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„Rundgang 2011“ der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM)

Die Kulturarbeit an der evangelischen Trinitatiskirche im Filzengraben kennzeichnet unter anderem eine Kooperation mit anderen Kultur- und Bildungsträgern. So beherbergte sie Mitte Juli die Diplomausstellung der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). Die Präsentation fand statt im Rahmen des jährlichen „Rundgangs“ der Bildungseinrichtung: An vier Tagen wurden die Jahres- und Diplomarbeiten öffentlich vorgestellt. Aktuell verfügt die KHM über insgesamt sieben Adressen. Ihre Verwaltungs-, Seminar und weiteren Räume, ihre Studios und Labore liegen in direkter, beziehungsweise enger Nachbarschaft zur 1860 eingeweihten Trinitatiskirche. Mit seinen ausgedehnten Boden- und Wandflächen, mit seiner „schlichten und zugleich erhabenen Formensprache“, mit seiner als „öffentlicher Raum“ wirkenden klassizistischen Architektur weckte der von Friedrich August Stüler entworfene Bau früh das Interesse der KHM als Veranstaltungsort. Beispielsweise fand dort im Oktober 2010 der Festakt zum 20-jährigen Bestehen der renommierten Institution statt. Nun wurden die Kirchenschiffe, Emporen und ein Nebenraum erneut mit medialer bildender und filmischer Kunst sowie Design bespielt.

„Entwicklung und Förderung medialer Künste“
Zu den in ihrer Grundordnung verankerten Aufgaben der KHM zählt zuvorderst „die Entwicklung und Förderung medialer Künste“ – basierend auf der Verbindung der Bereiche Film, Kunst und Wissenschaft. So kann die große Bandbreite an Äußerungen, die den zahlreichen Besuchenden des „Rundgangs 2011“ auch in der Trinitatiskirche begegneten, nicht verwundern. Vertreten waren unter anderem die Bereiche Fotografie und Installation, Video- und Medienkunst, Experimentalfilm, Gestaltung und Skulptur. Viele der anregenden Ideen und überraschenden Umsetzungen der Kunst- und Filmschaffenden erschienen zumindest auf den zweiten Blick nachvollziehbar, andere verlangten nach einer eingehenden Beschäftigung und wieder andere blieben rätselhaft – erst recht ohne Erläuterung.

Große Bandbreite an Themen und Materialien
Elke Lehrenkrauss zeigte drei Großformate aus ihrer schwarz-weißen Fotoserie „Chimaira“, die verschiedene Frauen abbilden, deren Haut großflächig mit verschiedenen Substanzen, darunter Erde, bedeckt ist. In schwarz-weiß sind ebenso Polina Kluss´ „Bausteine“ fotografiert, eine Reihe, die mit einfachen Motiven wie einer Bürste und Holzklötzchen aufwartete. Allan Gretzki, geprägt unter anderem durch die Graffitiszene und inspiriert etwa von der Streetculture, Arte Povera und Land Art, hatte seine Publikation „Life and Work“ ausgelegt. Sie enthält eine bislang unveröffentlichte Auswahl von Dokumentationen seiner Installations-Serien und Wandgrafiken. Franziska Windisch schuf die Radierungs-Serie „asphalt“, deren Druckfarbe sie aus am Toten Meer aufgelesenen und zerriebenen natürlichen Asphalt-Stücken gewonnen hat. Dabei bezog sie sich in der „Methode und im Materialgebrauch“ auf das erste erhaltene Foto aus dem Jahr 1822 von Joseph Niecéphore Nièpce. Der Franzose soll für sein als Heliografie bezeichnetes Verfahren lichtempfindlichen Asphalt vom Toten Meer benutzt haben. Mit „Sarajevo – sampling a city“ gelang Oliver Salkic eine audiovisuelle Hommage an die heutige Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina. Laut Salkic spiegelt sie wie in einem Mikrokosmos mittel- und südeuropäische Geschichte. Und diese Historie erzähle sich eigenständig mittels der Fassaden ihrer Gebäude, die Salkic vier Epochen zuordnet: der osmanischen, habsburgischen, sozialistischen und postmodernen. Salkic konzentrierte sich auf einzelne dieser Fassaden und arrangierte sie neu. Anschließend wurden diese Arrangements in Kooperation mit vier Musikern „in modulare, grafische Notationen umgewandelt und akustisch interpretiert“. Die Grafiken vor Augen, hörten die Besuchenden auf der Empore der Trinitatiskirche über Kopfhörer die mittels Percussion, Bass, Klarinette und Akkordeon umgesetzten Kompositionen, die eine mal bedrohlich, mal heiter, mal monoton wirkende Atmosphäre vermittelten.

Spiele mit Licht
Johanna Reich war mit „Make it Mine“ vertreten. In ihrer Videoinstallation sind fünf Personen zu sehen, die Abschnitte einer unspektakulären, fahlen Betonfassade mit Farben bemalen. Und zwar in genau den Tönen und in der vertikalen Anordnung, die ihrer Kleidung entsprechen. Dass bewirkt, dass beispielsweise eine junge Frau in rotem Pullover und schwarzer Hose vor der bald gleichfarbigen Wand zwar nicht gänzlich „verschwindet“, aber Vorder- und Hintergrund in eine spannende Wechselbeziehung treten. Indem Reich das Videobild auch mal um 180 Grad dreht, gelingt ihr eine Konzentration auf dieses Spiel von farbigem Volumen und farbiger Fläche. Eine geradezu magische Wirkung entfaltete Tobias Daemgens Licht-Raum-Installation im abgedunkelten Nebeneingangsbereich der Kirche. Dabei bediente er sich einer „analogen wie digitalen Raum- und Bilderzeugung“. Laborhaft und geheimnisvoll mutete sein Arrangement aus vielerlei Gerätschaften an, darunter Lämpchen, Spiegel, Linsen, Behältnisse. Angesiedelt zwischen Fiktion und Wissenschaft, spielend mit dem Verhältnis von Objekt und Abbild, Bewegung und Statik, Farbe und Form bezog die Anordnung auch die nahe Umgebung mit ein: Hier tauchte das Licht die umgebenden Raumsegmente in ein faszinierendes Grüngelb, dort wurde offenbar eine mikroskopische Untersuchung auf eine Wand projiziert

„Forschende Gestaltung“
Einem ausgedehnten Laboratorium gleich kam „fungutopia“ von Laura Popplow. Die studierte Kulturwissenschaftlerin betreibt nach eigener Aussage „forschende Gestaltung“. Ausgangspunkt ist die gemeinsam mit Tine Tillmann entwickelte Idee, „mit der Kultivierung von Pilzen einen Weg zur Rettung, zumindest Verbesserung der Welt“ aufzuzeigen. Popplow möchte „einen Prozess anstoßen“. Es gehe darum, Menschen dazu zu bewegen, sich um diese elementare Aufgabe zu kümmern – anhand mannigfaltiger Verwendung von Pilzen. „Sie dienen schon heute als Nahrung, als Filter- und Dämmmaterial, werden wirksam zur Heilung von Menschen und Regeneration von Böden eingesetzt“, so Popplow. Zudem ließen sich aus dem leicht abbaubaren Pilzmaterial Gegenstände des täglichen Bedarfs herstellen, nannte sie etwa Schüsseln, Teller, Dosen. So gibt sie beispielsweise Workshops, in denen Interessierte erfahren, wie sie geeignete Pilze selbst züchten und sogar in gewünschten Formen wachsen lassen können. Während der Ausstellung informierte Popplow nicht nur theoretisch über die Eigenschaften und Vorzüge etwa des Brasilianischer Mandelpilzes, der neben dem chinesischen Reishi zu den bevorzugten Heilpilzen zählt. Sie stellte in einer Kochstunde im Garten des Overstolzenhauses die Tauglichkeit des Mandelegerlings auch für Gourmet-Gerichte unter Beweis. In einer Kirche auszustellen empfindet Popplow nicht als einfach. „Der Raum hier ist wunderschön, aber man muss mit ihm angemessen umgehen“, gab sie zu bedenken. Angesichts des Themas „Rettung der Welt“ mache die Platzierung ihrer Arbeit vor dem Altarraum durchaus Sinn. Nicht weniger die direkte Einbeziehung des Altars durch Tillmanns Beitrag „fungifiction/The Shine“, in dem ein futuristischer Blick ins Jahr 2111 gewagt wurde.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich