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„Mer klevve am Levve“ – „Es kann keine einfachen Antworten geben“

Noch am Nachmittag hatte Iris Rehbein sterbende Menschen betreut. Dienstagabend berichtete die Pflegedienstleiterin des Hospiz am Vinzenz-Pallotti-Hospital in Bergisch Gladbach beim Altenberger Forum über ihre Arbeit. Zum 20. Mal hatte der Ökumeneausschuss des Rheinisch-Bergischen Kreises am 17. November 2015 zu einem ökumenischen Gottesdienst, traditionellem Eintopf-Imbiss und Podiumsgespräch ins Martin-Luther-Haus in Odenthal-Altenberg geladen.

Vier Fachleute plus Publikum diskutierten zum Thema „Mer klevve am Levve – in Würde sterben“ über den Umgang mit sterbenden Menschen, die beschlossene Gesetzesänderung zur Sterbehilfe und die ethischen Grundlagen der Entscheidungsträger. Moderiert wurde die Diskussion von WDR-Journalist Uwe Schulz.

Erträgliches Sterben heute möglich
„Es gibt genug Möglichkeiten, das Sterben erträglich zu machen. Es gelingt nicht immer und ein Stück Leiden gehört manchmal zum Sterben dazu“, sagte Rehbein zum aktuellen Stand der Palliativmedizin. Trotzdem wird sie häufig von unheilbar erkrankten Patienten auf Sterbehilfe angesprochen. Am 6. November entschied sich der Deutsche Bundestag nach intensiver Debatte für einen Gesetzentwurf, der geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellt. Die Beihilfe Angehöriger fällt aber ausdrücklich nicht unter den Straftatbestand. „Es folgt daraus, dass wir ein Recht auf Selbsttötung etablieren und das halte ich für sehr problematisch“, kommentierte der evangelische Theologe und Klinikseelsorger Professor Dr. Ulrich Eibach den neu gestalteten Paragrafen 217. „Die Selbsttötung ist bei uns nicht strafbar. Das hat die Folge, dass auch die Beihilfe straflos ist“, ordnete der rheinisch-bergische Bundestagsabgeordnete und Jurist Wolfgang Bosbach die Gesetzeslage ein und blickte zurück auf die Parlamentsdebatte: „Abgelehnt wurde es, die österreichische Rechtsgrundlage zu übernehmen, dort ist die Beihilfe generell strafbar.“

Liberales Beispiel aus den Niederlanden
Noch liberaler als in Deutschland sieht es die Gesetzgebung in den Niederlanden. Von der Praxis dort berichtete der in Deutschland geborene und ausgebildete Hausarzt Dr. Klaus Hautermanns: „In schwierigen Situationen bin ich als holländischer Arzt froh, dass ich es machen kann“, sieht er die Legalisierung als Hilfe seiner Arbeit am Menschen. Als einer seiner Patienten an der unheilbaren motorischen Nervenkrankheit ALS erkrankt, bittet der ihn um Sterbehilfe. „Es war sein ausdrücklicher Wunsch, er konnte irgendwann nicht mehr selbstständig atmen“, erklärt der Arzt sein Handeln, das den Patienten vor dem leidvollen Erstickungstod bewahrte. „Wir stehen staunend vor den Wundern der modernen Medizin, aber wollen wir das wirklich alles in Anspruch nehmen?“, fragte Bosbach und machte klar, dass bei der Frage nach lebenserhaltenden Maßnahmen, Selbsttötung und der Beihilfe immer Zweifel bleiben werden. „Wer das Leben in seiner Vielfältigkeit kennt, der weiß das. Es kann keine einfachen Antworten geben.“

Staat sollte mehr in Betreuung investieren
Übereinstimmung herrschte bei den vier Referenten und Referentinnen über den notwendigen Ausbau von psychosozialer und medizinischer Betreuung von Sterbenskranken. Am Beispiel des Hospizes am Vinzenz-Pallotti-Hospital wurde deutlich, dass zu wenig getan wird. Nur durch Spendengelder einer privaten Initiative von knapp 700.000 Euro kann die Einrichtung in dieser Qualität arbeiten. „Das zeigt, dass es staatliche Defizite gibt“, resümierte Bosbach.

Text: Klaus Pehle
Foto(s): APK/Klaus Pehle