„Hätte man das schöne Wetter vorausgesehen, hätte man auch einen Open-Air-Gottesdienst machen können“, freute sich Lutz Hustig, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Kerpen, nach seinem Entpflichtungsgottesdienst. Der 61-Jährige hat, nach eigenen Worten, den „passiven Teil seiner Altersteilzeit“ angetreten. Mehr als über das Spätsommerwetter freute er sich jedoch über die große Zahl an Besucherinnen und Besucher, die sich nach 29 Jahren Gemeindearbeit von ihm verabschieden wollten. Immerhin musste eine Videoübertragung eingesetzt werden, um auch diejenigen, die die kleine Johanneskirche nicht fasste, teilhaben zu lassen. Hustig, Jahrgang 1950, leistete sein Vikariat an der Kreuzkirche in Bonn ab. Im Rahmen eines Auslandsvikariats verbrachte er weitere zwei Jahre in Thessaloniki, um anschließend sein zweites theologisches Examen in Düsseldorf abzulegen. 1982 trat er, nach einer kurzen Zwischenstation in Bonn-Endenich, seine erste Stelle als Pfarrer im Hilfsdienst in Kerpen an. Aus der anfänglichen Vakanzverwaltung wurde 1984 seine erste feste Pfarrstelle.
Wertschätzung für Eigen-Engagement
„Vieles von dem, was den Dienst eines Pfarrers ausmacht, geschieht im Verborgenen. Erst recht sind die Früchte seines Wirkens nicht immer sichtbar vor Augen“, betonte Ralph-Rüdiger Penczek, Synodalassessor im Kirchenkreis Köln-Süd, in seiner Ansprache zur Entpflichtung des Kerpener Kollegen. Zumindest für den Anfang seiner Gemeindearbeit war dies für Hustig kaum möglich: „Anfangs habe ich fast alles selbst gemacht, das war Anfang der achtziger Jahre so“, erinnert er sich. „Aber ich habe immer großen Wert auf Selbständigkeit und Eigen-Engagement gelegt“. Diese Wertschätzung zahlt sich noch heute aus: in der stolzen Zahl von rund 120 ehrenamtlich Tätigen, die sich in der 3.300 Mitglieder starken Gemeinde um Besuchsdienste, Frauenhilfe, Kirchenchor, Flötenkreis und weitere Gruppen kümmern.
Wenig Aufhebens um die eigene Person
Um seine Person machte Hustig dabei, gemäß Lukas 17, 10 wenig Aufhebens: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“. „Diese Einstellung ist im Hinblick auf die fast dauerhafte Unterbesetzung in Kerpen sicher hilfreich gewesen“, hatte der Presbyteriumsitzende Alfred Hoffmeister bereits in seiner Ansprache zu Hustigs 60. Geburtstag im vergangenen Jahr betont. Zu Hustigs Lieblingstätigkeiten gehörte die Organisation von Gemeindereisen. „Menschen, die sonst nicht im Gespräch sind, lernen sich so viel besser kennen“, war die Erfahrung, die er auf Fahrten in den Lake Distrikt, nach Tschechien und, gemäß seines besonderen Studieninteresses an der Orthodoxie, auf dem Berg Athos, machen konnte. Auch der Jakobsweg wurde von ihm und Gemeindegliedern bewandert, als es noch nicht „hip“ war.
Ruhestand an der Rheinschiene
Nachdem er, im Hinblick auf die Altesteilzeit, die 1,6-fache Arbeit auf seiner Pfarrstelle geleistet hatte, freut sich Hustig nun auf den Ruhestand. Wenn seine Frau, die noch vier Jahre Schuldienst vor sich hat, ebenfalls in den Ruhestand gegangen ist, wollen beide an die Rheinschiene bei Bonn umziehen. Dank großen ehrenamtlichen Engagements übergibt Hustig die Gemeinde finanziell gesund an die ihm nachfolgenden Pfarrer-Kolleg/innen, denen er einen unbelasteten Start ermöglichen möchte. Seine Pfarrstelle ist ausgeschrieben und das Presbyterium, so Hoffmeister, ist offen. „Allerdings sollte er – oder sie – nicht so konservativ sein“, fügt Hoffmeister hinzu. Hustig selbst will sich erst einmal erholen. „Wenn ich dann noch gebraucht werden, werde ich mich irgendwo einbringen“, ist er sich sicher.
Foto(s): Alfred Hoffmeister