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KÜNGELBEUTEL feiert Premiere

Gleich beim ersten Auftritt wird dem Kardinal klar, dass es heute nicht einfach wird: „Ich rieche Protestanten“, bemerkt er beim Betreten der Bühne. Tatsächlich hat ein Test gezeigt, dass das Publikum bei der Premiere des neuen Klüngelbeutel-Programms „Vielen Dank, Joachim“ in der katholischen Karl-Rahner-Akademie zu etwa drei Vierteln aus Evangelischen besteht. Dann erscheint dem Gottesmann auch noch Jesus in Form einer Handpuppe und sorgt für klare Verhältnisse: „Protestanten? Ach ja, diese germanische Landplage, die wir uns ausgedacht haben, damit sie die Römisch-Katholischen zum Christentum bekehrt.“

Ökumene und Nachbarschaftshilfe
Und das ausgerechnet an katholischem Ort? Nun, Klüngelbeutel versteht sich als christliches, nicht als evangelisches Kabarett, und mit Regisseur Joschi Vogel, so Wolfram Behmenburg, gehöre ja auch ein Katholik zum Ensemble. Vor allem aber gehe es in „Vielen Dank, Joachim“, das ganz dem bevorstehenden Abschied von Kardinal Meisner gewidmet ist, nun mal um ein katholisches Thema. Als „ökumenische Nachbarschaftshilfe“ verstand auch Dr. Bernd Wacker den Auftritt. Schon „weil es vielen Katholiken nach 25 Jahren Meisner gründlich die Sprache verschlagen“ habe – da solle man ruhig jene zu Wort kommen lassen, „denen zu unserem Kardinal noch etwas einfällt“, hatte der Leiter der Karl-Rahner-Akademie, die den Abend in Kooperation mit der evangelischen Melanchthon-Akademie veranstaltete, zur Begrüßung gesagt.

Bissiges und Ironisches
Wie immer man Meisners Person und Wirken beurteilen mag: Seine 25 Jahre in Köln haben zumindest prächtiges Material geliefert für zwei Netto-Stunden Kabarett der bissigeren Art. Es scheint, als seien Texter Behmenburg die Pointen nur so zugeflogen. Zu Milde und Nachsicht hat ihn das runde Amtsjubiläum jedenfalls nicht gedrängt: Da tritt er als escht kölscher Jung auf, der den Kardinal in höchsten Tönen lobt, weil der die Stadt in die gute alte Zeit vor Napoleon zurückversetzen wollte, als die Scheiterhaufen noch so schön loderten und „Köln noch protestanten- und judenfrei war“, als auch „Düsseldorfer Zeug“ wie Demokratie, Realismus und Transparenz draußen bleiben musste. Zum Dank dafür soll Joachim Meisner nun als Figur auf dem Turm des Alten Rathauses verewigt werden – als bunter Nubbel mit langer Nase.

Richter-Fenster und das Kölsche Grundgesetz
Das Programm ist eine Abrechnung, an der so einige gesellschaftliche Gruppen ihre helle Freude haben dürften: Laien, Protestanten, Frauen, Schwule und Lesben, Künstler, liberale Intellektuelle und alle anderen, die nicht gerade Mitglieder von Opus Dei sind. So spielt Ulrike Behmenburg das verpeilte Meisner-Groupie Gloria von Thurn und Taxis und wettert gegen „theologische Wildsäue“, die in ihren Messen deutsch mit den Schäfchen reden und sogar “Jugendbands“ auftreten lassen. Ihre eigene Priesterpuppe hat aber dummerweise einen Defekt und wechselt ständig vom lateinischen Gebrabbel zum „Allahu akbar“. Das jecke Duo „Schwader und Lapp“ formuliert die Botschaften des Kardinals volkstümlich und übersetzt die Kritik am Richter-Fenster als Kölsches Grundgesetz: „Kenne mer net, bruche mer net, fott dommet“. Auch die Meisner-Nachfolge wird geregelt: Mahmud Ahmadinedschad fällt leider aus, weil er nicht kölsch genug ist, Peter Millowitsch hat zwar reichlich Übung als Stellvertreter Gottes auf Erden, aber sonst keine theologische Qualifikation. Und Lukas Podolski scheitert schon am Kleinen Latinum. Bleibt nur noch Alice Schwarzer: über 70 und ideologisch gefestigt.

Gesang und Candystorm
Auch die Gesangsstücke, von Walter Kunz am Piano begleitet, sind erste Wahl: Grönemeyers „Männer“ wird zum Abgesang auf „Heiden“, Ingo Insterburgs „Ich liebte ein Mädchen“ zur Beschreibung einer Missions-Irrfahrt durch Köln und Deutschland, über die Erde und ab ins All. „Ich missionierte im Schwarzen Loch, das rief mir zu: Ich krieg dich noch, ich missionierte im Nirvana, da traf ich Lutheraner.“ Zum Abschied hebt Behmenburg als Kardinal zur Melodie von Peter Maffays „Über sieben Brücken musst du gehen“ an: „Manchmal geh’ ich durch die Stadt, die mich nicht liebt und die mir immer Widerworte gibt“. Weil vorher aber per Klingelbeutel Kamelle im Publikum verteilt wurden, kommt es doch noch zum Candy- statt zum Shitstorm. Dann gibt es Standing Ovations. Und die Erinnerung an das Grußwort des Leiters der Melanchthon-Akademie, Dr. Martin Bock, an die Adresse der Katholiken: „Es gibt noch so viel zu tun und zu sagen, dass uns mit und nach Kardinal Meisner die Themen nicht ausgehen werden.“

Auftritte und Karten
Klüngelbeutel tritt mit „Vielen Dank, Joachim“ am Freitag, 4. Oktober, um 20 Uhr und am Sonntag, 6. Oktober, um 19 Uhr in der Trinitatiskirche, Filzengraben 4-6, auf. Für den 6. Oktober sind noch Restkarten zu haben. Reservierung und Vorverkauf sind möglich in der Evangelischen Informationsstelle, Antoniterkirche, Schildergasse 57, Köln oder telefonisch unter 0221 / 660 57 20, Öffnungszeiten: Montag bis Samstag, 12 -16 Uhr. Über künftige Termine können sich Interessenten im Internet informieren: www.kluengelbeutel.de

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans