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Neue Stadtteilführung durch Marienburg, ein Angebot der AntoniterCityTours

Da steht er nun – trutzig, Ehrfurcht einflößend, etwas verwittert, aus schwarzem Basalt und blickt ernst von der linken Rheinseite auf die rechte: Otto von Bismarck als Säulenheiliger des deutschen Nationalstolzes im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Bismarcksäule am südlichen Rheinufer war Ausgangspunkt für eine Stadtteilführung der AntoniterCityTours mit Dagny Lohff durch Marienburg.


Ein Ausflug dorthin gehörte zum Standardprogramm an Sonntagen
Die Geschichte des mondänen Stadtteils ist eher kurz. Im 19. Jahrhundert wurde die Marienburg errichtet, ein Gutshof, nach dem später das Viertel benannt wurde. Köln wurde auf Marienburg aufmerksam, als der Industrielle und Bodenspekulant Ernst Leybold bei einem Ausflug auf dieses „liebliche und ländliche“ Fleckchen Erde stieß, wie er begeistert notierte. Hier finde man die „schönste noch von Natur unberührte Stelle“, fuhr er fort. Und in der Tat: Wer aus den beengten Verhältnissen Kölns in Richtung Süden fing oder fuhr, erlebte Natur pur in Stadtnähe. Nur mit der Anbindung haperte es. Das erfuhr auch Leybold, der mittlerweile samt Dienerschaft in der Marienburg residierte. Ihm und auch denen, die er für einen Umzug in die Idylle gewinnen wollte, war der Weg nach Köln zu weit. Leybold zog bald darauf wieder in die Stadt. Aus der Marienburg machte er ein Lokal, das sich bald unter den Kölnern größter Beliebtheit erfreute. Ein Ausflug dorthin gehörte zum Standardprogramm an Sonntagen.


Zahlreiche Villen im englischen Landhausstil wurden gebaut
Mit dem Bekanntheitsgrad stiegen die Begehrlichkeiten. Großzügig parzellierte Grundstücke bot Leybold an, die oberen Zehntausend Kölns griffen zu. So wurde Marienburg um die Jahrhundertwende zur beliebten Wohngegend. Natürlich nur bei den Wenigen, die sich das Bevorzugte leisten konnten. Staatstragend und nationalkonservativ waren die. Ehrensache, dass auch eine eindrucksvolle Bismarcksäule hermusste. Alljährlich am Todestag des Reichskanzlers gab es eine Gedenkveranstaltung mit klingendem Spiel und Fackelzug inklusive. Oben auf der Säule stand eine Ölwanne. Ganz Marienburg wurde illuminiert, wenn das Öl zur Feier des Tages abends angezündet wurde. Begeisterung allenthalben, allerdings nicht bei den Bewohnern der Villa Stollwerck nebenan. Denen stank das Öl im wahrsten Sinne des Wortes ganz gewaltig. So wurde die Säule so schnell wie möglich an die städtische Gasversorgung angeschlossen. Zahlreiche Villen im englischen Landhausstil, der damals groß in Mode war, wurden gebaut. Marienburg wuchs, und mit ihm das benachbarte Bayenthal.


Wettbewerb für Gotteshaus wurde ausgeschrieben
1899 wurde die evangelische Gemeinde gegründet. Sie ging aus einem Vikariatsbezirk der Gemeinde Bayenthal hervor. Nun musste eine Kirche her. Die junge Gemeinde stand unter Druck. Schließlich hatte Ernst Leybold bereits 1897 ein entsprechendes Gelände gestiftet. Auch andere reiche evangelische Unternehmer wie Fritz Vorster, Gründer der Chemischen Fabrik Kalk, standen bereit, das Gotteshaus zu finanzieren. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben. Den gewann der Architekt Otto March, praktischerweise verheiratet mit einer Vorster-Tochter. Anfang November 1903 war Grundsteinlegung, knapp zwei Jahre später wurden Kirche und Pfarrhaus eingeweiht. Dieser so genannte „Gruppenbau“ war, wie in der Ausschreibung gefordert, dem dominierenden „Landhauscharakter der Kolonie Marienburg“ angepasst. Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und blieb bis in der 60er Jahre ungenutzt. Das Dach stand offen. Dann beauftragte die Gemeinde den Architekten Heinrich Otto Vogel mit dem Wiederaufbau – ein anerkannter Experte mit viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Vogel drehte die klassische Ost-West-Ausrichtung der Kirche, die alte Apsis wurde abgebrochen und ein neues Altarhaus im Süden angebaut. Eugen Keller schuf die Beton-Glasmalereien im Stil der Zeit, wie man sie etwa auch in der Berliner Gedächtniskirche findet. Die Kirche ähnelt in ihrem Inneren einem Kuppelzelt, was ebenfalls dem Gedankengut der 60er Jahre geschuldet ist. „Ein Zelt ist eine vorübergehende Herberge für die Gemeinde, die auf dem Weg zu Gott ist“, erläuterte Lohff den theologischen Zeitgeist jener Zeit. Das prächtige Farbenspiel der Kirchenfenster kann man täglich bis 17 Uhr bewundern, die Kirche ist im Gegensatz zu den meisten anderen evangelischen Kirchen nicht verschlossen.


Das Gemeindehaus wurde während der NS-Zeit gebaut
Zum Abschluss der Rundgangs führte Dagny Lohff die Gruppe zum Gemeindehaus in Marienburg. Dort wurde das dunkelste Kapitel der Gemeinde erinnert. Das Gemeindehaus wurde während der NS-Zeit gebaut. In jener Zeit wechselte die Leitung der Gemeinde in die Hand der „Deutschen Christen“. Deren enge Verbindung des Christentums mit der Ideologie des Nationalsozialismus wurde im Portal des Gemeindehauses dargestellt. Martin Luther und ein SA-Mann stehen sich als Reliefs gegenüber. Nach dem Ende der Schreckensherrschaft wurde der SA-Mann abgeschlagen, der Schatten blieb und wurde über Jahrzehnte mit einem Schaukasten verdeckt. In den 80er Jahren ging die Gemeinde das Problem offensiv an und stellte sich der Vergangenheit: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben“, lautet der Spruch aus dem alten Testament, der an der entsprechenden Wand in Stein gemeißelt wurde.

            

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann