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EKiR-Synode: Bundeswehr in Afghanistan und andere Themen aus Sicht des Präses. NEU: Audio-Service auf der Homepage der Evangelischen Kirche im Rheinland

„In Afghanistan töten und sterben deutsche Soldaten. Im Namen des deutschen Volkes wird Krieg geführt, wenn auch nicht gegen die Armee eines Staates, so doch gegen Terrorgruppen der Taliban.“ Das sagte Präses Nikolaus Schneider in seinem Bericht zum Auftakt der EKiR-Synode 2010 in Bad Neuenahr. Weiter erklärte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende zur aktuellen Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan: Quer durch alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppen und auch in der Kirche werde die Definition des Wortes „Krieg“ derzeit neu diskutiert. „Und wir fragen mit neuer Intensität politisch und theologisch nach den Rechtfertigungsgründen militärischer Gewalt.“ Angesichts der Gewalt der terroristischen Taliban gegen das eigene Volk ist für Schneider der Einsatz militärischer Gewalt nach den Kriterien der EKD-Friedensdenkschrift „zumindest nicht grundsätzlich abzulehnen“. Weiter erklärte der Präses: „So wenig ein Abzug deutscher Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan ‚Hals über Kopf‘ zu verantworten ist, so dringend muss gemeinsam mit Repräsentanten der afghanischen Bevölkerung ein realistisches Ausstiegsszenario erarbeitet werden. Und nicht nur im Parlament, sondern auch in der ganzen Gesellschaft ist der Diskurs über die Rolle der Bundeswehr im In- und Ausland offen und ehrlich zu führen.“
Zudem sieht der oberste Repräsentant der zweitgrößten Landeskirche in Deutschland politischen Handlungsbedarf: „Wenn der deutsche Bundestag auf der Basis des Parlamentsbeteiligungsgesetzes den Auslandseinsatz der Bundeswehr mandatiert, dann sollte in Zukunft über die gesetzlichen Notwendigkeiten hinausgegangen werden. In dem Beschluss des Bundestages sollte es eine militärische Mandatierung für die Bundeswehr und eine ,zivile Mandatierung‘ für deutsche Nichtregierungsorganisationen geben. Beides sollte klar beschrieben und gegeneinander abgegrenzt, auch die damit verbundenen Kosten sollten ausgewiesen werden. Das Missverhältnis zwischen den Summen, die für den militärischen und die für den zivilen Einsatz aufgebracht werden, sollte wenigstens deutlich werden.“

Eine Auseinandersetzung von Schneider mit den Positionen der EKD-Vorsitzenden Margot Käßmann – deren Stellevrtreter der rheinische Präses ist – zum Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan findet sich auf den Internetseiten der EKiR hier.

NEU: Im Internet kann man jederzeit noch einmal in Ruhe anhören, was der Präses zum Krieg in Afghanistan und der wachsenden Armut von Kindern gesagt hat. Im O-Ton hören, was die Leitvorstellung „Missionarisch Volkskirche sein“ konkret heißt – der Audio-Service auf der Homepage der Evangelischen Kirche im Rheinland macht es möglich, einen lebendigen Eindruck von den Beratungen der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland zu bekommen. Alle Audio-Beiträge hier.

Glaube zaubert nichts weg
Im christlichen Glauben sei die Kraft zu finden, mit der Menschen ihr Leben auch angesichts der „Schrecken der Welt“ meistern können: „Christlicher Glaube zaubert die Schrecken dieser Welt und die Schrecken unseres Lebens nicht einfach weg. Christlicher Glaube ist nicht ,Opium fürs Volk‘. Er benebelt unsere Sinne nicht so lange mit frömmelndem Geschwätz, bis uns alle Schrecken dieser Welt unbedeutend und klein vorkommen“, betonte Präses Nikolaus Schneider gleich zu Beginn seines jährlichen „Berichtes über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse“.
Der Glaube nehme die Schrecken des Lebens ernst, aber: „Als Glaubende bleiben wir uns in allen Bedrängnissen der Liebe Gottes gewiss. Unser Glaube schenkt uns die Kraft, den Schrecken der Gegenwart offen ins Auge zu sehen und – auch gegen den Augenschein – auf Gottes Zukunft zu setzen.“

Erschreckendes Ausmaß der Armut von Kindern
Mit Blick auf die Armut von Kindern in unserem Land, die erschreckende Ausmaße angenommen habe, erklärte Schneider: „Kinderfreibeträge bei der Steuer sorgen dafür, dass Kinder reicher Eltern von uns allen mit Hilfe der Finanzämter mehr Geld für ihr Leben, vor allem für ihre Bildung und Ausbildung zur Verfügung haben als Kinder der Eltern, deren Erziehungs- und Bildungsbemühungen durch Kindergeld gefördert werden. Schon durch diese Systematik entsteht ein Chancennachteil. Es geht diesen Kindern aber deutlich besser als den Kindern der Eltern, die von ,Hartz-IV‘ leben. Denn das Kindergeld wird gegen die Grundversorgung aufgerechnet.“
Um die Chancengleichheit benachteiligter Kinder zu fördern, „muss der Löwenanteil des Geldes in betreuende, fördernde und begleitende Erziehungssysteme fließen. ,Gerecht‘ nach biblischen Maßstäben wäre es, wenn die Kinder armer Eltern dabei besonders gefördert würden“, unterstrich Schneider. Kommunen müssten ihre Kräfte zur Krisenintervention durch geeignete Maßnahmen zur Prävention ergänzen. „Dazu brauchen sie natürlich auch hinreichende finanzielle Mittel. Das sei ergänzend gesagt und ist bei jeder Steuerreform zu bedenken! Ein Hoffnungszeichen sehe ich darin, dass die Bürgermeister armer Kommunen endlich ihre Stimme erheben und eine Stadt wie Wuppertal ein Aktionsbündnis mit dem Namen ,Wuppertal wehrt sich‘ hat.“

Besorgt über die Lage in Israel und Palästina
Besorgt äußerte sich Schneider zur Lage in Israel und Palästina: „Eine Perspektive für den Weg zu einem Frieden kann ich in der aktuellen Politik Israels und Palästinas nicht erkennen. Die Radikalen beider Seiten setzen auf Sieg und Unterwerfung bzw. Vertreibung.“ Permanentes Unrecht, ständige Demütigungen, sowie latente und manifeste Gewalt seien kaum zu überwindende Hindernisse auf dem Weg zum Frieden: „Meine besondere Verbundenheit mit Israel lässt mich über das Ausmaß der von Israel ausgeübten Gewalt auch besonders erschrecken“, so der Präses, der mit weiteren Kirchenleitungsmitgliedern im Oktober das Heilige Land besucht hatte. Mit Errichtung der Mauer hätten die Selbstmordattentate aufgehört: „Aber der Verlauf der Mauer ist verbunden mit widerrechtlicher Enteignung von Land. Sie schafft ferner eine Situation, die Begegnung verhindert und Friedensarbeit enorm erschwert.“

Ambivalente Bilanz bei der Ökumene
Eine ambivalente Jahres-Bilanz zog der rheinische Präses beim Thema Ökumene. Ökumenische Weggemeinschaft gehöre zu den Zeichen der wahren Kirche Jesu Christi. Es bleibe als Verheißung die von Jesus selbst an Gott formulierte Bitte, „eins zu sein, damit die Welt glaube“. Schneider wörtlich: „Die theologische Begründung und kirchenpraktische Pflege dieser Gemeinschaft ist unverzichtbarer Teil kirchlichen Lebens. Davon wird uns auch manches ,Gedrängel um den Thron Christi‘ nicht abhalten.“ Die Weggemeinschaft mit der römisch-katholischen Schwesterkirche pflege die rheinische Kirche „am intensivsten zwischen den Kirchengemeinden. Wir erleben dabei nicht nur die Überwindung trennender Gräben oder gegenseitige Ermutigung und Stärkung. Wir leiden manchmal auch an einer einseitigen Profilierung auf Kosten und zu Lasten der jeweils anderen. Und manche Kirchengemeinden klagen zu Recht darüber, dass gewachsene ökumenische Traditionen wieder zurück geschnitten werden.“

Doch es gab auf dieser Landessynode auch zuversichtliche Stimmen zur Ökumene – so etwa vom Bischof der Alt-Katholiken, Joachim Vobbe: „Wir lassen uns nicht mehr von einander trennen, uns einmal Erreichtes nicht mehr nehmen“, betonte Vobbe, der 2010 zum letzten Mal vor seiner Pensionierung ein Grußwort an die rhenische Synode richtete..

Weitere Themen
„Kreuzestheologie ist Hoffnungstheologie“, sagte der Präses im Blick auf die Diskussion um Christi Sühnetod. Obwohl gut vorbereitet, sei der UN-Klimagipfel in Kopenhagen ein „Desaster“ gewesen, das nicht schönzureden sei. Außerdem machte der Präses der Synode deutlich, dass die Verschuldung der Kommunen und Kreise bedrohlich sei. Auf „konstruktive Weiterentwicklungen“ setzt der Präses im Blick auf Fragen beim Auswahlverfahren für Pfarrstellenbesetzungen.
Ein „Hoffnungszeichen“ nannte Schneider das von der rheinischen Kirche unterstützte „Basic Income Grant“ (BIG), das in Namibia als Instrument zur Armutsbekämpfung eingesetzt wird. Als erfreulich bezeichnete er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Sonntags.

Der gesamte Präsesbericht (44 Seiten als pdf-Dokument) ist im Internet hier nachzulesen.

Zweites Thema: Umsetzung der beschlossenen Sparmaßnahmen
Der Vizepräsident der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christian Drägert, berichtete über die Umsetzungen der auf der außerordentlichen Landessynode 2006 beschlossenen Sparmaßnahmen . Damals waren Einsparungen von 20 Prozent bis 2012 gegenüber dem Haushalt 2006 beschlossen worden. Insgesamt, so führte Drägert aus, laufe die Umsetzung der Spar- und Strukturmaßnahmen planmäßig. Doch es „wird immer deutlicher, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um die Evangelische Kirche im Rheinland auf die nächsten Jahrzehnte vorzubereiten“. Er verwies auf die demografische Entwicklung und die absehbare negative Kirchensteuerentwicklung. Denn die „bis 2012 zu erzielenden Maßnahmen reichen schon jetzt nicht mehr aus, um einen ausgeglichenen Haushalt auf landeskirchlicher Ebene herzustellen“, warnte er. So müsse geklärt werden, welche Aufgaben in Zukunft durch die landeskirchliche Ebene wahrzunehmen seien und wie die Aufgaben zuzuordnen seien, um die Erfüllung kreiskirchlicher Aufgaben sicherzustellen. Man müsse ebenso die Verteilung von Aufgaben zwischen Kirchenkreisen und Landeskirche überdenken und gegebenenfalls Finanzströme anpassen, betonte der leitende Jurist.
In Bezug auf die Umorganisation des Landeskirchenamtes im Februar 2009 räumte er „Detailschwierigkeiten“ ein, betonte jedoch, dass die „Rückmeldungen überwiegend positiv“ seien. Aus seiner Sicht „ist die Umstrukturierung alles in allem gut gelaufen“. Im Frühjahr ist eine externe systematische Auswertung der Umorganisation geplant. Und: „Es geht weiter.“ Der Stellenplanentwurf 2010 sieht 254 Stellen, von denen 33 nicht wieder besetzt werden. Ziel ist ein Personal-Soll von 221 Stellen. „Hier ist wirklich keine Luft mehr. Weitere Personaleinsparungen setzen die Einschränkung oder Beendigung von Aufgaben voraus.“
Im Bildungsbereich, also bei Schulen und Internaten, hatte die Landessynode 2006 beschlossen, 4,5 Millionen Euro zu sparen. Hier wurde inzwischen in der Verwaltung in „erheblichem Maße Personal reduziert.“ Drägert verwies auf die Gründung der Schulstiftung und darauf, dass Verwaltungsleiter mittlerweile nicht mehr nur für eine Schule zuständig sind. In diesem Jahr werde ein Konzept fertig gestellt, wie die verbliebenen Internate kostendeckend arbeiten können.

Text: EKiR
Foto(s): EKiR