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v.l. Pfarrerin Caroline Schnabel, Prof. Dr. Martin Scaal und Pastoralreferent Werner Roleff

Gedenkfeier für Körperspender:innen des Zentrums für Anatomie in der Uniklinik-Kirche St. Johannes der Täufer

Kerzen in verschiedenen Farben und Größen, individuell und liebevoll gestaltet, etwa mit Herzen und Wolken, leuchteten auf den Stufen zum Altarraum des katholischen Gotteshauses St. Johannes der Täufer im Stadtteil Lindenthal. Die jährliche Gedenkfeier für Körperspender:innen des Zentrums für Anatomie in der Kirche der Uniklinik Köln vermittelte eine besondere, bewegende Atmosphäre. Sie war geprägt von Dank und Respekt, Zuspruch und Anteilnahme.

Der ausnehmend gut besuchten Feier wohnten zahlreiche Angehörige der Menschen bei, die ihren Körper nach dem Tod der medizinischen Ausbildung und Weiterbildung zur Verfügung gestellt haben. Zugegen waren Mitarbeitende des anatomischen Instituts sowie eine sehr große Zahl von Studentinnen und Studenten. Wesentlich mit vorbereitet und durchgeführt wurde die Feier von zwei Mitgliedern der ökumenischen Klinikseelsorge an der Uniklinik, dem katholischen Pastoralreferenten Werner Roleff und der evangelischen Pfarrerin Caroline Schnabel. Die Begrüßung für das Anatomie-Zentrum übernahm dessen Geschäftsführender Direktor Prof. Dr. Martin Scaal.

„All die Menschen, an die wir uns heute erinnern, haben einen Namen “

Etliche Medizinstudierende gestalteten den Gottesdienst nicht nur musikalisch. Ebenso verlasen sie die rund neunzig Namen der Körperspender:innen. Gleichzeitig trugen sie im Gedenken entzündete Kerzen in einer Prozession nach vorne. „All die Menschen, an die wir uns heute erinnern, haben einen Namen“, hatte Schnabel diesen sehr emotionalen Abschnitt des Gedenkens eingeleitet. Hinter diesen Namen verbirgt sich eine ganze Lebens- und Beziehungsgeschichte. „Für jeden Namen haben Studierende eine Kerze mitgebracht. Ein Licht, das an sie erinnert.“ Dort, wo unsere Verstorbenen nun sind, „ist es hell und warm“.

„All die Menschen, an die wir uns heute erinnern, sind verschieden“, hob Schnabel in ihrer liturgischen Eröffnung hervor. „Jede und jeder von ihnen stand in vielfältigen Beziehungen. Sie waren Tochter oder Sohn, Vater, Mutter, Ehefrau, Ehemann oder Lebensgefährt:in, Schwester, Bruder, Nachbarin, Arbeitskollege oder gute Freundin. Sie alle haben einen eigenen Namen und eine eigene Lebensgeschichte, die Sie als Angehörige mit diesem Namen verbinden.“ Es ist nicht selbstverständlich, den eigenen Körper der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen, sagte die Klinikseelsorgerin, die zum dritten Mal an dieser Feier mitwirkte. „Es ist – in mancher Hinsicht – eine Zumutung. Vor allem für Sie als Angehörige, die Sie die Entscheidung akzeptieren – und nun lange auf diese Abschiedsfeier warten mussten.“

Gedenken und Dank seien nicht allein dem Anatomischen Institut ein großes Bedürfnis, sondern auch den Studierenden der Medizin, stellte Schnabel fest. Viele von ihnen hätten sich aktiv an der Gestaltung dieser Feier beteiligt, um, so Schnabels Eindruck, „etwas zurückzugeben“. Nach Abschluss eines herausfordernden und erinnerungsträchtigen Semesters kämen heute die verschiedenen Perspektiven zusammen, so die Seelsorgerin. „Die Perspektiven derer, die von einem lieben Menschen Abschied nehmen mussten. Und die Perspektiven derer, die nach diesem Abschied lernen und lehren durften.“ Allen gemeinsam sei der Respekt vor dem menschlichen Leben. „Die Überzeugung, dass der Mensch immer mehr ist als das, was wir am Körper ablesen können. Und das Vertrauen darauf, dass da etwas Größeres ist, das uns hält“, schloss Schnabel.

„Die selbstlose Spende der Menschen, derer wir heute gedenken.“

„Wir wollen heute unserer Körperspender gedenken, die wir im vergangenen Jahr bestattet haben und nun nach Ablauf des Präparierkurses bestatten werden“, begrüßte Prof. Dr. Martin Scaal im Namen des Zentrums Anatomie. „Wir wollen unserer Dankbarkeit Ausdruck geben, dass wir mit ihnen arbeiten durften, dass wir an ihnen lehren, lernen und forschen durften.“ Dieser Dank gebühre auch den Angehörigen. „Sie haben die Entscheidung Ihrer Verstorbenen akzeptiert, vielleicht auch schweren Herzens. Sie hatten wenig Zeit, sich zu verabschieden, und Sie mussten sie oder ihn für lange Zeit in fremde Hände geben. Wir danken Ihnen für Ihre Geduld und für Ihr Vertrauen.“

An die Studierenden gerichtet, nannte es der Uni-Professor „ein großes Geschenk, dass es Menschen gibt, die ihren Körper spenden, damit Sie und wir ihn studieren können. Dieses Geschenk hat es Ihnen ermöglicht, die Anatomie des Menschen am echten Körper zu erlernen, mit den Augen und mit den Händen zu erfassen, in ihrer ganzen dreidimensionalen Komplexität.“ Das könne keine virtuelle Realität so vermitteln. Scaal wies auf den Wunsch der Körperspendenden hin, dass die Studierenden mit dem an ihren Körpern erlernten Wissen „später als Ärztinnen und Ärzte den Lebenden helfen können“. Schließlich wandte Scaal sich an Kolleginnen und Kollegen. Auch für „uns Anatomen“ sei es wichtig, „immer wieder in den Blick zu nehmen, dass Grundlage für die anatomische Forschung und Lehre die selbstlose Spende der Menschen ist, derer wir heute gedenken“.

Über den Tod hinaus, anderen Menschen helfen

Stellvertretend für ihre Kommiliton:innen sagten zwei junge Frauen den Körperspender:innen „von ganzem Herzen Danke“. Deren selbstlose, außergewöhnliche Geste habe Studierenden ermöglicht, ihr medizinisches Wissen zu erweitern und Techniken zu erlernen. Mit ihrer Entscheidung würden die Spender:innen über ihren Tod hinaus anderen Menschen helfen, zollten die Studentinnen ihren Respekt. Und sie sprachen von einem Vermächtnis, das sich ihnen „für immer eingeprägt“ habe. Auch den Angehörigen, die sich auf den gewiss nicht leichten Weg in die Klinik-Kirche gemacht hätten, entboten sie ihre Wertschätzung.

Eine Ahnung von Glück

„Sie alle mögen wohl mit ganz unterschiedlichen Gefühlen hier sitzen“, richtete sich Pastoralreferent Werner Roleff an die Versammelten. „Auf jeden Fall ist dies ein besonderer Moment, eine besondere Zeit, die wir teilen! Eine Zeit verschiedener und zum Teil gegensätzlicher Erfahrungen, so wie das Leben ist… .“ Der katholische Klinikseelsorger zog die Möglichkeit in Betracht, dass hier und jetzt auch ein „Berührtsein“ empfunden werde. Eine Bewegtheit „aufgrund eines ´unsichtbaren Bandes´, das uns alle hier verbindet – geknüpft durch die Menschen, die gestorben sind“.

„Alles hat seine Stunde, alles hat eine bestimmte Zeit im Geschehen unter dem Himmel, eine Zeit für Geburt und eine Zeit für den Tod (…)“, zitierte Roleff aus dem Buch Kohelet/Prediger, Kap. 3. Dieses vor etwa 2200 Jahren verfasste Gedicht über das Leben – „konkret: ein „Gedicht über die Zeit“ – nannte er „nach wie vor aktuell und lesenswert“. Erstaunlich finde der Seelsorger, dass in diesem Bibeltext „Gott“ mit keinem Wort erwähnt werde. Jedoch gehe es in diesem Gedicht „um die Grundfrage: Wie kann Leben – mein Leben – gelingen? Wo und wie findet der Mensch das Glück?“.

Roleff beschrieb in drei Perspektiven, weshalb es in diesem Gedicht „um die Suche nach dem ´Glück´“ gehe. Auf einen skeptischen und einen realistischen Blick ließ er einen dritten folgen. Dieser lasse „eine optimistische Stimme wahrnehmen“. Sie rufe: „Nutze den Tag! Ergreife den Augenblick!“

Was wie Zufall aussehe, sei vielleicht „in Wirklichkeit etwas, das uns ´zu-fällt´“, gab der Pastoralreferent zu bedenken. „Wenn ich bewusster im Hier und Jetzt lebe, nicht im Gestern oder im Morgen; wenn ich Begrenzungen annehme, vielleicht sogar damit rechne, dass alles, auch die Zeit, ´von guten Mächten wunderbar geborgen´ ist, dann kann das tröstlich und entlastend sein. Dann kann mich das gelassener machen, inmitten aller Gegensätze. Dann kann vielleicht sogar Hoffnung keimen und eine Ahnung von Glück… .“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich