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„Aus dem Vollen schöpfen“ – Der Jubiläums-Frauentag

Aus dem Vollen schöpften die Frauen im Kirchenkreis Köln-Süd. Denn unter diesem Motto feierten am 26. Januar rund 140 Frauen den 20.Geburtstag des Frauentages im Berufsförderungswerk der Diakonie Michaelshoven in Sürth.

Wie alles begann
Die erste Superintendentin der rheinischen Landeskirche, Hannelore Häusler, hatte den Frauentag 1994 ins Leben gerufen. Unter der Überschrift „Ich nehme mir Zeit“ waren alle Frauen aus den Gemeinden eingeladen, sich zu treffen, auszutauschen, zu vernetzen und Neues kennenzulernen. Dazu hatte ein Vorbereitungsteam mit Frauen aus verschiedenen Einrichtungen des Kirchenkreises, der Familienbildungsstätte, des Amtes für Presse und Kommunikation und der evangelischen Beratungsstelle des Kirchenverbandes ein buntes vielfältiges Programm zusammengestellt. Am Vormittag gab es "Kulturelles" für alle, am Nachmittag Workshops mit theologischen, psychologischen, musischen und künstlerisch-kreativen Schwerpunkten. Dazwischen war genug Zeit für Austausch und Gespräche. Den Abschluss bildete ein gemeinsamer Gottesdienst. Konzipiert war das Programm für Frauen zwischen 20 und 90 Jahren, Kinderbetreuung wurde angeboten. Seither hat sich das Grundkonzept des Frauentages nicht geändert, und auch der Termin ist gleich geblieben: Jedes Jahr, am letzten Samstag im Januar, findet der Frauentag des Kirchenkreises Köln-Süd statt.

Noch immer aktuell
Vor mehr als zehn Jahren übernahm Pfarrerin Almut Koch-Torjuul aus Frechen die Gesamtorganisation des Frauentages. Ihr zur Seite steht ein achtköpfiges Team aus ehrenamtlichen und hauptamtlichen Frauen. Das Konzept hat sich bis heute bewährt und zog so viele Frauen an, dass der Platz in den Gemeinderäumen bald nicht mehr ausreichte. Seit einigen Jahren hat der Frauentag ein festes Domizil im Berufsförderungswerk Michaelshoven gefunden. Die Diakonie stellt die Räume kostenlos zu Verfügung. War der Frauentag anfangs ein Angebot für Gemeindefrauen, so kommen inzwischen immer mehr Frauen, die nicht in der Gemeinde organisiert sind, „das sind Frauen die selbstständig für sich auf der Suche sind, Interesse haben und das Angebot für sich nutzen möchten“, hat Almut Koch-Torjuul beobachtet. Eingeladen sind alle interessierten Frauen. „Unser Nahbereich ist natürlich der Kirchenkreis Köln-Süd, und da gibt es auch ganz treue Besucherinnen, die kommen jedes Jahr, und eine sagte eben zu mir: 'Das ist wie nach Hause kommen'.“ Gut mischen sich bei dem Frauentag auch alt und jung. Zugegeben, ganz junge Frauen unter 30 gibt es nur vereinzelt, es überwiegen ältere Damen zwischen 50 und 80, „aber die Besucherinnen um die 40 holen in den letzten Jahren vermehrt auf", bemerkt Almut Koch-Torjuul.

Intelligent, bunt und vielfältig…
… ist das Programm des Frauentages seit 20 Jahren. Zum Jubiläum gab es mehr als ein halbes Dutzend Workshop-Angebote, da war für jeden etwas dabei: Die Frauen konnten eine eigene Band gründen, die den Gottesdienst begleiten sollte. Sie hatten Zeit zum Tanzen und konnten sich mit biblischen Psalmen und Texten beschäftigen. Im Clownerie-Workshop liefen sie mit roten Pappnasen herum, stießen glucksende Laute aus und lachten sich über sich selbst kaputt. Sie konnten eigene schöpferische Quellen entdecken und „lebendig und kräftig und älter“ aus dem Vollen schöpfen.

Kabarett aus Stuttgart
Adele Seibold alias Dr. Gisela Matthiae staunte über die Anzahl der anwesenden Frauen, als sie in Kostüm, mit Hut und Walking-Stöcken die Bühne betrat. Die Theologin und Kabarettistin brachte die Frauen zu Beginn des Frauentages mit ihrem clownesken Kabarett so richtig in Schwung und löste begeisterte Lachsalven aus. Ihre Protagonistin "Adele Seibold" war von Stuttgart nach Köln gewalkt und verkündete stolz das Ergebnis ihres Gesundheitschecks: „EEG und EKD – alles gut.“ Gekonnt und augenzwinkernd mischte sie Geschichten aus dem kirchlichen Gemeindeleben mit Beobachtungen aus dem Alltag. So kommentierte sie den neuen Trend zum Pilgern als „Fit durch Religion – fromm durch Sport“ und ermunterte als waschechte Schwäbin die Frauen „wenn sie mich nicht verstehen tun, heben sie's Händle“.

Gemeinde ohne Frauenpower – undenkbar!
Als gestandene Gemeindefrau ist Adele Seibold der Meinung, dass die Kirche ohne Frauen schon längst nicht mehr da wäre: Sie stricken Socken für den Basar, backen Kuchen fürs Gemeindefest und halten den Laden am Laufen. Unverzichtbar sind sie für das Gemeindeleben, früher waren sie jedoch eher unsichtbar. Jetzt, da schon 30 Prozent Frauen in den kirchlichen Gremien vertreten sind, fühlen die Männer sich bedroht – meint Adele Seibold: „Jetzt haben's g'merkt, dass wir da sind“. Wohin das bloß noch führen soll mit der vereinten Frauenpower? Geschickt jongliert die Kabarettistin mit Wortspielereien und verwandelt sich binnen Sekunden mit wenigen Accessoires in die unterschiedlichsten Frauentypen. Eine alte Lederjacke und ein neonfarbenes Haarband genügen, um aus ihr eine selbstbewusste Berliner Göre zu machen. Die freut sich, dass ihre alleinerziehende Mutter mittwochs immer zur evangelischen Frauengruppe geht, dann kann die sie unbemerkt in die Disco gehen. Als "Frau von Stade" mit Handschuhen und Kapott-Hütchen will sie mit dem Geld ihres adligen, aber untreuen Gatten eine Frauenkirche bauen, mit Fitnesscenter, theologischen Gesprächen und Stilberatung. Denn jede Frau hat „Chrysan-Themen“. Das Kabarett von Gisela Matthiae war somit ein mehr als gelungener Auftakt für diesen besonderen Frauentag, den die Gäste begeistert annahmen. Für einige von ihnen ging der Spaß am Nachmittag weiter im Clownerie-Workshop „Voll daneben ist mittendrin“ mit Gisela Matthiae.

20 Töpfe für 20 Jahre
Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums hatte das Vorbereitungs-Team um Almut Koch-Torjuul zwanzig Gefäße zusammengetragen, für jeden Frauentag eins. Da gab es zum Beispiel eine Schale mit bunten Perlen zum Thema „Mütter und Töchter“, aus dem Topf für 2004 quollen grüne Netze zum Thema „Netze knüpfen“, Stacheldraht und Kneifzange verdeutlichten das Thema von 1997 „Sprache, Gewalt, Macht“. Der 20. Topf war noch leer, darinnen befanden sich rote und blaue Zettel. Auf die roten konnten die Gäste ihre Erfahrungen mit dem Frauentag schreiben, auf den blauen ihre Zukunftswünsche. Die Ergebnisse wurden im Abschlussgottesdienst vorgestellt, der diesmal als großer Abendmahlsgottesdienst gefeiert wurde. Die Kollekte ging an ein Frauenprojekt der Vereinten Evangelischen Mission im Kongo.

Wünsche für die Zukunft
20 Jahre Erfahrung stecken im Frauentag des Kirchenkreises Köln-Süd – und was bringt die Zukunft? Das diesjährige Motto „Aus dem Vollen schöpfen“ hat angesichts fortschreitender Sparmaßnahmen in der Evangelischen Kirche auch eine leicht ironische Komponente, resümiert Almut Koch-Torjuul: „Da könnte man ja sagen: ,Oh, wir verwalten einen Mangel'. Das ist auch ein Teil der Realität. Und gleichzeitig haben wir als Vorbereitungsteam gedacht: ,Ja, aber was wir hier trotzdem erleben und auch immer wieder initiieren, ist eben doch immer Fülle.' Gerade durch die Frauen, die hierher kommen und sich einbringen, kommt ganz viel zustande, da ist viel Esprit und Kreativität und man erlebt erstaunliche Dinge. Da ist eben doch eine Fülle und das wollen wir uns auch nicht ausreden und nehmen lassen und möchten das auch als Hoffnungszeichen gegen den Trend setzen.“ Für die Zukunft wünscht sie sich, dass jüngere Frauen den Ball auffangen und für sich Formen entwickeln „und dass Frauen auch merken, das sind Errungenschaften, Freiräume, die wir auch miteinander pflegen sollen, und nicht zu sagen, ach, das brauchen wir jetzt nicht mehr. Ich vertraue darauf, dass es Frauen geben wird, die auch Ideen haben und dann sehen, was zeitgemäß ist.“

Text: Jutta Hölscher
Foto(s): Jutta Hölscher