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„Finanzielle Sicherheit wird es nicht mehr geben“: Diskussion im Lindenthaler Forum Paul-Gerhardt-Kirche zum neuen Kinderbildungsgesetz

„Verunsicherung und Unklarheit“ wird es nach Meinung von Helga Blümel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Köln und Region, ab August geben. Dann wird das Gesetz für Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) durch das neue Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern NRW, auch Kinderbildungsgesetz (KiBiz) genannt, ersetzt. Um die Verunsicherung und Unklarheit wenigstens etwas zu mildern, veranstalteten das Forum Paul-Gerhardt-Kirche sowie die beiden Fördervereine der evangelischen Kindertagesstätten am Lindenthalgürtel und in der Matthäuskirche eine Informationsveranstaltung im Gemeindesaal der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Lindenthal. Helga Blümel und Fachberaterin Petra Beitzel informierten die gut 30 Eltern und Erzieherinnen über die wichtigsten Änderungen.

Einrichtungen müssen flexibler werden
Es werde ein „rigoroses Umdenken“ und einen Paradigmenwechsel geben, so Helga Blümel in ihrer Einführung zu KiBiz. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie dem Gesetz sehr kritisch gegenüberstehe. Die evangelische Kirche habe sich im vergangenen Jahr an Demonstrationen gegen KiBiz beteiligt. „Es ist auch ein Spargesetz“, betonte sie, denn wenn man die Gelder für Sprachförderung und Familienzentren, die ebenfalls über KiBiz verwaltet werden, herausrechne, stehe für den „normalen Alltagsbetrieb“ weniger Geld zur Verfügung als heute. „Die Einrichtungen müssen flexibler werden und sich am Markt orientieren. Eine finanzielle Sicherheit, die das GTK heute bietet, wird es nicht mehr geben“, erklärte Blümel.

Drei verschiedene Gruppenformen
Beitzel skizzierte die wichtigsten Änderungen, die KiBiz mit sich bringt. „An erster Stelle beim Auftrag für die Einrichtungen steht jetzt die Bildung“, sagte die Fachberaterin für 52 evangelische Kindertageseinrichtungen in den Kirchenkreisen Köln-Rechtsrheinisch, -Mitte und -Süd. Künftig werde es drei verschiedene Gruppenformen geben: eine Form mit 20 Kindern von zwei Jahren bis zur Einschulung, eine zweite Form mit zehn Kindern im Alter von unter drei Jahren und schließlich eine Form mit 20 oder 25 Kindern im Alter von drei Jahren und älter. Diese sei am ehesten vergleichbar mit den heutigen Gruppen. Jede Gruppenform verfügt noch mal über drei Unterformen, abhängig von den Betreuungszeiten. Zur Auswahl stehen jeweils 25, 35 und 45 Stunden, die die Eltern buchen können. Zu jeder Gruppenform gibt es auch einen festgelegten Personalschlüssel, der die Ausstattung mit Fach- und Ergänzungskräften sowie deren Arbeitzeiten regele. Jeder Träger einer Kindertageseinrichtung kann frei entscheiden, welche Gruppenformen er anbietet. Er hat auch die Möglichkeit, die Formen zu mischen. „Er muss sich dabei aber am Jugendhilfeplan der Kommune orientieren“, schränkte Petra Beitzel ein. Mit anderen Worten: Die Vorgaben der Kommunen bei Alter der Kinder und Betreuungszeiten müssen beachtet werden.

Finanzierung über Kopf-Pauschale
Die Finanzierung erfolgt ab August nicht mehr über eine Pauschale pro Gruppe, sondern über eine Pauschale pro Kind, abhängig davon, welche Gruppenform und welche Betreuungszeit die Eltern gebucht haben. Ein Puffer von zehn Prozent der zuvor veranschlagten Fördersumme sowie zusätzliche Gelder für Sprachförderung, für die Betreuung von Kindern mit Behinderung, für Familienzentren, für eingruppige Tageseinrichtungen oder für Einrichtungen in sozialen Brennpunkten flankieren die Finanzierung. Klar aber sei: Mit diesem Budget, abhängig von der Kinderzahl, müsse jeder Träger die Einrichtung unterhalten. Das Land zieht sich komplett aus der Finanzierung zurück, in Köln hat die Stadt diese Lücke ausgefüllt. „Mit 27 Millionen Euro pro Jahr“, so Blümel.

Dreiklang der Interessen
Beitzel betonte, dass die Träger künftig ihren Blick in zwei Richtungen öffnen müssten: „Da sind zum einen die Interessen der Eltern, an denen man sich orientieren muss, zum anderen die Vorgaben des Jugendhilfeplans. Verbunden mit den eigenen Interessen des Trägers führt das zu einem Dreiklang, der erreicht werden muss.“ Oft sei dieser Dreiklang auch nur durch Kooperationen mit anderen Einrichtungen und Institutionen zu erreichen. „Die Möglichkeiten bestehen jetzt, und das erlebe ich gerade sehr häufig in der Szene“, berichtete Blümel. Pfarrer Armin Beuscher von der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Lindenthal betonte, dass die „Kopf-Pauschale“ zur Finanzierung nur dann ausreiche, wenn alles optimal laufe. „Vertretungen, beispielsweise bei Krankheit, lassen sich für den Träger dann nur schwer finanzieren.“ Das Problem sei durch KiBiz nicht besser geworden, „es wurde nur hochgerechnet“.

Folgen sind nur schwer abzuschätzen
Überhaupt könne nur schwer abgeschätzt werden, wie die neue Finanzierungsform sich auf die einzelnen Einrichtungen auswirke. „Das muss man sehr differenziert betrachten“, scheuten Blümel und Beitzel pauschale Aussagen. Nur so viel wollten sie als Orientierung anbieten: Größere Einrichtungen mit mehreren Gruppen können mit KiBiz besser dastehen, kleiner Einrichtungen könnten finanzielle Probleme bekommen. Aber auch der Grad des bisherigen Angebots und das Alter des Personals spiele eine Rolle: Kindertagesstätten mit einer breiten Palette von Angeboten oder Mitarbeiterinnen, die schon älter sind, hätten einen höheren Finanzbedarf als vergleichbare Einrichtungen mit weniger Angeboten und jüngerem Personal. Zur Verfügung stehen aber nur die gleichen Gelder, so dass Angebote eventuell abgebaut werden müssten. „Es wird Gewinner und Verlierer geben“, sagte Beitzel. „Das Ganze geht zu Lasten der Qualität“, kritisierte ein Vater. Ein Trend, so Blümel, werde die Einrichtung von Plätzen für die Betreuung von Unter-Dreijährigen sein. „Dafür gibt es jede Menge Bundes- und Landeszuschüsse, je nach Art zwischen 3.000 und 20.000 Euro pro Platz.“

Was ist neu, was alt? Was ändert sich beim Übergang vom Gesetz für Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) zu dem neuen Kinderbildungsgesetz (KiBitz)? Eine Übersicht über alle Punkte finden Sie hier.

Weitere Informationen zu KiBiz gibt es auf den Internetseiten des Landesministeriums (www.mgffi.de ) und des Landschaftsverbandes Rheinland (www.lvr.de )

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer