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Kölner ökumenische Notfallseelsorge besteht seit 15 Jahren und hat ein verlässliches System entwickelt

„1993 hatte die Berufsfeuerwehr Köln einen Bedarf an psychologischer Betreuung ihrer Mitarbeitenden angemeldet. Sie fragte an, ob die evangelische Kirche helfen könne, und der Kirchenverband stimmte dem zu“, erinnert sich Holger Reiprich.

Geschichte der Ökumenischen Notfallseelsorge
Der evangelische Pfarrer kennt nicht nur die Vorgeschichte der Ökumenischen Notfallseelsorge (NFS) in Köln. Er gehört zu ihren „Gründungsvätern“, ist mit dem Gemeindereferenten Michael Meichsner vom Katholischen Stadtdekanat Köln einer ihrer beiden Koordinatoren. Seit 2001 bekleidet Reiprich im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region zu 100 Prozent die Funktionspfarrstelle Feuerwehr- und Notfallseelsorge. In diesem Amt ist er zuständig ebenso für die NFS im Rheinisch-Bergischen Kreis und Rhein-Erft-Kreis. Bis 2001 war diese Beauftragung noch mit einer Gemeindepfarrstelle kombiniert.

Betreuung der Einsatzkräfte
Während des 1993 gestarteten Pilotprojekts besuchte Reiprich die Feuerwachen, kümmerte sich um Einsatzkräfte. Ihnen allein sei zunächst eine Begleitung zugedacht gewesen, so Reiprich. In Gesprächen mit Notärzten hätten diese den Blick geschärft auch für die Überforderung der Angehörigen und Nahestehenden von plötzlich Verstorbenen, für die häufig traumatischen Erlebnisse von Unfallbeteiligten und Überlebenden von Katastrophen. „Das war 1994 das Initial.“

Unterstützung der Polizei
„Notfallseelsorger werden bei unerwartetem Tod, schweren Verkehrsunfällen, plötzlichem Säuglingstod, Suizid und Katastrophen alarmiert, um Betroffene zu betreuen“, erläutert Reiprich. „Es kann sein, dass die Menschen verwirrt sind, Krisenbewältigungsmechanismen nicht vorhanden sind, beziehungsweise nicht greifen.“ Ebenso unterstütze man die Polizei bei der Überbringung einer Todesnachricht, begleite Menschen, die aus Katastrophen- und Kriegsgebieten nach Deutschland evakuiert werden. Und unverändert, betont Reiprich, betreuten er und Meichsner die Männer und Frauen der Feuerwehr, im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz.

Zuverlässige Rufbereitschaft
Anfangs habe man versucht, im Krisenfall über die Feuerwehr-Leitstelle mittels einer hinterlegten Adressen-Datei und Straßensuchfunktion die für den Einsatzort zuständigen evangelischen und katholischen Seelsorgerinnen und Seelsorger zu aktivieren. „Aber das hat nicht funktioniert. Beispielsweise waren die Angerufenen nicht zu jedem Zeitpunkt erreichbar oder kurzfristig verfügbar.“ Darauf habe man mit Professionalisierung reagiert, mit einer zuverlässigen Rufbereitschaft rund um die Uhr, 356 Tage im Jahr. Im Februar 1999 startete dieses Angebot. Seitdem versieht jederzeit ein Notfallseelsorger Bereitschaftsdienst, der 2007/08 auf einen 24-Stunden-Betrieb umgestellt wurde. Die Diensthabenden reagieren auf einen Anruf aus der Leitstelle der Berufsfeuerwehr und sind innerhalb von maximal 45 Minuten vor Ort. In 2013 waren über 200 Einsätze dieser Art zu verzeichnen.

Silberne Verdienstmedaille überreicht
Das 15-jährige Bestehen der Ökumenischen NFS in Köln wurde mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Halle der Feuerwache 5 in Köln-Weidenpesch begangen. Gestaltet wurde er von Superintendent Markus Zimmermann, Stadtdechant Monsignore Robert Kleine und den beiden Koordinatoren. Zu den knapp 60 Gottesdienstbesuchern zählte Dr. Uwe Rieske. Der Landespfarrer überreichte Reiprich die Silberne Verdienstmedaille, die er stellvertretend für alle ehemaligen und aktuellen Notfallseelsorger in Köln entgegennahm.

Feuerwehr traute sich nicht
„Im ersten Jahr hatten wir über 30 Mitarbeitende: Priester, Pfarrer, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten. Aber zunächst passierte erstmal gar nichts. Die Feuerwehr traute sich nicht, uns anzurufen, und unsere Leute warteten vergeblich.“ Mit der Zeit habe sich die Zahl der Mitarbeitenden verringert, spricht Reiprich von aktuell 19 Haupt- und Ehrenamtlichen. Dagegen seien die Einsatzzahlen in die Höhe geschossen.

Spirituelle Begleitung und Venetzung
Die Notfallseelsorge decke ein großes Spektrum ab, so Reiprich. Wesentlich nehme sie drei Aufgaben wahr: Krisenintervention, spirituelle Begleitung und Vernetzung. „In der Krisenintervention stabilisieren wir den Menschen. Wir versuchen zu strukturieren, und zu schauen, welche Angehörigen, Freunde, Nachbarn zur weiteren Unterstützung verfügbar sind. In der spirituellen Begleitung geht es um die Thematisierung von Schuld und die Sinnfrage. Wir ermöglichen den Umgang mit Versagen und Schuld.“ Zudem wollten Menschen häufig mit einem Ritus Abschied nehmen. Drittens biete die NFS eine Vernetzung an. „Wir hinterlassen ein Merkblatt, auf dem möglicherweise auftretende Folgen aufgeführt sind. Es enthält auch die Daten der beiden Koordinatoren, die auf Wunsch den Kontakt zur Kirchengemeinde und zu psychologischen Beratungsstellen vermitteln.“ Für die Notfallseelsorger bleibe es bei einem einmaligen Kontakt mit den Betroffenen. Nach zwei bis drei Stunden, mit dem Angebot zur Vernetzung, sei der Einsatz für die NFS beendet.

NFS auch für Nicht-Theologen
„Wir haben uns verändert“, so Reiprich. 2009/10 habe sich durch Gemeinde- und Pfarrstellen-Umstrukturierungen in beiden Kirchen die Zahl der Hauptamtlichen in der NFS verringert. „Aber wir haben aus der Not eine Tugend gemacht, die NFS für Nicht-Theologen und Nicht-Hauptamtliche geöffnet.“ Gleichzeitig habe das zu einer Professionalisierung in der Auswahl, Ausbildung und Begleitung von Ehrenamtlichen geführt. Nach dem Auswahlverfahren finde eine auch theologische Grundausbildung statt, in deren Anschluss die Interessenten eingearbeitet würden. „Jede neue Person fährt einige Zeit mit uns. Wir schauen, ob es passt. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem sie sich das alleine zutraut.“ Aktuell sei die Einarbeitungszeit auf knapp ein Jahr angestiegen.

Grundkompetenzen in der Gesprächsführung
Weitere ehrenamtliche Kräfte würden „immer“ benötigt, so Reiprich. „Das ist ja ein Bereitschaftsdienst. Mit 26 Personen könnte man einen 14-tägigen Rhythmus ein Jahr abdecken. Da die Kapazitäten der Hauptamtlichen begrenzt sind, suchen wir unverändert engagierte Menschen mit gefestigter Persönlichkeit, damit das System in der Verlässlichkeit wächst.“ Interessierte müssten mindestens 25 Jahre alt sein, sollten über eine persönliche Reife verfügen. „Gut ist, wenn jemand selbst Krisenerfahrung mitbringt und Grundkompetenzen beispielsweise in der Gesprächsführung und Sozialarbeit.“

Verstärkug aus Rhein-Erft und Rhein-Berg
„Wir haben früh gemerkt, das war infolge des Tsunami 2004, dass bei Schadenslagen mit vielen Betroffenen, etwa Naturkatastrophen, Zug- und Flugzeugunglücken, ein einzelnes NFS-Teammitglied nicht ausreicht“, sagt Reiprich. Seither habe man mit der Telefonalarmierung, die der Köln-Bonn-Airport bereitstellt, ein verlässliches System entwickelt, um bei solchen Ereignissen auch personell gerüstet zu sein und viele Kollegen gleichzeitig aktivieren zu können. „Das heißt, wenn beispielsweise die Stärke der Kölner Teams nicht ausreicht, werden Mitarbeitende im Rheinisch-Bergischen Kreis oder/und aus dem Rhein-Erft-Kreis hinzu geholt.“ Diese drei NFS-Systeme verfügten über insgesamt rund 75 Mitarbeitende.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich