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Summer in the City – Mit Günter Leitner zum Altenberger Dom, der »Architektur des Lichts«

Mild fällt die Abendsonne durch die Maßwerk geschmückten Grisaille-Fenster und taucht sie das nördliche Querhaus in ein warmes Licht. Der Strom der Kurzbesucher ebbt langsam ab, die Restaurateure beenden ihr Tagwerk. Im Mittelschiff des Altenberger Domes genießen über fünfzig Teilnehmende der Veranstaltungsreihe „Summer in the City“ diese Atmosphäre, lauschen abwechselnd den Ausführungen von Günter Leitner und dem Spiel des katholischen Domorganisten Rolf Müller.

Ökumene, musikalisch
„Summer in the City“ heißt eine vierteilige Folge innerhalb des Stadtführungsprogramms „Köln mit anderen Augen“ der Evangelischen Informationsstelle Köln. Eines der Schwerpunktthemen der diesjährigen Reihe ist die Ökumene. Nun, beim zweiten, wiederum musikalisch begleiteten Termin, führte Leitner erstmals nicht durch Kölner Innen- oder Außenbezirke. Er widmete sich einem bedeutenden Bauwerk im Bergischen, gelegen zwar jenseits der Stadtgrenze, jedoch innerhalb des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch – der ehemaligen Klosterkirche der einstigen Zisterzienserabtei Altenberg.

Eine lange Geschichte
Mönche aus dem burgundischen Morimond waren es, die 1133 mit Unterstützung der Landesherrn, den Grafen von Berg, im abgeschiedenen Tal der Dhünn das benediktinische Reformkloster gründeten. Seinen Ausgang hatte die Bewegung der Zisterzienser im von Robert von Molesme und anderen Brüdern 1098 errichteten Kloster Citeaux, daher auch der Ordensname, genommen. Radikal zurück zu den benediktinischen Regeln des „ora et labora“, dem Gleichklangs von Beten und Arbeiten. Mit Bernhard von Clairvaux, vormals Novize in Citeaux, verbindet sich im 12. Jahrhundert der Aufstieg der Zisterzienser. Vom 1153 gestorbenen und 1174 heilig gesprochen Bernhard, der „durch seinen Gotteseifer, seine Entschlossenheit und hinreißende Beredsamkeit“ die Menschen in Bann schlug, stammen auch die strengen (Bau-)Vorschriften: Die Klöster sollten von asketischer Einfachheit sein, die angegliederten Kirchen Klarheit atmen. So waren beispielsweise keine Türme, sondern nur Dachreiter gestattet, farbige Fenster, figürliche Darstellungen und sonstiger Schmuck verboten. Gestattet waren allein ein Kreuz und ein Abbild der Muttergottes.
Die erste, 1160 geweihte Klosterkirche in Altenberg war eine romanische. dreischiffige Basilika. Diese ging sukzessive in den 1255 begonnenen und 1387 fertig gestellten, dreischiffigen gotischen Neubau auf. Zunächst wurde die Anlage um einen radialen Chorkranz erweitert. Nach weiteren Bauphasen errichtete man zuletzt, von 1310 an, Querschiff sowie Langhaus, das im Westen vom vermutlich größten Kirchenfenster Europas abgeschlossen wird. Nicht nur die Farbigkeit und Motive dieser zur Zeit zwecks Restaurierung leider verhüllten Glasmalerei seien ein gutes Beispiel für die allmähliche Abkehr von den strengen Regeln Bernards, sagte Leitner. „Ein Mehr und Mehr des Weggehens von den einstigen Anordnungen“ dokumentiere sich ebenso in anderen gestalterischen Elementen wie Praktiken. So erlaubte man etwa, entgegen Bernhards Weisung, im Laufe der Zeit auch die Bestattung von Stiftern innerhalb des Kirchenraumes.

Das Licht als „Vergegenwärtigung Gottes“
Der Altenberger Dom, verdeutlichte Leitner angesichts der einfallenden Abendsonne, sei beispielhaft für die „Architektur des Lichts“: „Diese Architektur ist die Architektur der Vergegenwärtigung Gottes in diesem Licht.“ In solchen Räumen sei Licht zu erfassen, zu spüren, zu begreifen. Dieser Sakralbau sei nie Bischofssitz, nie Kathedrale gewesen, so Leitner. „Er war nie Dom, er ist nicht Dom und er wird niemals Dom werden“, konjugierte er. Weshalb also die Bezeichnung Dom? Geprägt habe sie Montanus, der maßgebliche Chronist des Bergischen Landes im 19. Jahrhundert. Vielleicht liege die Bezeichnung darin begründet, mutmaßte der Kunsthistoriker, dass der 1391 verstorbene Hauptstifter des Altenberger Domes, Wikbold von Kulm, einst im Osten Bischof gewesen sei.

Vom Prachtbau zur Ruine: die Säkularisation
Die Säkularisierung brachte auch die Enteignung und Aufhebung des Altenberger Klosters mit sich. 1803 wurde die Anlage zunächst an einen Kölner Weinhändler verkauft, später von einer Lackfabrik bezogen. 1815 brannten Klostergebäude und Kirche, offenbar verursacht durch eine Entzündung von Chemikalien, teilweise ab, um in den Jahren danach zusehends zu verfallen und geplündert zu werden.

Nutzung durch Katholiken und Protestanten
1815 war auch das Jahr, in dem das Rheinland an Preußen fiel. Die Altenberger Ruine, ebenso wie andere, fand bald die Aufmerksamkeit des Herrschergeschlechts der Hohenzollern. Man fühlte sich teils der Romantik verbunden, dem Erhalt von historischen Denkmälern verpflichtet. Zudem ruhte seit dem 16. Jahrhundert in einer Gruft der ehemaligen Abtei mit Gräfin Sybilla von Brandburg, ein Mitglied des Hauses. Daher stiftete Friedrich Wilhelm III., der protestantische Preußenkönig, 8200 Goldmark für den Erhalt des Altenberger Domes. Gepaart mit der Auflage, dass die Kirche künftig beiden Konfessionen zugute kommen solle. 1834 begann man mit der Wiederherstellung. „1847 kann die ehemalige Klosterkirche als mehr oder weniger intakt bezeichnet werden“, so Leitner. Doch über die „simultane Nutzung“ waren sich die katholische und evangelische Seite weiter uneins. Die Verzögerungen riefen Friedrich Wilhelm IV. auf den Plan, der 1840 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters angetreten hatte. Im September 1856 machte er in einem Brief an den zuständigen Kultusminister seinem Unmut über die Dissonanzen Luft. Er sei nicht willens, den Katholiken zum Nachteil der Protestanten ein Nutzungsvorrecht einzuräumen, formulierte er, und bestand auf einen völligen Simultangebrauch durch beide Konfessionen. So wurde beschlossen und am 3. Juli 1857 verkündet, dass die Evangelischen an Sonn- und Feiertagen sowie werktags den Dom vormittags von 8 bis 10 Uhr sowie nachmittags von 13 bis 15 Uhr nutzten können. Die übrige Zeit blieb den Katholischen vorbehalten. Wenig später, im August 1857, fand der erste evangelische Gottesdienst statt, die erste katholische Messfeier datiert etwas früher.
Noch heute wird die Kirche, die sich im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen befindet, simultan und einvernehmlich genutzt. 1950 gründete sich die eigenständige Evangelische Kirchengemeinde Altenberg/ Schildgen, die derzeit über 2000 Mitglieder zählt.

Weitere Infos
zum Stadtführungsprogramm der Evangelischen Informationsstelle Köln sind kostenlos an der Antoniterkirche (Schildergasse 57) und unter www.koelnmitanderenaugen.de erhältlich.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich