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Sehr gut besuchter Auftakt einer neuen Willkommensinitiative für Flüchtlinge

Über einen rappelvollen Saal konnten sich die Organisatoren Pfarrerin Dorothee Schaper und Joachim Ziefle, beide Studienleiter der Melanchthon-Akademie, auf der Tagung „Rund um die Wohnheime“ freuen. Rund 70 Haupt- und Ehrenamtler aus 13 Kölner Initiativen waren gekommen, aber vor allem: „Die Atmosphäre ist eine ganz andere als vor 20 Jahren, als hier eine Veranstaltung zum selben Thema stattfand“, konstatierte Schaper. Denn es waren keine Beschwerde- und Bedenkenträger zugegen, sondern Leute, die anpacken und helfen möchten, häufig aber noch nicht wissen, wie das konkret vor sich gehen soll, und sich deshalb einen informativen Austausch erhofften. „Flüchtlinge willkommen heißen“ hieß der Tag in der Akademie im Untertitel.

Mehr Verständnis als Ablehnung
Bevor Henriette Reker, Dezernentin für Soziales, Integration und Umwelt, einen Überblick über Zahlen, Daten und Fakten gab, bedankte sie sich denn auch für das Engagement der Bürger. Es sei „unglaublich wichtig“, dass tatkräftige Nachbarn zwischen den häufig isolierten Flüchtlingen in den Wohnheimen und den bestehenden Stadtteil-Gemeinschaften vermitteln und Kontakte herstellen. Insgesamt, so Reker, habe auch sie den Eindruck, dass in der Bürgerschaft derzeit mehr Verständnis und Toleranz als Ablehnung zu spüren sei. Auch wenn anlässlich der Eröffnung neuer Wohnheime noch häufig der Vorwurf aufkomme, die Stadt säe Streit, spalte mit ihren Entscheidungen ganze Stadtteile.

Flüchtlingszahlen steigen weiter
Die Dezernentin bat aber auch die Wohlmeinenden um „Geduld“, denn was die nähere Zukunft angeht, konnte sie keinesfalls Entwarnung geben. Die Flüchtlingszahlen seien weiter gestiegen, schon in der ersten Hälfte des Jahres habe Köln 900 Neuankömmlinge aufnehmen müssen: „Mit so vielen hatten wir für das ganze Jahr gerechnet.“ Zu bedenken sei auch, dass sich die Zahl der Verwaltungsmitarbeiter nicht entsprechend verdoppelt habe.

Eigene Vorgaben unter Umständen nicht haltbar
Reker verschwieg auch nicht, dass viele dieser Neuankömmlinge „mehr schlecht und recht“ untergebracht sind, weil die Stadt in den Jahren, als weniger Flüchtlinge kamen, rund 30 marode Wohnheime abgerissen und nicht ersetzt hatte. Angesichts der zahlreichen Krisenherde weltweit könne man auch nicht kurzfristig mit Entspannung rechnen. So werde die Stadt in absehbarer Zeit noch weiter von ihren eigenen Vorgaben abrücken müssen, Flüchtlinge möglichst nicht in Sammelunterkünften unterzubringen. Unter Umständen komme man nicht umhin, weitere Container aufzustellen, während Zelte, Hotelschiffe und Turnhallen derzeit noch nicht im Gespräch seien. „Ob wir aber die Zahl von im Regelfall nicht mehr als 80 Flüchtlingen pro Einrichtung einhalten könne, kann ich nicht garantieren. Es ist möglich, dass wir bald bei 120 sind.“

„Das macht krank, vor allem die Kinder.“
Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, der den Vertretern der Initiativen einen Überblick über die Lebenswirklichkeit der Flüchtlinge gab, betonte allerdings, dass gerade die Unterbringung in Sammelunterkünften oder „Blechhütten“ ein Stressfaktor sei: „Das macht krank, vor allem die Kinder.“ Ohnehin hätten die Mitglieder der Initiativen damit zu rechnen, dass die Flüchtlinge aus ihren Herkunftsländern post-traumatische Störungen mitbringen, für deren Behandlung kaum Therapeuten zur Verfügung stünden – nicht zuletzt wegen der Verständigungsschwierigkeiten. Auch wenn es die Initiativen ganz überwiegend mit den rechtlich ein wenig besser gestellten Asylbewerbern zu tun hätten – „unerlaubt eingereiste Personen“ sind im Normalfall in den Notaufnahmestellen Herkulesstraße und Vorgebirgsstraße untergebracht –, sei die Gesundheitsversorgung auf „akute Krankheiten und Schmerzustände“ beschränkt. Bei der Behandlung psychischer Beschwerden bewege man sich fast immer in einer Grauzone, obwohl das in Köln stets wohlwollend gehandhabt werde.

Es fehle fast immer an Schulplätzen
Weitere Probleme, mit denen Asylbewerber häufig zu kämpfen hätten: Obwohl ihre Kinder schulpflichtig seien, fehle es fast immer an Schulplätzen, in Köln warteten derzeit rund 100 Kinder auf einen Platz. Auch die Beschäftigungssituation sei mehr als problematisch: In den ersten neun Monaten dürfen Asylbewerber keine Arbeit annehmen, danach nur, wenn die Stelle nicht mit einem deutschen Bewerber oder EU-Bürger besetzt werden kann. Diese Regelung gilt für die ersten vier Jahre des Aufenthalts: „Dann kann man praktisch nur als Koch für exotische Spezialitäten arbeiten“, so Prölß.

Änderung nur bei „hohen Beschwerdezahlen“
Vor allem warnte er die Initiativen davor, sich mit Fragen zum Aufenthaltsstatus an die Verwaltung zu wenden: Schon die Frage, weshalb eine Duldung auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt ist, kann als Rechtshilfe ausgelegt werden – und die ist nur ausgebildeten Juristen gestattet.“ Auf einer umfangreichen Liste, die Martina Domke vom Diakonischen Werk Köln und Region an die Anwesenden verteilte, waren immerhin zahlreiche Adressen und Telefonnummern von Einrichtungen verzeichnet, die Rechtsberatung erteilen, aber auch Anlaufstellen für Therapien, für Sprachkurse, Probleme mit dem Schulbesuch oder mit Homosexualität waren aufgeführt. Wichtig auch die Nummer des Anti-Diskriminierungsbüros, dort sollten sich Betroffene melden: „Letztlich ändert sich eine Situation nur, wenn hohe Beschwerdezahlen vorliegen“, so Domke.

Ab Oktober 2014 geht es weiter
Wichtige Infos jedenfalls für die Vertreter der Initiativen, die oft schon sehr konkrete Fragen hatten – ausbleibende KBV-Tickets für schulpflichtige Kinder etwa. „Generell sind die Initiativen aber auf sehr unterschiedlichem Stand, manche arbeiten schon länger, einige sind erst in den Startlöchern“, resümierte Joachim Ziefle. „Bei solchen Treffen können sie deshalb auch voneinander profitieren.“ Es habe sich auch gezeigt, dass erfreulich viele Initiativen ökumenisch arbeiten, aber auch Vertreter von nicht-kirchlichen Gruppierungen wie „Arsch huh“, der „Freiwilligen-Agentur“ oder gar der „Kantine“ waren gekommen. Das zeige, dass die Nachfrage nach Beratung und Vernetzung riesig sei, meinte Ziefle, der die Zahl der in Köln aktivem Initiativen auf insgesamt 20 schätzt. In einer Workshop-Phase wurde deshalb beschlossen, dass demnächst eine Internetplattform zum ständigen Austausch eingerichtet werden soll, auch regelmäßige Treffen sind ab Oktober geplant. „Dort wird es auch weiteren Input geben zur rechtlichen Situation etwa oder zu aktuellen Entwicklungen“, kündigte Ziefle an.

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans