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Von der Formosa-Straße an den Rhein

Der evangelische Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch unterhält mehrere internationale Partnerschaften: Erst vor wenigen Monaten waren Vertreter von Partnergemeinden aus dem Kongo, aus Brasilien und Taiwan zu Besuch. Jetzt verbrachte eine Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus dem Kirchenkreis Khaosiung in Taiwan zwei Wochen bei Gastfamilien in der Evangelischen Kirchengemeinde Porz.


Die nächste Generation ins Boot holen
„Wenn die Partnerschaften weitergehen sollen, brauchen wir die junge Generation. Ich finde es wunderbar, dass wir die jetzt hierhin kriegen,“ freute sich Andrea Vogel, Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, als sie die Gruppe im Gemeindehaus der Porzer Lukaskirche besuchte. Diesen Abend im vollen Programm, das die Gruppe gemeinsam mit ihren jungen deutschen Gastgebern absolvierte, hatte sie sich ausgesucht, weil die Jugendlichen Bilder aus ihrem Leben in Taiwan zeigten. Statt touristischer Ansichten gab es Fotos vom Alltagsleben aus taiwanesischen Schulen und Universitäten, aus den Wohnvierteln der Gäste und immer wieder aus ihren Kirchengemeinden: Die Bilder zeigten die Besucher in ihren Jugendgruppen, bei Geburtstagsfeiern und Sonntagsgottesdiensten und bei Missionsprojekten auf Bali. Zu Weihnachten schickt man anderen Gemeinden selbstgedrehte Filme und singt „Stille Nacht“ auf Mandarin.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede
„Wir haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede“ ist sich Pfarrer Joseph/Ming Che Kuo sicher. Er und seine Frau Pisuy Losing logieren bei Simon Jonas, dem Jugendleiter der evangelischen Kirchengemeinde Köln-Porz, und dessen Frau Gabriele. „The cathedral“ nennen er und seine Frau einstimmig auf ihre Frage, was ihnen im Köln bisher am besten gefallen hat. „So alte Kirchen haben wir in Taiwan nicht, die meisten sind höchstens 150 Jahre alt“. Nur etwa vier Prozent der Bevölkerung des Inselstaats mit unsicherem rechtlichen Status sind Christen – eine Diaspora, die gut zusammenhält: „Von unseren vier Prozent gehen sicher 80 Prozent sonntags in die Gottesdienste“ berichtet Joseph Kuo. Auch die altmodische Liedkultur in den deutschen Gottesdiensten fiel ihm auf: „Wir singen eher neuere Lieder und bei uns wird mehr gesungen. Vielleicht gehen in Deutschland so wenig Leute in die Gottesdienste, weil sie die alte Musik nicht mögen“. Von der Musikalität der Gäste ist auch Simon Jonas beeindruckt: „Da ist es normal, dass jeder mindestens ein Instrument spielt“, hat er erfahren. Mit einem Alter zwischen 16 und 26 sind die Gäste im Schnitt älter als ihre jungen Gastgeber, von denen sieben bereits 2009 mit ihm Partnergemeinden in Taiwan besucht haben. Vor diesem Hintergrund fiel es nicht schwer, Gastfamilien zu rekrutieren: „Statt der Jugendlichen mussten eher die Eltern überzeugt werden, dass nicht unbedingt jeder Gast ein eigenes Zimmer braucht. Wir stellen da sehr hohe Ansprüche an uns selber“, hat Jonas beobachtet.

Deutsche Spreche und kölsches Grundgesetz
Bei den jungen Gastgebern und Gästen überwog statt Ansprüchen die Neugier: „Ich dachte, die Deutschen sind kühl und streng“ lacht Sherry/Jui-Ting Lee. Die 24jährige hat Deutschland bereits während eines Studentenaustauschs in Dänemark besucht und dabei Berlin, Rostock und Bremen kennen gelernt. „In Dänemark müssen die Leute Deutsch in der Schule lernen, da kriegt man den Eindruck, dass es eine harte und schwierige Sprache ist“. Diese Stereotype, wie sie es selber nennt, hat sie schnell beiseite geworfen: „Die Deutschen sind freundlich. Sobald ein ausländischer Gast da ist, fangen alle an, Englisch zu sprechen“. Von ihrem Gastgeber hat sie sogar das „kölsche Grundgesetz“ gelernt und besonders gut gefällt ihr das elfte Gebot: „do laachste dech kapott“.

Besuche und ein Geschenk von der Superintendentin
Ansonsten hat die Gruppe seit dem 24. Juli in Köln und Region ein volles Programm absolviert: Besuche im Dom, im Brauhaus „Früh“ und in der Brauerei Sünner waren Pflicht, kölsche Lieder wurden mit den Gastgebern geschmettert und die Gruppen „bekochten“ sich gegenseitig. In einem Sprachworkshop lernten beide ein paar Brocken Deutsch und Mandarin voneinander und auch über das Christ-Sein im jeweiligen Land tauschte man sich aus.
„Alles interessant – aber ein weniger volles Programm wäre auch gut gewesen“ findet Tim Horschmann. Der 16-jährige ist seit seiner Konfirmation in der Gemeinde aktiv und hat die 17-jährige Maggie bei sich aufgenommen: „Meine Mutter hat jetzt etwas mehr Stress, aber sie war auch sehr neugierig auf unseren Gast“.
Das nicht-touristische Programm mit Museumsbesuchen und Workshops zur Landeskunde war Bedingung für Zuschüsse von der Stadt Köln und der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugendlicher (AEJ). Ein kostspieliges Vergnügen blieb es wegen der hohen Flugkosten für Pfarrer Joseph Kuo und seine Gruppe trotzdem, mit einem Scheck über 1.000 Euro aus der Gemeindekasse konnte Jonas da ein wenig Unterstützung leisten. Da traf es sich gut, dass auch Andrea Vogel noch einmal einen Scheck über 3.000 Euro für Reisekosten im Gepäck hatte, der aus Mitteln des Fachausschusses für Ökumene und Weltmission stammte.



Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): v. Czarnowski