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Erster „Langer Tisch“ in Widdersdorf brachte die Kirche zu den Menschen

Für Alexander Duy war das lockere Beisammensein im „Englischen Garten“ genau das Richtige. Seine beiden Kinder vergnügten sich auf dem Spielplatz, am „Langen Tisch“ standen Kaffee, Kuchen und Kaltgetränke bereit, es entspann sich manches Gespräch mit bislang unbekannten Menschen. „Seit sechs Jahren leben wir jetzt im Neubaugebiet Widdersdorf-Süd, und es ist schön hier, aber auch noch ein wenig anonym“, sagte Duy. „Vor allem fehlt es an Veranstaltungen wie dieser, bei der man die anderen Menschen kennenlernen kann, die hier leben.“

Der „Lange Tisch“ passte auch deshalb gut zu den Duys, weil es sich um eine ökumenische Aktion der beiden Widdersdorfer Kirchengemeinden handelte, und Alexander Duy evangelisch, seine Gattin dagegen katholisch ist. „Man hätte nur früher dafür werben müssen, das Plakat habe ich erst vor einigen Tagen entdeckt“, meinte er. Liane Scholz, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Ichthys, stimmte dem Gast voll zu: „Es gab zwar schon Pläne dafür vor den Sommerfreien, aber wir haben das in den vergangenen 14 Tagen ziemlich kurzfristig aus dem Boden gestampft“, erklärte sie lachend.

Pfarrerin Scholz und Pastoralreferent Hubert Schneider stellten sich vor
Speisen, Getränke und Geschirr sollten die Besucherinnen und Besucher des „Langen Tischs“ mitbringen. Rund 100 Menschen waren es schließlich, von denen viele aufgrund des intensiven Sonnenscheins nach dem Essen recht bald die Tafel verließen und unter eines der Zeltdächer flüchteten, um den Wespen die Krümel zu überlassen. Immerhin kam man sich auf dem engen Raum schnell näher und Pfarrerin Scholz und Pastoralreferent Hubert Schneider von der Kirchengemeinde St. Jakobus konnten sich allen vorstellen – „ohne gleich zu missionieren“, wie Liane Scholz betonte.

Die Kirche zu den Menschen bringen
Ziel war es natürlich vor allem, Alt- und Neubürger miteinander bekannt zu machen, in gewisser Weise sollte die Kirche aber auch zu den Menschen gebracht werden, wenn die Menschen schon nicht zur Kirche kommen. Denn für die Zugezogenen ist die Lage der Gemeindezentren ausgesprochen ungünstig. „Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche liegen im Norden des Orts, exakt auf der anderen Seite also“, erklärte die Pfarrerin.

Es mangelt noch an der Infrastruktur im Neubaugebiet
Immerhin ist sie mit ihrem Gatten vor einigen Wochen in das Mehrgenerationen-Projekt „Anders Wohnen“ in Sichtweise des „Englischen Gartens“ umgezogen. Dort lebt auch Pastoralreferent Schneider, der seine Stelle erst vor zwei Wochen angetreten hat: „Es mangelt tatsächlich noch an der Infrastruktur im Neubaugebiet, hier gibt es keinen Treffpunkt, keine Kneipe zum Beispiel, nicht einmal ein Restaurant.“ Zwar könnten sowohl die evangelische als auch die katholische Gemeinde Zuwachs verbuchen, doch erreiche man nur einen Teil der rund 4.000 Neuankömmlinge, die nach und nach die Einwohnerzahl auf insgesamt etwa 11.000 erhöhten.

Orientierung an den christlichen Gemeinden
„Allerdings muss man immer bedenken, dass viele noch mit Arbeiten an den Häusern beschäftigt sind. Zu speziellen Anlässen wie Familiengottesdiensten oder an großen Feiertagen machen sie sich aber bemerkbar“, sagte Liane Scholz. „Auch wenn es zum Beispiel um die Taufe der Kinder geht.“ Sie glaubt, dass sich im Laufe der Zeit immer mehr Zugezogene in den christlichen Gemeinden engagieren werden: „Es ist heute schon so, dass viele bei bestimmten Projekten mitmachen, dann heißt es oft: Ich bin dabei.“

Eine Gelegenheit dazu findet sich spätestens im kommenden Jahr, wenn der „Lange Tisch“ von Widdersdorf wiederholt wird.

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans