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Evangelischer Kirchenverband begrüßte das neue Kirchenjahr mit traditionellem Jahresempfang

„Wie muss die Kirche der Zukunft aussehen? Müssen wir uns auf einen Wandel einstellen, der nicht mehr umkehrbar ist, auf eine neue Eiszeit?“ Mit diesen Fragen begrüßte Stadtsuperintendent Rolf Domning die Gäste zum Jahresempfang des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region und der vier Kölner Kirchenkreise am Beginn des neuen Kirchenjahres.

Domning bezog sich auf die in diesem Jahr vorgelegte Mitgliedschaftsstudie der EKD, in der unter anderem von einer zunehmenden Gleichgültigkeit der jüngeren Generation gegenüber der Institution Kirche die Rede sei, während der engagierte Kern der Protestantinnen und Protestanten langsam überaltere. Dieses Ergebnis zeige, dass die Kirche von einer gesellschaftlichen Trendwende ergriffen sei, so Domning, „die uns sicher noch beschäftigen wird“.

Dank des Bürgermeisters
Das Thema des Abends „Zukunftsfest und zukunftsoffen den Wandel gestalten“ im 50. Jahr des Bestehens der vier Kirchenkreise hatte deutliches Interesse gefunden, die Kartäuserkirche war bis auf den letzten Platz besetzt und neben Gästen aus den eigenen Reihen hatten sich zahlreiche Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Ökumene eingefunden. Dazu gehörten unter anderem Stadtdechant Monisgnore Robert Kleine, Hannelore Bartscherer für den Katholikenausschuss in der Stadt Köln, der ehemalige Kölner Stadtdechant Dr. Johannes Westhoff und Bürgermeister Dr. Ralf Heinen. Gekommen war auch Abraham Lehrer, der tags zuvor zum neuen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden gewählt worden war. Einen Dank der Stadt Köln überbrachte Bürgermeister Hans-Werner Bartsch an die Kirchen für deren Bereitschaft, Gebäude und Grundstücke zur Unterbringung von Flüchtlingen anzubieten. Er bedankte sich auch für „die Betreuung und Integration von Flüchtlingen auf vielen Ebenen“. Aktuell seien es in Köln mehr als 5.000 Menschen, die hier eine neue Zukunft suchten.

Bürgermeister Hans-Werner Bartsch überbrachte Grüße der Stadt Köln
Kirche setzt Maßstäbe
„Die Kirche ist in der säkularen Zivilgesellschaft präsent“, machte Altpräses Manfred Kock gleich zu Beginn seines Vortrags unmissverständlich klar. Deren Impulse seien für die Wertediskussion immer noch von entscheidender Bedeutung. Unverzichtbar seien die Beiträge der Kirche zum Sozialwesen und zur Sozialkultur. Kirche setze Maßstäbe für die sozialen Standards. Sie führe Gespräche mit politisch Verantwortlichen, mit Parteien und Regierungen, nicht etwa um ihre eigenen Interessen zu artikulieren, sondern weil sie am gesellschaftlichen Diskurs mitwirken wolle, vor allem bei politischen Fragen, die das Gewissen der Menschen berühre. „Darum kann sich die Kirche weder das Recht, noch die Pflicht absprechen lassen, Stellung zu nehmen“, betonte Kock.

Religion darf nicht ins Private wandern
Mit ihrer Botschaft und ihren Gebäuden stelle die evangelische Kirche „einen Schatz für diese Zeit und unsere Welt“ dar, so Kock weiter. Und durch ihre Friedfertigkeit und ihren Versöhnungswillen leisteten die Kirchen in vielen Krisengebieten einen Beitrag zur Gewaltfreiheit. Der Rückgang der Kirchenmitglieder sei eben nicht gleichbedeutend mit dem Verlust der Monopolstellung der Kirche. Der Theologe warnte davor, Religion ins Private zu rücken. „Gegen die Versuchungen fundamentalistischer Engführung und frommer Privatheit muss sie eine Volkskirche sein – also eine Kirche für das Volk, nicht nur für die Frommen“, sagte Kock. Man erwarte von Kirche, dass sie eine tragende Rolle in der gesellschaftlichen Wertediskussion übernehme. „Das erwarten nicht nur eng mit der Kirche Verbundene, wie die letzte Mitgliedschaftsstudie der EKD ermittelt hat. Diese Erwartung teilen auch viele gesellschaftlich Engagierte, die selber keine enge Verbindung mit unserer Kirche mehr haben“, erklärte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Altpräses Manfred Kock machte seinem Ruf als "markante Stimme des deutschen Protestantismus" wieder einmal alle Ehre
Gehandelt, gemakelt und nach Geld gejagt
Kock konkretisierte seine Vorstellung von einer zukunftsfähigen Kirche: „Die Kirchen in der modernen Gesellschaft müssen Orte für die seelischen Kräfte der Menschen pflegen und neue Formen des spirituellen Erlebens schaffen, ohne in voraufklärerische Mythisierungen oder psychodemagogische Manipulationstechniken zu verfallen.“ Die Stadt brauche kultische Alternativen zu den Götzen der Welt, in deren Kultstätten gehandelt, gemakelt und nach Geld gejagt werde. Man müsse den Menschen signalisieren, dass die Kirche offen sei, „offen für Sympathisanten und Neugierige, ohne sie gleich normieren zu wollen“.

„Chance eines offensiven neuen Anfangs"
Kock forderte eine klare und identifizierbare Beziehung zu Politik, Wirtschaft und Wissenschaft: „Wir haben die Chance eines offensiven neuen Anfangs. Die evangelische Kirche ist Teil einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft. Mit den anderen christlichen Kirchen, den anderen Religionen und Weltanschauungen hat sie Verantwortung wahrzunehmen, hat im Dialog mit Muslimen dem Fanatismus und der religiös begründeten Gewalt zu widerstehen.“ Dabei verfüge die Kirche über nichts anderes als über das Wort, über die Botschaft Jesu Christi. Kock: „Die Kirche hat keine Armeen, keine Machtmittel. Sie hat nichts als das lebendige Wort Gottes, das in Jesus von Nazareth Fleisch wurde.“ Die Menschenwürde sei auf das freie Geschenk Gottes gegründet und die evangelische Kirche zeige ihr Profil darin, dass sie ihren Grund beim Gekreuzigten finde. Nur so würden Glaubenserfahrungen und Werte bewahrt und weitergegeben.

Christi Botschaft für Solidarität mit den Schwachen
Kock forderte schließlich „mehr geistliche Ausstrahlung“. Die Botschaft Christi erinnere immer wieder daran, „dass Menschen nicht einfach Konsumenten, Arbeitsmaschinen oder Außenseiter der Gesellschaft sind“. Daran zu erinnern sei die aktuelle Aufgabe für die kommende Zeit. Der Auftrag Jesu Christi laute: „Heraus aus den Zwängen des Mammons zur Solidarität mit den Schwachen.“

Den vollständigen Vortrag von Altpräses Manfred Kock lesen Sie hier.

Text: Angelika Knapic
Foto(s): Anna Siggelkow