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Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider erhält Buber-Rosenzweig-Medaille

Der EKD-Ratsvorsitzende Präses Nikolaus Schneider erhält am Sonntag, 11 März 2012, die Buber-Rosenzweig-Medaille. Nachfolgend lesen Sie ein ekir.de-Interview mit dem Präses über die Ehrung und den christlich-jüdischen Dialog:

Die Ehrung gilt dem Präses und seiner rheinischen Kirche für das „nachhaltige Wirken für eine Umkehr und Neugestaltung in den christlich-jüdischen Beziehungen in Gottesdienst, Verkündigung und Lehre“ sowie die „Aktualisierung und Fortschreibung der bahnbrechenden Synodalerklärung zur ,Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden'“. Leicht verständlich formuliert: Wie verhalten sich Judentum und Christentum theologisch zueinander?
Einer der ersten beiden Träger der Buber-Rosenzweig-Medaille, Friedrich-Wilhelm Marquardt, hat einmal gesagt, dass Christsein immer auch Berufung in die Lebensgemeinschaft mit dem jüdischen Volk bedeutet. Und das, denke ich, ist für uns als Christinnen und Christen in zweierlei Hinsicht zu verstehen: Zum einen liegen unsere Wurzeln ganz im Judentum. Jesus war Jude. Paulus war Jude. Fast alle neutestamentlichen Schriften sind von jüdischen Autoren und im Raum der jüdischen Religion geschrieben worden. Zum anderen leben wir aber auch heute in großer Vertrautheit und Nähe zum Judentum. Wir sind Religionsgeschwister, denn wir teilen die Hebräische Bibel und das darin enthaltene Wort Gottes.

Warum war die Synodalerklärung von 1980 bahnbrechend?
Ich habe ja selbst als Student noch die so genannte Substitutionslehre gepaukt. Nach dieser alten Lehre sagte man, kurz zusammengefasst: Das Christentum hat Israel als Gottes geliebtes Volk ersetzt bzw. substituiert. Damit räumt der rheinische Beschluss von 1980 ganz zu Recht auf. Weil wir es in unserer Bibel einfach ganz anders lesen. Dort heißt es nämlich: Gott ist seinem Volk Israel treu und hat es nicht verworfen. Deshalb sprechen wir von der bleibenden Erwählung Gottes. Und das ist eben eine radikal neue Sicht. Wir haben damals die Bibel sozusagen noch einmal durchforstet und erkannt: Da steht nirgendwo, die Kirche hätte die Synagoge ersetzt. Wichtig ist vielmehr die Mahnung des Apostels Paulus vor Überheblichkeit: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.

Hat Gott also sozusagen die Kraft der zwei Herzen?
Ja. Durch Jesus Christus sind wir in den Bund Gottes mit seinem Volk Israel hineingenommen. Wir haben Anteil an den Verheißungen Gottes. Wir sagen: Zusammen hoffen wir auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. So haben wir es auch in unserer Kirchenordnung festgeschrieben.

Für gemeinsame Gottesdienste reichen die Gemeinsamkeiten aber nicht.
Eine Gemeinschaftsfeier feiern wir als Juden und Christen in Leipzig durchaus zusammen. Dennoch haben Sie recht, feiern wir unsere Gottesdienste getrennt. Das liegt an den unterschiedlichen Perspektiven. Im Johannes-Evangelium heißt es: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Nicht nur in der Christologie oder in der Trinitätslehre gibt es eben auch bleibende Unterschiede zwischen uns Christinnen und Christen und Jüdinnen und Juden. Als Christen stehen wir auf der Grundlage des Neuen Testaments und bekennen uns zu Jesus Christus. Gerade der ruft uns in der Bergpredigt aber in das Tun des Gerechten, das auch dem jüdischen Volk in den Geboten aufgetragen ist. Gemeinsames Handeln verbindet uns. Um Gottes willen für Recht und Gerechtigkeit in der Welt einzustehen, darum geht es für uns als Juden und als Christen.

Immer wieder Diskussion löst die rheinische Überzeugung aus, dass Gründung und Fortbestand des Staates Israel als ein „Zeichen der Treue Gottes“ interpretiert werden können. Inwieweit stützt die rheinische Kirche den Staat Israel?
Erst einmal ist es richtig, wir unterstützen den Staat Israel – wir meinen „Israel“ in der Tat nicht nur theologisch. Eine politische Dimension könnte man ja schlecht ausblenden, wollen wir auch nicht. Aber richtig ist zugleich, dass wir die Regierungsarbeit nicht unkritisch sehen oder blind legitimieren. Wir sind solidarisch mit Israel und seinen Bürgerinnen und Bürgern, ohne dabei alle politischen Aktivitäten zu unterstützen.

Text: EKiR
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