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Evangelische Kirchengemeinde Porz nimmt nach zwölf Jahren Abschied von ihrem Pfarrer

Pfarrer Siegfried Bowien hat viel bewegt in seinem Berufsleben – und dies stets aus einer Grundüberzeugung heraus: „Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und jeder ist dafür verantwortlich, dass es allen gut geht“, so Bowien. Es sei völlig egal, welche Herkunft man habe.

Nach zwölf Jahren nimmt er nun Abschied von der Evangelischen Kirchengemeinde Porz, wo er als Pfarrer im Pfarrbezirk Finkenberg/Gremberghoven gearbeitet hat. Sein Abschied ist nicht ganz freiwillig. Nach einem bewaffneten Raubüberfall auf das Pfarrhaus im März 2012 ist er gesundheitlich nicht mehr in der Lage, seinen Beruf weiter auszuüben.

Erster „ländlicher“ Streetworker
1960 in Hennef geboren und aufgewachsen in Uckerath bei Eitdorf, engagierte er sich seit seinem Jugendalter in seiner Heimat-Kirchengemeinde. Er war zudem Mitbegründer des Stadtjugendrings in Eitdorf und Mitinitiator eines Pilotprojektes, in dessen Rahmen der erste „ländliche“ Streetworker im Rhein-Sieg-Kreis eingestellt wurde. Dass ihm Menschen in schwierigen und extremen Lebenssituationen am Herzen lagen, zeigt seine gesamte berufliche Laufbahn.

Tolles Kollegium, viele Ehrenamtliche
Nach dem Theologiestudium in Bonn und Marburg verbrachte er sein Vikariat in Hennef und arbeitete während seiner Zeit als Pastor im Hilfsdienst Mitte der 90er Jahre als Studentenpfarrer in Gummersbach. Anschließend war er acht Jahre lang Pfarrer in Heinsberg an der niederländischen Grenze, von dort wechselte er 2002 nach Porz. „Ich habe hier eine sehr lebendige und offene Gemeinde vorgefunden, mit einem tollen Kollegium und vielen Ehrenamtlichen“, berichtet er.

„Netzwerk Finkenberg“ gegründet
Schwerpunkte habe er viele gehabt: die Ökumene, Aussiedlerarbeit, Jugendarbeit und Arbeit in sozialen Brennpunkten. „Aber auch alltägliche Gemeindearbeit wie die Frauen- und die Seniorenarbeit waren mir ebenso wichtig!“, betont er. „Für mich war das eine gute Mischung!“ In Finkenberg hinterlässt er deutliche Spuren: So führte er dort eine Lebensmittelausgabe, einen Mittagstisch und eine Hausaufgabenbetreuung ein. „Es gab damals viel tatkräftige Unterstützung, zum Beispiel durch den damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma“, erzählt der Pfarrer. Bowien gründete das „Netzwerk Finkenberg“, dem sich 20 bis 30 Verbände aus der Umgebung anschlossen. „Finkenberg ist der einzige Stadtteil in Köln, wo ein Netzwerk von der Kirche geführt wird“, sagt er stolz. In der Trägerschaft des Netzwerkes entstanden unter anderem ein Stadtteilfest, das jeden Sommer gefeiert wird, und ein großes Jugendcamp für Kinder und Jugendliche vor Ort. „Das ist natürlich auf ökumenischer Basis! Jede und jeder ist willkommen!“, so Bowien.

Verantwortung für alle Menschen
Seine Devise, dass man als christliche Kirche Verantwortung übernehmen sollte, setzte er schon in den 90er Jahren in seiner Arbeit für den ökumenischen Kirchenrat in Genf um. In dessen Auftrag begleitete er ein ökumenisches Studienprojekt in England, mit dem Ziel, dass katholische und protestantische Kirchen unter einem Dach zusammenarbeiten. So stellten etwa drei Gemeinden in Nordlondon gemeinschaftlich einen Mitarbeiter für die Jugendarbeit ein, dem dann ein gemeinsames Gremium, ähnlich wie ein Presbyterium, aus allen drei Gemeinden übergeordnet ist. „Dieses Pilotprojekt wurde auf ganz England ausgeweitet, und ich brachte es auch mit nach Deutschland“, informiert Bowien.

Im Austausch mit ökumenischen Partnern
In seiner Porzer Gemeinde war Bowien auch der Ökumenebeauftragte. Für die VEM (Vereinte Evangelische Misision) gestaltete er seit langem die Partnerschaft der rheinischen Landeskirche zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia mit. Er war an vielen Projekten beteiligt und beschaffte dafür auch Gelder, zum Beispiel für den Bau eines Kindergartens und die Initiierung eines Anti-Aids-Projektes. „Ich habe mit den Leuten vor Ort überlegt, wie man so etwas aufbauen kann“, erzählt er und bemerkt, wie wichtig es sei, immer im Austausch mit den Partnern zu sein.
Beeindruckt hat ihn, dass „dass man als arme Kirche trotzdem Kirche sein kann, und dass man auch ohne viel Geld tolle Gemeindearbeit machen kann.“ Das beweise auch der Mittagstisch in Finkenberg: „Das ist ein Projekt, das nichts kostet“, so Bowien. Das Essen werde von Geschäftsleuten gespendet, gekocht werde von den Ehrenamtlichen. „Wir sitzen jeden Mittwoch wie eine große Familie an einem Tisch“, freut sich der rührige Pfarrer.

Abschied mit Wehmut
Nach seinem Abschied aus der Gemeinde Porz will Siegfried Bowien zusammen mit seiner Frau und dem jüngsten Kind nach Süchterscheid ziehen. „Ich gehe schon mit Wehmut!“, sagt er. Pläne für den Ruhestand habe er noch keine, denn erst einmal will er wieder richtig gesund werden.

Festlicher Gottesdienst in der Hoffnungskirche
Am 1. Februar wurde er mit einem festlichen Gottesdienst aus seinem Amt von Superintendentin Andrea Vogel in der Hoffnungskirche in Porz-Finkenberg verabschiedet. „Frau Vogel hat mich, ebenso wie die Kollegen und Kolleginnen und die Ehrenamtlichen in der Gemeinde, während meiner Krankheit sehr gut betreut und ich fühlte mich sehr getragen. Es tat gut, auf so viel Verständnis zu stoßen und so ein tolles und gut funktionierendes christliches Netzwerk zu erleben!“, verabschiedet sich Pfarrer Bowien.

Text: Susanne Hermanns
Foto(s): Susanne Hermanns