You are currently viewing Bildung verbindet

Bildung verbindet

Der Reformator Philipp Melanchthon wirkte als Schulgründer und Universitätsdozent, Bewunderer nannten ihn auch „Praeceptor Germaniae“, Lehrer Deutschlands. Das Motto „Bildung für Alle!“, unter dem eine Kampagne der Melanchthon-Akademie zum Melanchthon-Jahr steht, scheint da nur logisch. Unter diesem Vorzeichen präsentierte die Akademie jetzt alte und neue Bildungsprojekte.
„Unsere Kinder werden doof gemacht“ konstatierte Didi Jünnemann zu Beginn der Präsentation des neuen Bildungsprogramms kabarettistisch korrekt. Die Politik fordert mehr Bildung, die Umsetzung bleibt den Bürgern überlassen. Dass Bildung dabei nicht trockenes Pauken bedeuten muss, belegte Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie, mit mehreren ernstgemeinten Sprach-Spielen: So ist das Wort „Bildung“ im Hebräischen mit dem Geschmack des „süßen Dattelsafts“ verbunden, das lateinische „eruditio“ bedeutet wortwörtlich die „Ent-Rohung“.

Lust am Lesen und Lernen durch Mentoren
Lustbetontes Lernen soll auch das von Jünemann unterstützte Projekt „Lesementoren“ fördern. Diese Initiative der Freien Volksbühne Köln, die auch von der Melanchthon-Akademie gefördert wird, qualifiziert ehrenamtliche Lesementoren, die einzeln oder in Kleingruppen mit Schülerinnen und Schülern außerhalb der Schulstunden arbeiten. Dabei, so Stefan Lieser von der Volksbühne Köln, geht es ausdrücklich nicht um „verkappte Nachhilfe“. Vielmehr soll die Lust am eigenen Lesen und Lernen geweckt werden. Immerhin 300 Lesementoren sollen bis zum Beginn der Herbstferien vom Verein qualifiziert sein. „Für eine große Stadt wie Köln ist das ein Anfang, mehr nicht“ betont Lieser dazu. Persönlich hält Lieser mindestens 1.500 Mentoren für nötig, Bedarfsmeldungen liegen bereits von rund 550 Schülerinnen und Schülern an 60 Schulen vor. Weitere ehrenamtliche Mentoren, die eine Schulung durchlaufen, sind also herzlich willkommen (siehe Terminhinweis unten). Bildung bedeutet hier auch Zuwendung statt reiner Wissens- und Kompetenzvermittlung: „Ich bin betroffen, wenn ich höre, dass ein Kind sagt ‚endlich nimmt sich einmal jemand eine Stunde Zeit für mich'“.

Theologische Laien „STARK“ machen
Ehrenamtler zu qualifizieren ist auch eines der Ziele des theologischen Studiengangs, den die Melanchthon-Akademie seit 1998 unter dem Namen „STARK“ (Studium an der Akademie: Theologie) anbietet: „Die Kirche braucht immer mehr Ehrenamtler“ konstatiert Bock. Allerdings empfinden zum Beispiel Presbyter oder Mitarbeiter von Kindergottesdiensten es nicht selten als Mangel, zu wenig über Bibeltexte, theologische Fragen und Antworten zu wissen. Außerdem haben viele Menschen schlicht Lust, sich theologisch auszutauschen und ihre eigenen Erfahrungen einzubringen. Diese Lücke soll der Laienstudiengang „STARK“ an der Melanchthon-Akademie schließen helfen. Interessierte können in Wochenendseminaren und durch Selbststudium zu Hause theologisches Wissen erwerben und mit einem Zertifikat abschließen. Ebenso wichtig ist der Austausch: „Die Melanchthon-Akademie will eine Schnittstelle schaffen, wo Erwachsene Fragen stellen können wie ‚die Kinder‘: Neugier und Wissensdurst sind erwünscht“. Der Name soll Programm sein: „Theologie ist kein Herrschaftswissen“, so Bock. „Die Menschen sollen sich gegenseitig stark machen und wissen, dass sie Theologie treiben können“. Seit 1998 haben rund 150 Menschen den Kurs durchlaufen.

Lernen vom und durch das Anders-Sein
Die Gemeinsamkeit betont auch ein Projekt, das die Pfarrerin Dorothee Schaper auf den Weg bringen will: 2011 plant sie eine Werktstatt zum Thema „Inklusion“, dem gemeinsamen Lernen und Arbeiten von Menschen mit und ohne Behinderungen. Weiter gefasst bezeichnet der Begriff auch die soziale Inklusion, also eine Gesellschaft, in der jeder Mensch, ungeachtet seiner Herkunft oder gesundheitlichen Verfassung in seiner Individualität akzeptiert wird und teilhaben kann. Angesprochen sind Eltern, Lehrkräfte und interessierte Bürgerinnen und Bürger. „Gemeinsamen Unterricht für behinderte und nichtbehinderte Kinder gibt es bereits an Grundschulen und weiterführenden Schulen“ betont Schaper. Die UN-Kommission für Menschenrechte fordert jedoch mehr. Zu Jahresbeginn erschien eine Publikation der UNESCO unter dem Titel „Inklusion: Leitlinien für die Bildungspolitik“ erstmals in deutscher Sprache. „Inklusion“ steht hier für die Vision eines Bildungssystems, das allen Menschen Zugang zu hochwertiger Bildung ermöglicht. „Wir wollen mit Eltern, Lehrern und Interessierten darüber nachdenken, weiterdenken und konkretes Handwerkszeug ermitteln“ hofft Schaper. In die gleiche Richtung geht auch das Prinzip „Eine Schule für alle“. „Es geht dabei nicht um Gleichmacherei, sondern darum, vom Anders-Sein des Anderen zu profitieren“. Studien, so Schaper, hätten ergeben, dass hochbegabte Kinder auch Lernerfolge hätten, wenn sie sich mit Kindern auseinandersetzen, die ein Handicap haben. In die gleiche Richtung geht ein Hörspielprojekt, auf das der Studienleiter Joachim Ziefle verwies: Gemeinsam mit der Opernwerkstatt am Rhein sollen in der Melanchthon-Akademie Behinderte und Nichtbehinderte ein Hörspiel unter dem Titel „20 Emotionen“ produzieren und vorführen.

„Helle Köpfe“ für Melanchthon
Kulturdezernent Georg Quander hat es getan, Oberbürgermeister Jürgen Roters ebenfalls: Ihre Porträts bilden einen der Pixel, aus denen sich ein digitales Melanchthon-Porträt zusammensetzt, das die Akademie unter http://www.zwischenton.de/melanchthon veröffentlicht hat. Ergänzen können Teilnehmer ihr Porträt auf Wunsch durch ihr persönliches Statement zum Thema „Bildung“. Weitere Zusendungen sind ausdrücklich erwünscht.
„Die Idee dazu entstand, als wir überlegten, wie man die Menschen besser einbinden kann“ berichtet Joachim Ziefle von der Melanchthon-Akademie. Schon zu Jahresbeginn verteilte die Akademie Postkarten an Kölner Bürger mit der Aufforderung, ihnen ein Porträt mit Statement zu schicken.

Veranstaltungen in nächster Zeit:
„Bildung für alle – Lesementoren für Köln“ – Informationsveranstaltung für Interessierte mit Didi Jünnemann, Biggi Wanninger, Stadtsuperintendent Rolf Domning und Astrid Völker von der Freien Volksbühne Köln am Mittwoch, 15. September, von 16 bis 18 Uhr in der Melanchthon-Akademie, Kartäuserwall 24b, Anmeldung telefonisch unter 0221/ 93 18 03-0.

„Klasse(n)leben – oder Inklusion in der Schule“ am Donnerstag, 30. September, von 18 bis 20 Uhr im Haus der Evangelischen Kirche, Kartäusergasse 9-11, Anmeldung telefonisch unter 0221/ 33 82-274 mit Dorothee Schaper und Dr. Rainer Lemaire. Vorher, von 16 bis 18 Uhr „Bildung für alle – Inklusion konkret“, Vortrag mit Referentin Rahaela Finke.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Annette von Czarnowski