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Beim diesjährigen Jahresempfang des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region diagnostizierte Referent Dr. Thomas Gesterkamp eine „Krise der Kerle“

Bestens gelaunt begrüßte Stadtsuperintendent Ernst Fey die „lieben Brüder und Schwestern“ beim Jahresempfang des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region zu Beginn des neuen Kirchenjahres in der Kartäuserkirche. Stellvertretend für die „Schwesterkirche“ hieß er Prälat Rainer Fischer und „für Politik und Gesellschaft“ Bürgermeisterin Angela Spizig willkommen. Die Männer standen im Mittelpunkt des Jahresempfangs. Als Referenten hatte man den Soziologen und Autor Dr. Thomas Gesterkamp gewonnen, der zum Thema „Männer (und Frauen) im Aufbruch. Das Geschlechterverhältnis – ein evangelisches Zukunftsthema“ sprach. Fey erinnerte an den Forschungsbericht „Männer im Aufbruch“, den beide großen christlichen Kirchen vor rund zehn Jahren in Auftrag gegeben hatten. Eine ähnlich umfangreiche Befragung wollen die beiden Kirchen im kommenden Jahr erneut durchgeführen.



Luthers Verhältnis zu Kindern
„Wir wollen unsere gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, daran mitzuwirken, Frauen und Männern zukunftsfähige Modelle eines gleichberechtigten und gleichverantwortlichen Zusammenlebens zu ermöglichen“, sagte Fey. Der Stadtsuperintendent zitierte Luther, der sich vor seiner Hochzeit mit Katharina von Bora eher abschätzig über den Ehestand äußerte. Jahre und sechs Kinder später betonte er dagegen, dass auch Windeln waschen und Kinder wiegen „mit göttlichem Wohlgefallen wie mit dem köstlichsten Gold und Edelsteinen geschmückt sind!“

Chancengleichheit konkret
Bürgermeisterin Angela Spizig räumte in ihrem Grußwort ein, dass man bei all dem feministischen Einsatz zur Förderung von Frauen aufpassen müsse, dass „die Jungen nicht zu kurz kommen“. Bisher habe man bei Begriffen wie „Chancengleichheit“ und „Gleichberechtigung“ immer nur an die Beseitigung von Ungleichheiten gedacht. Es gelte aber, in Zukunft die Perspektive des Geschlechterverhältnisses zu verankern. Konkret bedeute das, beispielsweise den städtischen Haushalt darauf zu prüfen, welche Ausgaben reinen Männer- oder Fraueninteressen dienten. Und auf Kinderspielplätzen stünden meist Spielgeräte für Jungen, die Bedürfnisse von Mädchen fänden wenig Beachtung.

„Krise der Kerle“
Gesterkamp diagnostizierte eine „Krise der Kerle“. Die zunehmende Zahl von gut ausgebildeten, berufstätigen Frauen, die unabhängig von ihren Partnern werden, sei „der wichtigste gesellschaftliche Wandel seit der Industriealisierung“. Vor allem schlecht qualifizierte Männer reagierten mit Irritation auf die wachsende weibliche Autonomie in Arbeitswelt und Privatleben. In der Männerstudie der Kirchen hätte sich ein Drittel der Befragten als „verunsichert“ eingestuft. Gesterkamp lobte CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen, die mit ihrem Einsatz für das Elterngeld, für die Vätermonate und den Ausbau der Krippenbetreuung für zeitgemäße Ansätze gesorgt habe, auch gegen Widerstände in der eigenen Partei.

„Den Rollenwandel begleiten“
In der Gegenwart sei es wenig hilfreich, Männer in ihren alten Geschlechterbilden als Ernährer, Bestimmer und Beschützer zu bestätigen, sagte Gesterkamp weiter . „Heute geht es eher darum, einen Rollenwandel zu begleiten, die traditionelle, rein sachorientierte Männlichkeit in Frage zu stellen und fürsorgliche Funktionen etwa des Vaterseins herauszustellen und zu unterstützen.“
Er prognostizierte die Verschärfung von Konflikten zwischen beruflichen und privaten Interessen. Gar nicht oder geringfügig arbeitende Mütter riskierten, ihre Verankerung im Berufsleben zu verlieren. Arbeitsfixierte Väter zahlten den Preis, in ihrem Privatleben, in ihren Kontakten zu ihrer Partnerin und ihren Kindern zu verkümmern. Es gelte, eine Balance von Beruf und Privatleben zu ermöglichen: „Familien brauchen Zeit. Deshalb kann es nicht darum gehen, private Verpflichtungen in der Arbeitswelt weitgehend unsichtbar zu machen.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann