober im Landtag beraten wird, steht auch, dass die Eltern einen Anteil von 19 Prozent an den Betriebskosten über ihre Beiträge aufbringen müssen. Derzeit sind es in Köln elf Prozent. Die Summe der jährlichen Elternbeiträge in der Stadt würde sich um 13 Millionen Euro von 28 Millionen auf 41 Millionen Euro erhöhen. „Da kann Kinderbetreuung teuer werden“, so Blümel.

Betreuung nach neuem Gesetz nicht mehr ausreichend
Klare Worte fand auch Ingrid Hack, Landtagsabgeordnete der SPD: „Wir in Köln wollen die drohende Erhöhung der Elternbeiträge nicht umsetzen.“ Christiane Rotter leitet den evangelischen Kindergarten in Zollstock. Sie ist seit 32 Jahren im Beruf und verweist auf einen weiteren Aspekt: „Das Gesetz geht davon aus, dass eine Erzieherin 33 Jahre alt ist, nicht schwanger und auch nicht krank.“ Erzieherinnen in meinem Alter kommen da gar nicht vor. Für uns bleibt dann aus Kostengründen nur noch die Reduzierung der Stunden.“ Einig waren sich alle Rednerinnen, dass die Kontinuität der Betreuung unter dem neuen Gesetz leiden wird.

„So nicht, sonst machen wir die Kita dich.“
Unter großem Beifall trugen Erzieherinnen auf der Bühne weitere Forderungen vor. Dazu gehören mehr Betreuungspersonal für Kinder unter Drei, Freistellungen für Leitungsaufgaben vor allem in den Familienzentren und die kostenlose Betreuung der Kinder im letzten Kindergartenjahr. Blümel zum Schluss an die Adresse der Landesregierung: „So nicht, sonst machen wir die Kita dicht.“


Weitere Infos
Der gesamte Wortlaut der Rede von Helga Blümel ist hier zu lesen.

Auch die Evangelische Kirche im Rheinland bezieht Stellung: „Frühkindliche Bildung ist „einer der zentralen Aspekte der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft“, sagte der für Erziehung und Bildung zuständige Oberkirchenrat Klaus Eberl. Im internationalen Vergleich habe Deutschland „erheblichen Nachholbedarf“ bei der frühkindlichen Bildung, dieser Weichenstellung für die Lernfähigkeit. Nötig sei eine besonders qualifizierte Ausbildung der Erzieherinnen, eventuell sogar eine Hochschulausbildung für den Bereich der Kindertagesstätten. „All diese Fragen werden durch das Kibiz nicht gelöst“, kritisiert Eberl im EKiR.de-Interview unter der Überschrift „Kibiz muss nachgebessert werden„, nachzulesen und als Interview zu hören hier

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann