Viele Kölner und Kölnerinnen haben seit Februar Geflüchtete aus der Ukraine in ihren Wohnungen und Häusern aufgenommen. Mit ihren Fragen nach Unterstützung und den Herausforderungen des Zusammenlebens unter einem Dach wurden sie lange weitestgehend alleine gelassen. Das „Diakonische Werk Köln und Region“ bietet seit August eine entsprechende Beratung im „Fachdienst Migration“ an. Die Beratungsstelle ist entstanden auf Initiative des Arbeitskreises Migration und wird finanziert von der Diakonie, dem Kirchenkreis Köln-Mitte sowie der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Nippes und der Evangelischen Nathanael-Kirchengemeinde Köln-Bilderstöckchen. Die Beratungsstelle versteht sich als Anlaufstelle für Gastgebende, die praktische Anliegen haben unter anderem zu Aufenthalt, Wohnung, Arbeit, Finanzen und Schule, aber auch psychosoziale Fragen hinsichtlich des Zusammenlebens. Die Sozialarbeiterin und Projektleitung Saphira Liesendahl bietet Informationen und Kontakte und baut ein Netzwerk für gegenseitige Unterstützung auf. Ein Interview mit Saphira Liesendahl:
Wie viele Kölner:innen haben seit Februar Geflüchtete aus der Ukraine in ihren Wohnungen und Häusern aufgenommen? War dies gerade am Anfang sehr wichtig, oder ist dies weiterhin in einem fortlaufenden Prozess wichtig?
Saphira Liesendahl: Seit Februar wurden in Köln ca 2/3 der Geflüchteten aus der Ukraine von Gastgebenden aufgenommen. Die genauen Zahlen schwanken, das Verhältnis ist aber gleichbleiben. Im November meldet die Stadt, dass über 8000 privat untergebracht sind. Die Städtischen Unterkünfte sind an ihre Kapazitätsgrenzen angelangt. Ohne die vielen engagierten Menschen, die ihre Häuser und Wohnungen geöffnet und so viel Zeit und auch Geld investiert haben und immer noch investieren, stände die Stadt Köln vor einem kaum lösbaren Problem.
Wie wird die Beratungsstelle angenommen?
Saphira Liesendahl: Eine Anlaufstelle und Beratung für die sehr engagierten Gastgebenden ist enorm wichtig. Von Gastgebenden bekomme ich die Rückmeldung, dass sie sehr dankbar sind, sich hierhin wenden zu können. Auch andere Initiativen und Engagierte profitieren davon, dass ich als Ansprechpartnerin für Fragen und Vernetzung zur Verfügung stehe.
Die Beratungsstelle für Gastgebende von Ukraine-Geflüchteten berät zu Fragen zu Herausforderungen des Zusammenlebens unter einem Dach. Was sind hier Fragen, die besonders oft kommen?
Saphira Liesendahl: Die meisten Fragen beziehen sich tatsächlich mehr auf praktische Themen. An erster Stelle stehen da die steigenden Energiekosten. Für viele Gastgebenden hat sich der Haushalt verdoppelt und finanziell gibt es keine Unterstützung für die dadurch entstanden Mehrkosten. Bezüglich des Zusammenlebens gibt es manchmal Unsicherheiten, die geklärt werden müssen: Wieviel Unterstützung muss ich geben? Muss ich mir Sorgen machen, wenn unsere Gäste selten ihr Zimmer verlassen? Warum zeigen sie mir nicht ihre Papiere von den Ämtern, ich kann doch helfen… Mir ist es wichtig, für individuelle Freiräume zu werben und nochmal aufzuzeigen, dass erwachsene Menschen auch in schwierigen Lebenslagen eigene Entscheidungen treffen dürfen und sollen. Die gesamte Bandbreite der Gesellschaft ist geflüchtet. Bedürfnisse und individuelle Vorlieben sind sehr unterschiedlich, dürfen aber sein. Ein weiteres Thema sind traumatische Erfahrungen. Viele Gastgebende haben Bilder aus Butcher gesehen, bevor diese in den Medien gezeigt wurden. Da darf man sich auch abgrenzen und professionelle Hilfe für die Gaste suchen.
Was sind die Ziele der Beratungsstelle?
Saphira Liesendahl: Es gibt zwei große Ziele, die mir wichtig sind. Mir ist es wichtig die Gastgebenden so gut wie möglich zu unterstützen und zu beraten. Sowohl als Gesprächsgegenüber als auch als Vermittlerin in einem großen Netzwerk von Ehrenamtlern, um darüber hinaus zu unterstützen. Das zweite Ziel ist, immer wieder mit Politik und Verwaltung im Gespräch zu sein, um die Anliegen und Schwierigkeiten der Gastgebenden zurückzumelden. Ich wünsche mir sehr, dass den Gastgebenden mehr Unterstützung und auch finanzielle Hilfe geboten wird.
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Foto(s): Internetseite diakonie-koeln.de/Privat