Sebastian Baer-Henney, Pfarrer bei der Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim am Rhein, erklärt, was Ostern für ihn bedeutet:
„Was Ostern ist. Für Christ:innen. Und eigentlich für alle.
Manchmal ist es gut. Also so richtig. Da sind Momente, da funktioniert das Leben. Manchmal völlig überraschend. Und manchmal ist es überhaupt nicht gut. Da liege ich depressiv im Bett und komme nicht raus. Und manchmal scheitere ich an meinen eigenen Ansprüchen. Möchte dringend mehr tun, mich mehr engagieren, einen Unterschied machen. Das Klima retten oder zumindest für den Frieden demonstrieren. Und sitze am Ende wieder da und wische übers Handy. Und ärgere mich abends über mein Scheitern an den eigenen Ansprüchen. Andererseits wachse ich manchmal über mich hinaus. Dann tue ich Dinge, auf die ich hinterher – zurecht – stolz bin. Und freu mich drüber. Und all das ist Ostern.
Ostern ist für Christinnen und Christen ein Fest, das die Fallstricke im Leben in den Blick nimmt. Fünf Tage voller Fragen, die so tief in unsern Alltag zeigen, dass uns Ostern einen Schub an Auftrieb geben darf – wenn wir uns den Fragen stellen.
Das fängt Gründonnerstag an. An dem hat Jesus mit seinen Freund:innen das letzte Mal zusammen gegessen. Es war eine ereignisreiche Nacht voller Trauer, voll von Unsicherheit – und voller Verrat. Judas hat Jesus verraten müssen, damit die Sache ins Rollen kam. Die Jünger:innen waren überfordert. Traurig. Und hier wird es für uns relevant. Denn Traurigkeit und auch Verrat, das gibt es in meinem und in eurem Leben auch. Und wir als Christ:innen tauchen dort hinein. Ins Fragen: Wo das Leben uns überfordert, zu viel abverlangt, so dass wir selber vielleicht ganz ungeliebte Aufgaben übernehmen müssen. Rollen spielen, die uns zu groß erscheinen. Wo schmerzen uns Abschiede? Wo stehen sie für uns an? Wo müssen wir uns dem eigentlich mal stellen? Denn faktisch haben wir an Ostern etwas Zeit. Denn arbeiten müssen wir nicht. Und ab und an hinabzutauchen in die Tiefen unserer Seele, das kann – im Nachhinein – auch heilsam sein.
An Karfreitag geht das weiter. Am Kreuz stirbt einer, der Hoffnung bringen sollte. Auch hier wieder die Frage: Was müssen wir eigentlich begraben? Was schmerzt? Was tut so weh, dass wir es am liebsten an uns vorübergehen lassen würden? Symbolisch durchleben wir die Fragen. Durch inszenierte Trauer im Gottesdienst. Ja, Karfreitag kann ein Tag sein, sich dem zu stellen. Sich klarzumachen: Auch Gott kannte diesen Schmerz. Drum sind wir nicht allein, wenn wir darauf schauen. Und das macht es erträglich. Irgendwie.
Ostersonntag ist dann alles anders. Damals war das so. Als Jesus wieder auferstand. Als er den Menschen zeigen konnte: Nicht der Tod, nicht die Trauer, nicht das Schwarz des Freitags hat das letzte Wort. Sondern das Leben. Drum feiern wir heute das Leben. Ganz körperlich. Mit gutem Essen. Festmahl. Ostereiersuchen. Mit Freude für die Kinder, kleinen Geschenken. Und für uns: Indem wir Blumen aufstellen, indem wir dekomäßig alles aufbieten – und uns ganz sichtbar machen: Dass es gut wird. Uns das Leben schmecken lassen. Manchmal schon mit Sekt zum Frühstück. Und das wirkt. Nicht der Sekt. Die Freude. Gerade durch den Freitag. Gerade dadurch, dass wir uns der Finsternis des Lebens zwei Tage lang gestellt haben.
Und dieses Fest ist dann so groß, dass Montag einfach weitergefeiert wird. Wie damals, als Jesus seinen Jünger:innen erschien. So heute. Wenn wir einfach freimachen, es uns ganz schönmachen können. Denn das ist Ostern: Genießen, dass das Leben gut wird. Weil Gott es gut gemacht hat. Bewusstmachen, dass einer für uns sorgt. Damals schon. Und heute. Und dass der Tod und all seine Geschwüre, die Finsternisse, die uns so oft beherrschen, den letzten Stachel nicht mehr haben. Zum Schweigen gebracht werden. Das ist ein Grund zum Feiern.
Das ist Ostern. Nicht bloß Erinnerung. Nicht bloß Folklore. So viel mehr. Mitten im Leben.“
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