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Erster zentraler Gottesdienst zum Mirjamsonntag im Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch

Die Grußliste von Paulus am Ende seines Briefes an die Römer ist lang. Welche Persönlichkeiten sich hinter diesen vielen Namen verbergen, denen sich Paulus verbunden fühlte, wollte das Frauengottesdienst-Team im Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch wissen. Seit zwei Jahren gestaltet das Team an jedem zweiten Sonntag im Monat unter der Überschrift „Zeit für Dich“ einen Frauengottesdienst.

Im ersten zentralen Gottesdienst zum Mirjamsonntag mit dem Titel „Gemeinschaft der Heiligen“, der am 12. Oktober in der Auferstehungskirche Köln-Buchforst stattfand, interessierten natürlich besonders die Frauen, die im Römerbrief erwähnt werden.

Paulus, der perfekte Networker?
„Alle Briefe, die Paulus schrieb, richteten sich an Gemeinden, die Paulus selbst (mit)gegründet hatte. Dieser Brief aber ging an eine Gemeinde, die Paulus noch nicht kannte“, erklärte Prädikantin Sigrid Halbe, die den Gottesdienst leitete. „Der Brief, vermutlich 56 nach Christus in Korinth geschrieben, war der letzte und längste der Paulus-Briefe. Er hatte die Absicht, das Evangelium nach Spanien zu bringen und brauchte dafür die Unterstützung der Gemeinde in Rom“, so Halbe. Grüße am Ende eines Briefes seien damals durchaus üblich gewesen. Die ungewöhnlich lange Grußliste in diesem Brief mache deutlich, „wie viele persönliche Beziehungen Paulus zu einzelnen Personen der römischen Gemeinde bereits hatte.“ Mit vielen der Genannten sei er intensiv im Gespräch gewesen. Er habe sie aus Begegnungen und aus gemeinsamer missionarischer Arbeit gekannt. Paulus, der perfekte Networker? So könne man vielleicht heute dieses Beziehungsnetz, die „Gemeinschaft der Heiligen“ beschreiben.

Phöbe – eine Frau mit Autorität
Einige Frauen aus dieser „Gemeinschaft der Heiligen“ stellten die Mitwirkenden des Frauengottesdienst-Teams sehr lebendig vor, indem sie in deren Rollen schlüpften. Zuerst präsentierte sich die Botin Phöbe, die den Brief von Korinth nach Rom überbrachte. In einer Art Empfehlungsschreiben habe Paulus der Gemeinde zu verstehen gegeben, dass Phöbe mit dem Inhalt des Briefes vertraut sei und Fragen entsprechend beantworten könne. „Ich kannte Paulus noch aus Korinth, wo Paulus oft zu Reisen aufbrach und ich in verantwortungsvoller Position in der Gemeinde tätig war: in der Versorgung und der Verkündigung. Ich hatte theologisches Basiswissen und war eine Autorität“, erzählte sie selbstbewusst. Dazu zog Prädikantin Halbe Parallelen zur eigenen Arbeitswelt: „Auch heute gibt es Botschafterinnen an der Spitze unserer Kirche. Im letzten Jahr zum Beispiel wurde die ehemalige Bundesministerin Irmgard Schwaetzer zur Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt.“

Junia – großes Engagement und Unerschrockenheit
Mit der Apostelin Junia stellte sich eine zweite Frau vor, die schon vor Paulus zur christlichen Gemeinde gehörte und mit ihm im Gefängnis war, „was auf großes Engagement und Unerschrockenheit in der Verkündigung schließen lässt“, wie sie stolz berichtete. Junia sei Jüdin gewesen und ihr Name damals ein geläufiger Frauenname. „Den Männernamen Junias gab es in der Antike noch gar nicht. Aber eine Frau, die Apostelin war, die ein so hohes Amt bekleidete, dass wollte man nicht, und so wurde ab dem Mittelalter in den Bibelübersetzungen aus dem Frauennamen Junia einfach ein Männername – Junias.“ Ab einem bestimmten Zeitpunkt seien nur noch Männer als Apostel hervorgehoben worden. Auch habe man hohe geistliche Ämter in der Kirche nur mit Männern besetzt. In der sogenannten "apostolischen Sukzession" seien ebenfalls bis heute maßgebend Männer gewesen, erklärte Halbe. Viele Mitschwestern litten darunter, dass ihnen das Priesteramt verweigert werde.

Persis – schuften für schlechte Bezahlung
„Mein Name ist Persis, denn ich stamme aus Persien“, stellte sich die nächste Frau vor. Sie sei als Sklavin nach Rom gekommen, wo zu ihrer Zeit zwei Drittel der Römer und Römerinnen „unfrei" waren. „Unsere Gemeindeversammlungen waren bunt gemischt mit Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern, die verschiedene Sprachen und Dialekte sprachen.“ Als mittlerweile „Freigelassene“ fühle sie sich wertgeschätzt, da Paulus sich an sie erinnere. Persis berichtete, wie hart sie arbeiten müsse, denn sie erhalte als Frau nur einen geringen Lohn. „Paulus stellt sich mit uns Schuftenden auf eine Stufe“, freute sie sich. „Er hält sich nicht für etwas Besseres!“ Persis stehe stellvertretend für alle Frauen, die auch heute noch trotz guter Schulnoten geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten und mit weniger Einkommen und niedrigeren Renten auskommen müssten, betonte die Prädikantin.

Priska – Führende Rolle in der Partnerschaft
Priska und Aquila stellten in Korinth Zelte her – ebenso wie Paulus. „Wir haben Paulus oft beherbergt. Unser jüdisches Haus war immer für alle geöffnet. Wir haben zusammen gearbeitet, gelebt und verkündet. Wir haben einander vertraut und uns für das Leben des anderen eingesetzt“, erzählte Priska. „So wünschen wir uns eine Gemeinschaft aller Völker, eine weltweite Bewegung für Gerechtigkeit!“ Priska gehöre zu den wenigen Frauen, die mehrmals im Neuen Testament erwähnt würden, erklärte Halbe. Immer zusammen mit ihrem Mann Aquila, aber in vier von sechs Fällen stehe ihr Name an erster Stelle. „Damit wird schon deutlich, dass Priska wohl eine führende Rolle in der Partnerschaft hatte“.

Mutter des Rufus – Paulus wie den eigenen Sohn behandelt
Schließlich lernten die Gottesdienstbesucher und -besucherinnen noch die Mutter von Rufus kennen, die berichtete, dass Paulus, ein Freund ihres Sohnes, oft in ihrem Haus zu Gast gewesen sei. Sie habe für das leibliche Wohl gesorgt, während Paulus und Rufus diskutierten oder Predigten und Gemeindetreffen vorbereiteten. Paulus sei wie ihr eigener Sohn gewesen. In der Rolle der Mutter habe sie sicher auch ein Bedürfnis von Paulus erfüllt und ihm manches Mal einen guten Rat mit auf den Weg gegeben, kommentierte Halbe die Schilderung.

„Heiliger Kuss“ als Erkennungszeichen
Halbe verdeutlichte am Beispiel der vorgestellten Frauen, wie groß das Beziehungsgeflecht von Paulus gewesen sei: „Er hatte Kontakte zu sehr vielen und sehr unterschiedlichen Menschen, die ihm freundschaftlich, mütterlich, geschwisterlich – ja liebevoll zur Seite standen.“ Diese Menschen, im Glauben miteinander verbunden, bildeten die „heilige Gemeinschaft“, die, so Halbe, den „Heiligen Kuss“ als Begrüßungs- und Erkennungszeichen hatten.
In den Fürbitten wurde noch einmal Bezug auf die starken Frauen der Bibel genommen und den Blick auf die heutigen Frauen gerichtet, die mit Engagement ihr Leben meistern. So freute man sich über die Verleihung des diesjährigen Friedens-Nobelpreises an die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai, die sich unter anderem dafür einsetzt, dass Mädchen zur Schule gehen dürfen.

Auch Männer sind willkommen!
Der nächste Frauengottesdienst findet am Sonntag, 9. November, zum Thema „Erbrecht der Töchter“ statt. „Wir würden uns freuen, wenn noch mehr Menschen unseren Gottesdienst besuchen würden“, sagte Prädikantin Halbe mit Blick auf die 25 Besucherinnen und Besucher. „Auch Männer sind hier herzlich willkommen!“, betonte Christine Winterhoff, Mitglied des Vorbereitungsteams. „Natürlich geht es bei uns um Frauenthemen". Aber die können ja auch für Männer interessant sein…

Text: Susanne Hermanns
Foto(s): Susanne Hermanns