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Kunstprojekt mit in Not geratenen Frauen aus dem Elisabeth-Fry-Haus

Knapp fünf Monate haben Bewohnerinnen der Mutter-Kind-Außenwohngruppe Kalk des Elisabeth-Fry-Hauses ein Mal wöchentlich künstlerisch gearbeitet. Sie nahmen teil an einem Gemeinschaftsprojekt der Jugendkunstschule Köln und der Hilfs-Einrichtung der Diakonie Michaelshoven e.V. Das Elisabeth-Fry-Haus in Köln-Raderthal ist ein Wohn- und Aufnahmeheim für in Not geratene Frauen in Köln. Eine der vier Außenwohngruppen befindet sich im Kölner Stadtteil Kalk. Sie ist Müttern und deren Nachwuchs vorbehalten und bietet Platz für fünf Erwachsene und sieben Kinder.



„Zwanglos neue Möglichkeiten eröffnen“
Zu den Zielen der Betreuungsarbeit gehören laut Sylvia Arndt, Leiterin des Elisabeth-Fry-Hauses, insbesondere die Stärkung und Förderung der Persönlichkeit von Frauen in problematischen Lebenssituationen. Dies sollte auch mit dem befristet vom Diakonischen Werk finanzierten Kunstprojekt erreicht werden: Es soll den Teilnehmerinnen zwanglos neue Möglichkeiten eröffnen, ihnen helfen, gestalterische Fähigkeiten zu entdecken und schöpferisches Vermögen zu entfalten. „Das Angebot wollte den Frauen über den künstlerischen Aspekt hinaus einen Freiraum und Vertrauensraum bieten, in dem sie ihren Gefühlen begegnen konnten. In einer ´offenen´ Arbeitsweise stand es den Frauen frei, das zu tun und umzusetzen, was sie wollten“, erläutert Pia Lück, Heilpädagogin mit Schwerpunkt Kunsttherapie.

Aus einem destruktiven einen konstruktiven Prozess machen
Nach einer Aufwärmphase, in der Lück und Praktikantin Claudia Magdalinski die Frauen mit verschiedenen Techniken und Materialien vertraut gemacht haben, ging es zunächst um freies, gegenstandsloses Malen. Bei weiteren Treffen im Kalker Atelier der Jugendkunstschule wurde auch themenbezogen gearbeitet. So schufen die Frauen mittels auf Spiegeln aufgetragenen und auf Butterbrotpapier abgepausten Gesichtskonturen Selbstportraits. „Diese Methode macht es möglich, sich auf lustige und effektive Weise mit sich selbst auseinanderzusetzen“, erklärt Lück. „Die Ergebnisse sind oft von großer Ähnlichkeit und bieten ein Erfolgserlebnis in dem sonst eher schwierigen Thema.“ Um einen Themenbezug und zugleich eine Erweiterung des künstlerisch-handwerklichen Repertoires ging es bei der Gestaltung von Mosaiken. Diese Technik vereine die Vorgänge des Zerschlagens (von Kermaikkacheln) und neu Konstruierens, sagt Lück. „Durch Zerschlagen und Zerstören können Aggressionen und destruktive Gefühle ausgelebt werden. Das anschließende Zusammenfügen macht aus dem destruktiven einen konstruktiven Prozess.“ So ermögliche das Zusammenfügen, aktiv an einer (Neu)Gestaltung, an einem neuen Entwurf zu arbeiten.

„Festgestellt, dass ich mehr kann, als ich gedacht habe“
Zwei der insgesamt acht Frauen waren regelmäßig dabei. Marion Rosen ist eine von ihnen. Ihr Enthusiasmus wirkt ansteckend. „Wir wurden an die Farben herangeführt, mussten anfangs richtig klecksen. Ich habe früher mal gekritzelt, jetzt, nach langer Zeit erstmals richtig gemalt. Es hat wirklich Spaß gemacht.“ Die Anregungen für Motive bekamsie vpon Plakaten, dem Tagesgeschehen oder auch einem Besuch der „Tierschau“ im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud. „Die Ausstellung hat mir sehr gefallen, weil die Bilder und ihre Farben auch Gefühle vermitteln.“ In einem ihrer Bilder hat sie dann das Kölner Elefanten-Baby Marlar aus seinem Zoo-Geheges „befreit“ und in eine blühende Landschaft gesetzt. Rosen hat in dem Projekt mindestens zweierlei erfahren: „Die Abwechslung tat gut. Ich konnte meine Tochter in Obhut geben und mich ganz auf das Malen konzentrieren. Zweitens habe ich festgestellt, dass ich mehr kann, als ich gedacht habe.“ „Ich male weiter“, steht für Rosen fest. Ihre Mitbewohnerin Frau Tarasjuk hat immer schon gezeichnet und gemalt. Trotz ihres rothaarigen Frauen-Portraits und gelben Mosaik-Fisches neigt sie derzeit noch eher zu verhaltenen, schwarz-weißen Darstellungen. Die reduzierte und doch aussagekräftige Zeichnung eines Segelschiffs belegt dies.

„Es muss weiter gehen“
„Ich habe gemerkt, dass Kunst den Teilnehmerinnen gut tut“, so Lücks Fazit. „Es ist spannend zu verfolgen, wie sich die Frauen auf diesen Prozess einlassen. Sie sind total motiviert.“ Pläne für eine Fortsetzung des Kunstkurses sind ausreichend vorhanden. Allein, es mangelt an Geld. „Wir sind auf Spenden angewiesen“, erklärt Arndt. „Es muss weiter gehen“, beschwört Lück. „Der Prozess hat doch gerade erst begonnen.“ Trotzdem habe sich schnell Erfolg eingestellt. „Die Frauen sind mit der Zeit deutlich offener, lockerer, selbstsicherer geworden.“ Zudem habe sich das Gemeinschaftsgefühl positiv entwickelt, ergänzt Leiterin Arndt. „Wenn entsprechende Mittel da wären, würden wir das Projekt gerne weiter anbieten.“
Arndt will sich auch dafür einsetzen, dass die Bilder zumindest zeitweise nicht nur im Wohnzimmer und Flur der Kalker Wohngruppe ihre Wirkung entfalten können. „Ich kann mir gut vorstellen, sie etwa im Haupthaus des Elisabeth-Fry-Hauses und in der Frauenberatungsstelle Kalk zu präsentieren.“ Schließlich seien sie auch als Motivation für andere Betroffene geeignet.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich