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Lachen verbindet: „Abraham-Fest“ während des Kirchentags zu Religion, Humor und Selbstkritik in der Paul-Gerhardt-Kirche

Es wird oft mehr über die Unterschiede zwischen Christentum, Judentum und Islam geredet, als über die verbindenden Gemeinsamkeiten. Eine dieser Klammern, die alle drei Religionen miteinander verbindet, ist der Urvater Abraham oder Avraham oder Ibahim. Im Rahmen des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentages gab es deshalb das „Abraham-Zentrum“. Die Evangelische Gemeinde Köln-Lindenthal hat sich mit der Melanchton-Akademie, der Evangelischen Stadtakademie Düsseldorf und der Katholischen Karl-Rahner-Akademie zusammengetan und diesen Urvater unter verschiedenen Blickwinkeln genauer betrachtet. Religion und Kritik“, „Religion und Lebensfragen“ und „Religion und Recht“ hießen die Themen, die an verschiedenen Orten diskutiert wurden. Aber auch „Religion und Lebensfreude“ kamen nicht zu kurz. Beim abschließenden „Abraham-Fest“ in der Paul-Gerhardt-Kirche in Köln-Lindenthal wurde gemeinsam gefeiert unter dem Motto „Religion, Humor und Selbstkritik“

Die menschlichen Seiten des Glaubens
Klar, die Religion steht im Mittelpunkt, aber wenn man lachen kann, geht religiösen Unterschieden oft die Schärfe ab. Und wenn man selbstkritisch genug ist, dass man vor allem über sich selbst lachen kann, dann können Religionen sehr verbindend sein. Letzteres bewiesen drei Kabarettauftritte, mit denen das „Abraham-Fest“ eingeleitet wurde. Eine Jüdin, eine Gruppe Evangelischer Christen und zwei Muslima nahmen den eigenen Glauben, oder vielmehr seine allzu menschlichen Seiten, bissig aufs Korn. Im Publikum lachten Christen, Juden und Muslime gleichermaßen über die ebenso treffenden wie entlarvenden Beobachtungen aus dem Glaubensalltag. Rivka Hollaender etwa, die jüdische Theologin von der Evangelischen Fachhochschule Freiburg, amüsierte sich in einem fiktiven Zwiegespräch zwischen „Rivka“ und „Rochale“ über die orthodoxen und die reformierten Juden gleichermaßen. „Alles koscher, oder was?“, fragte sie fast schon provokant, denn vieles ist ihr an ihrem Glauben auch nicht koscher. Gewitzt stellte sie über die religiösen Themen sogar die vermeintliche Vorherrschaft der Männer in der Welt in Frage. „Das sagen uns die alten Schriften: Männer regieren die Welt. Aber was wäre denn passiert, wenn Abrahams Frau ihrem Mann nicht gesagt hääte, was er tun soll?“ Tosender Beifall, nicht nur von Frauen.

„Integrationsschein“ im evangelischen Gottesdienst
Über das evangelische Kirchenkabarett „Klüngelbeutel“ muss man ja eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren. In 16 Jahren und mehr als 500 Vorstellungen haben sie das Absurde an Glauben und Kirche hervorgekitzelt und genüsslich seziert. Diesmal machten sie sich über den Koptuchstreit lustig, amüsierten sich über den sein Leben lang sitzenden Menschen („Was soll man da von einer Kirche erwarten, deren höchstes Organ der ,Heilige Stuhl‘ ist?“) oder präsentierten ihre Auffassung von „Evangelisch, wie geht das?“ Bei der gleichnamigen Veranstaltung auf dem Kirchentag wurde angeregt diskutiert, der „Klüngelbeutel“ visualisierte es in Form dreier Ausländer, die ihren „Integrationsschein“ in einem evangelischen Gottesdienst machen müssen. Und gemeinsam mit dem Publikum in der bis auf den letzten Platz gefüllten Paul-Gerhardt-Kirche sangen sie das „kölsche Bekenntnis“ „Et hätt noh immer jot jejange“. Im Rheinland liegen Kirche und Karneval halt eng beieinander.

Hoch komische Seelenschau
Und was bedeutet eigentlich muslimisch? Viele Muslime wissen das wohl selbst nicht so genau, glaubt man den Schwestern Aysel und Hilal Kurt aus Ravensburg. Sie inszenierten ein flottes Bewerbungsgespräch für die „richtige Muslima“ und lieferten eine hoch komische Seelenschau einer Religion, deren Anhängerinnen und Anhänger vielfach zwischen Tradition und Moderne hin und her gerissen sind.

Fotorallye auf den Spuren Abrahams
Neben dem Lachen gehört das Essen aber auch zur Lebensfreude. Da machen Christen, Juden und Muslime keine Ausnahme. Für einen völkerverbindenden lukullischen Genuss sorgte der als „Friedenskoch“ weltbekannte Jalil Schwarz. Und zum Schluss des „Abraham-Festes“ wurden die Ergebnisse des Fotoprojekts „Mach Dir ein Bild von Abraham“ vorgestellt. Für die Teilnehmer gab es einen Rahmen aus Pappe, der den Rahmen für das Motiv bildete, das sie mit dem Handy oder der Digitalkamera fotografierten. Spuren von Abraham als Urvater dreier großer Religionen gibt es zuhauf in Köln, und die Hobbyfotografen bewiesen Kreativität und Ideenreichtum, diese Spuren in Szene zu setzen. Die Besucherinnen und Besucher waren jedenfalls beindruckt, und nach dem Kirchentag sind die Fotos auch auf den Seiten der Melanchthon-Akademie im Internet hier zu finden.

Tipp
Unter dem Titel „Wo die Bilder aus dem Rahmen fallen“ hat Dr. Christoph Dohmen einen Text zur Rolle des Bilderverbots in den abrahamitischen Religionen verfasst. Der ist als pdf-Dokument auf den Seiten der rheinischen Landeskirche hier nachzulesen.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer