Etwas für die Augen und den Kopf, für die Ohren und das Herz, wahlweise auch für den Gaumen, bot der Orgel-Spaziergang innerhalb des Stadtführungsprogramms „Köln mit anderen Augen„. Er führte ein in die historische wie gegenwärtige Bedeutung, die Architektur wie Ausstattung der drei katholischen und evangelischen Kirchen am Neumarkt mit besonderer Berücksichtigung ihrer Instrumente. Die erfolgreiche Premiere des von der AntoniterCitykirche veranstalteten „musikalischen Spaziergangs“ fand statt im Rahmen der „ecclesia“, der Fachmesse für Kirchenausstattung und religiöses Leben.
Die Orgel-Wanderung sei ein Beitrag zur ökumenischen Vernetzung der katholischen Kirchen St. Aposteln und St. Peter und der evangelischen Antoniterkirche unter dem Titel „Die Kirche(n) am Neumarkt“, begrüßte CityPfarrer Dr. Bertold Höcker die rund 65 Teilnehmenden in St. Aposteln. In dieser Verbindung liege die Hoffnung und die Verheißung, das alles eins sei. Die Kooperation dokumentiere ebenso der nun erstmals in der Fastenzeit praktizierte Ringtausch der Altarkreuze und -bibeln. „Auch das macht deutlich, dass wir unter einem Herrn und dem einen Wort vereint sind“, schloss Höcker seinen Prolog, dem der zustimmende Gastgeber Pfarrer Christoph Biskupek nichts hinzu fügen wollte.
Sankt Aposteln
„Ecclesia“ – der Begriff stehe für die kirchliche Gemeinschaft und für das Kirchengebäude als solches, begann Stadtführer Günter Leitner seine Ausführungen in der Südkonche des „ältesten der von uns heute besuchten drei Gotteshäuser“. Den weiß-marmornen Sarkophag mit den Gebeinen des Erzbischofs Pilgrim (1021-1036) im Rücken, verband der Stadtführer gewohnt versiert und kurzweilig die legendäre und gesicherte historische Überlieferung zu St. Aposteln mit einer kompakten Erläuterung von Baustufen und -elementen, von Inventar und Symbolik. Danach ist Pilgrim nicht nur Begründer des Apostelnstifts, sondern auch verantwortlich für die um 1030 entstandene dreischiffige, doppelchörige Pfeilerbasilika mit nach „römischer Sitte“ westlichem Querbau, die einen schlichten Vorgängerbau ersetzte. Nach Mitte des 12. Jahrhunderts wurde der später aufgestockte Westturm errichtet. Auf den abgebrannten Ostchor folgte 1200 die zentralisierende Dreikonchenanlage. Leitner wies auch auf die moderne Ausstattung des Altars in der Vierung hin. Über ihm hängen ein Radleuchter, der das Himmlische Jerusalem bedeutet, sowie eine scheinbar schwebende Taube als Zeichen des Heiligen Geistes, die mit ihren Füßen den Tabernakel hält. Dies verweise auf den pfingstlichen Schöpfergeist und versinnbildliche die Gegenwart Gottes in der Eucharistie, so Leitner. Daran anknüpfend machte Kantor Friedhelm Hohmann mit Vertonungen dieses Themas vertraut. Auf der 1996 in der westlichen Turmhalle errichteten Großen Orgel spielte er eine Elevations-Toccata (1635) von Gerolamo Frescobaldi und „Veri Creator“ von Jean Titelanze (1563-1633). Zudem ließ Hohmann auf dem von Fischer & Krämer aus Endingen gebauten Instrument, das mit seinen vier Tastaturreihen und dem Pedalwerk über achtzig Register verfügt, zwei Versionen von „Nun bitten wir den heiligen Geist“ aus dem 15. (Glogauer Liederbuch) und 18. Jahrhundert (Johann Gottfried Walther) erklingen.
Antoniterkirche
In der Antoniterkirche informierte zunächst Kantor Johannes Quack über die 1968 installierte Orgel aus dem Hause der Kölner Firma Peters. Von ihr stammte auch die Vorgängerin. 1955 errichtet, war diese mit drei Tastaturreihen geplant. „Eine dritte ist aber nie gebaut worden. So stand die alte Orgel hier 13 Jahre als Torso“, berichtete Quack. Daher habe man sich entschlossen, eine neue zu bauen. „Mit ihren 36 Registern ist sie eine relativ große Orgel für einen Raum dieses Umfangs“, so Quack. „Und sie besitzt eine elektrische Traktur.“ 1995 wurde sie general überholt. Seitdem verfügt sie über ein zusätzliches Register und eine größere Setzanlage. „Es gibt wohl keine andere evangelische Kirche in Köln, in der so viele Gottesdienste und kirchenmusikalische Veranstaltungen stattfinden,“ meinte Quack, der im weiteren Verlauf das Passionsspiel „Oh Mensch, beweine deine Sünde groß“ von Johann Sebastian Bach sowie die Choralbearbeitung „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ eines weiteren Komponisten vortrug.
CityPfarrer Höcker macht mit dem breiten Angebotsspektrum der Antoniterkirche als Citykirche bekannt. Zunächst offeriere sie an der stark frequentierten Schildergasse, die letzte Zählung habe innerhalb einer Stunde über 17.000 Passanten registriert, eine Gelegenheit, kurz inne zu halten. Außerdem fänden hier nicht nur Gottesdienste für die Ortsgemeinde statt, sondern auch Ökumenische Abendgebete, Bach-Kantatengottesdienste, Ökumenische Gottesdienste für Schwule und Lesben, 10-Minuten-Andachten und die Kölner Stadtpredigten.
Die Antoniter, so Leitner, kamen Ende des 13. Jahrhunderts in die Stadt. Sie erhielten im frühen 14. Jahrhundert die Versammlungslizenz, und errichteten eine 1384 geweihte dreischiffige, gewölbte, im Kern gotische Basilika. „Ihnen war aber nicht nur die Seele wichtig, sondern auch der kranke Körper“, sagte Leitner. Daher waren sie aktiv in der Krankenpflege tätig. Sie kümmerten sich um Mutterkorn-Erkrankte. Hervorgerufen wurde diese Vergiftung durch einen Getreidepilz, der Durchblutungsstörungen bewirkte, häufig zum Abfaulen und zur Amputation von Gliedmaßen und nicht selten zum Tod führte. Die Antoniter stärkten ihre Patienten mit gutem Brot, mit Fleisch und Wein. Ihr Hospital lag an der Südseite der Kirche, dort wo heute der CityPavillon steht. „Es wurde bewußt an die belebte Schildergasse gesetzt, um deutlich zu machen, dass Krankheit zum Leben gehört, dass sie im Leben der Stadt zu finden ist“, so Leitner. Nachdem das Krankheitsbild Mutterkorn im 18. Jahrhundert zurück gegangen war, lebten hier nur noch weniger Antoniter. Mit dem Einmarsch der Franzosen und der Säkularisation, der Auflösung auch ihrer Gemeinschaft, verschwanden sie ganz aus Köln. Die einstige Ordenskirche wurde 1802 den Kölner Protestanten übergeben und nach einem dreijährigen Umbau zu einer evangelischen Predigtstätte 1805 eingeweiht.
Sankt Peter
Gemeinsam mit St. Cäcilien, in der heute das Museum Schnütgen beheimatet ist, bildet St. Peter die letzte von diversen Doppelkirchanlagen in Köln. St. Peter war einst Pfarrkirche des Damen- bzw. später Augustinerinnenstifts St. Cäcilien.
Schon im 6. Jahrhundert soll hier, in den Ruinen der römischen Thermen, ein Sakralbau gestanden haben. Ob es allerdings die erste Bischofskirche gewesen ist, muß unbeantwortet bleiben. Für die Befürworter dieser These spricht insbesondere das Patrozinium, die Weihe auf den Namen des heiligen Peter. Gesichert ist ein Kirchenbau an dieser Stelle spätestens für das 10. Jahrhundert, der Mitte des 12. Jahrhunderts erneuert wurde. Von circa 1515-1530 erhielt St. Peter seine spätgotische Gestalt. Die dreischiffige Pfeilerbasilika mit polygonaler Apsis ist damit die einzig in Köln erhaltene mittelalterliche Pfarrkirche ihrer Art. Damals erhielt St. Peter einen Raumzuschnitt, der für Köln einzigartig ist, und der die Errungenschaften der Reformation aufgreift, so Leitner. „Der Chor ist sehr kurz und verhalten angestuft. Durch die Emporen wurde ein Raum geschaffen für die Menschen. Ein Ort, der der Predigt und dem Wort Gottes Raum gab.“ Die letzte Neugestaltung in einer „geklärten“ Form datiert von 1996-2000.
Leitner hob als besondere Ausstattungsstücke die um 1530 entstandene Glasmalerei hervor sowie das Altargemälde „Kreuzigung Petri“ (1638). Es stammt von Peter Paul Rubens, der als Kind im Pfarrsprengel lebte. Der mehrfache Wechsel des Standortes der „Kreuzigung“ innerhalb der Kirche gehöre zu einer speziellen Auseinandersetzung mit diesem Raum. Einer kölschen Lösung sei es übrigens zu verdanken, dass St. Peter und St. Cäcilien die einzige in Köln noch erhaltene Doppelkirchen-Anordnung bilde. Denn im Zuge der Säkularisation ließen die Franzosen entweder die Stiftskirche oder, in den meisten Fällen, die benachbarte Pfarrkirche niederlegen. Als es nun darum ging, ob St. Cäcilien oder St. Peter stehen bleiben sollte, argumentierte die Pfarrgemeinde: Die eigentlich wertvollere sei ja St. Cäcilien, aber die könne man nicht gebrauchen, da sie dem in den Stiftsgebäuden eingerichteten Bürgerhospital als Krankenhauskirche diene. Deshalb müsse man St. Peter nehmen.
Heute sei die vielfach genutzte Kirche auch als renommierte „Kunst-Station Sankt Peter“ bekannt, so Höcker. Hier werde die Auseinandersetzung von Kirche mit zeitgenössischer Kunst gepflegt. Ebenso mit moderner Musik. „Kantor Peter Bares repräsentiert bundesweit das Zentrum für neue, freie Musik“, betonte Höcker. Bares war auch maßgeblich an der Erweiterung und Modernisierung der neuen Peters-Orgeln im Chor und auf der Empore mit jetzt insgesamt 96 Registern beteiligt, die von einem Tisch aus zu spielen sind. Auf die Theorie folgte die Praxis: Der Organist verzauberte die Teilnehmenden mit selbst komponierten Stücken und Improvisationen.
„ecclesia-Dinner“
Auf Orgelmusik musste auch beim anschließenden „ecclesia-Dinner“ im Café Stanton des der Antoniterkirche benachbarten CityPavillons nicht verzichtet werden. Während etliche „Spaziergänger“ mit anderen Interessierten, darunter Aussteller und Besucher der „ecclesia“, ihr Drei-Gang-Menü verspeisten und die Wanderung Revue passieren ließen, improvisierte Thomas Frerichs, Kantor der Lutherkirche, auf einer Truhenorgel der Gemeinde.
„Es war eine rundum gelungene Sache“, freute sich Annette Scholl von der Citykirchenarbeit der AntoniterCityKirche und verantwortlich für die Stadtführungen „Köln mit anderen Augen“. Sie wies darauf hin, dass nun generell im Rahmen von Gruppenführungen zu individuellen Themen und im Zusammenhang mit Orgelmeditationen und geistlichen Impulsen eine vom Café Stanton ausgerichtete „Antoniter-Tafel“ oder ein „Antoniter-Buffet“ gebucht werden könne.
Foto(s): Engelbert Broich