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„ARTwalk…cologne“: Ausstellungsrundgänge und Konzerte an drei Orten in Köln-Ehrenfeld unter Beteiligung der evangelischen Friedenskirche

Zweifellos trifft die saloppe Zusammenziehung „multi kulti“ auch auf den Kölner Stadtteil Ehrenfeld zu: Menschen verschiedener Herkunft wohnen und arbeiten hier. Unterschiedliche Kulturen, Religionen und damit Lebensstile prägen den Charakter des „Veedels“. Etliche Initiativen, private wie städtische, sind bemüht, eine auch dort durchaus bestehende Fremdheit abzubauen, Integration und das Verständnis füreinander zu fördern. In diesem Zusammenhang gibt es mit dem „ARTwalk…cologne“ jetzt ein weiteres Projekt. Einmal mehr ist es ein kulturelles Projekt. Zeitlich bis zum 14. April befristet, soll es seine Wirkung allerdings noch lange darüber hinaus entfalten. Es beinhaltet Ausstellungen von drei Künstlerinnen und Konzerte von Sängerinnen, Sängern und Instrumentalistinnen an drei Orten in Ehrenfeld: in der (geräumten) DITIB-Moschee (Venloer Straße 160), auf deren Grundstück bald eine moderne, größere Nachfolgerin entstehen wird, in der Ganesha Yoga-Schule (Geisselstraße 8) sowie in der evangelischen Friedenskirche (Rothehausstraße 54a). Elementare Bestandteile sind – der Titel verdeutlicht es – gemeinsame Spaziergänge der Besuchenden zwischen diesen Adressen – auf verschiedenen Straßen, also öffentlichkeitswirksam durch das Viertel.

Das Aufdecken von Verborgenem im Alltäglichen
Ideengeberin von „ARTwalk…cologne“ ist Isabel Oestreich. 1969 in Peru geboren, lebt die Kunstschaffende heute in Ehrenfeld. Ihr Interesse gilt insbesondere dem Aufdecken von Verborgenem im Alltäglichen, dem Spiel mit der Wahrnehmung, der Auseinandersetzung mit verschiedenen Sichtweisen. In „ARTwalk“ möchte Oestreich mittels bildender Kunst und Musik bislang unverbundene „spirituelle“ Orte vernetzen. Dadurch sollen Menschen verschiedener Kultur und Religion miteinander ins Gespräch gebracht werden. Als mit auslösend für das Projekt bezeichnet Oestreich die Auseinandersetzung um den Moscheeneubau in Ehrenfeld. Diese erreichte im September 2008 mit dem kurzfristig verbotenen „Anti-Islamisierungskongress“ der rechtspopulistischen Organisation „pro Köln“ einen traurigen Höhepunkt. Als direkte Reaktion darauf hatte sich in Ehrenfeld und der Kölner Altstadt erneut eine breite Front gegen rechte Stimmungsmache gebildet. Oestreich sieht die Kunst als Sprachrohr, Anstoß zur Kommunikation, als Vermittlerin von Kontakten. Ebenso schätzt sie die Qualität der Kunst, Fragen zu stellen. Sich das Fremde vertraut zu machen, sich ihm anzunähern – dazu soll „ARTwalk“ anregen.

Zum Beispiel… die Videoarbeit „A Waltz
Als Mitwirkende an dem Projekt hat Oestreich neben MusikerInnen zwei bildende Künstlerinnen eingeladen. Annegret Heinl und Angela Hiß wohnen ebenfalls in Köln. Das Trio stellt an allen drei Orten gemeinsam aus. „Jede von uns nimmt für sich Bezug auf den jeweiligen Raum“, erläutert Hiß, Jahrgang 1967. Bei ihrer ersten Begegnung mit der Friedenskirche empfand sie deren Innenraum als dominant. Einen Eingriff ihrerseits hielt sie für schwierig. Dann führte ihr Weg in den Glockenturm, und von diesem auf einen schmalen Steg auf dem Dachboden. Eben dort, an „eher neutraler Stelle“, installierte Hiß ihre Videoarbeit „A Waltz“. Diese zeigt am Ende eines langen Ganges, wie eine Frau von verschiedenen Männer zum Walzer aufgefordert wird. Zwar verstummt mit dem Tanz der einspielte Autolärm, ob der Enge und Zwänge der Gegebenheiten scheint sich das Vergnügen an der Bewegung aber in Grenzen zu halten.

Zum Beispiel… der „Crosslink“ in der Friedenskirche
Für Anngeret Heinl, 1946 geboren, ist die Friedenskirche ein zugleich vertrauter und unvertrauter Ort. Hier wurde sie zwar konfirmiert. „Doch nach seiner Restaurierung ist er ein total anderer, sehr besetzter Raum“, erläutert Heinl. Der zeitliche Abstand und die Neugestaltung des Ortes veranlasste sie, über die Relativität von Zeit und Veränderlichkeit von Raum nachzudenken. Heinls Eingriff „Crosslink“ erscheint klein. Gleichwohl ist er auffallend, sicht- und höhrbar. Ein im linken Raumteil gespanntes orangefarbenes Seil wird bis in den Altarraum geführt und endet dort in einen Holzkasten mit einem Bildschirm. Das auf ihm präsentierte Video „S(w)inging Line“ zeigt eine fortwährend, in ansteigendem Tempo schwingende und dadurch sich verändernde Linie – bis der von einer Klangkomposition von Chao-Ming Tung unterlegte Film von neuem beginnt. Korrespondierend dazu hat Heinl in jeder Bankreihe einen Platz „besetzt“. Belegt mittels Plexiglasscheiben, auf denen Namen von Personen stehen, „die dem Ort, der Friedenskirche verbunden waren und sind, aber persönlich nicht mehr anwesend sein können“. Heinl schafft so Quer- und Kreuzverbindungen zwischen An- und Abwesenheit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

…. und „Mysteries“
Oestreich ist in der Friedenskirche mit drei Beiträgen vertreten. Die Installation „Mysteries“ darf dabei als zentrale Arbeit gelten. Darin bezieht sie sich auf die Zahlenanordnungen der Gesangstafeln vor Ort. Zahlen ausgewählter Lieder, nämlich solcher, die das Wort Mensch im Text enthalten, hat sie auf weiße Tafeln geprägt und in einer schwebenden Formation auf die Wand gebracht, wobei deren horizontale Fugen als Notenlinien dienen.

… Gefäße und Pappelholzskulptur
Den, verglichen mit der Friedenskirche, einfach und klar gehaltenen Raum der Yoga-Schule hat Oestreich mit im Kreis angeordneten Gefäßen bestückt. Ihre gipsernen Behältnisse zeigen sich kontrastreich, außen schrundig, innen weich. Hiß präsentiert dort eine lackierte Pappelholzskulptur, in der sie das ursprünglich Kompakte, die Geschlossenheit des Materials zugunsten einer offenen, fragilen Form verändert. Heinl ist mit Folienbildern und Farbinjektionen vertreten.

… Holzskulpturen und Zeichnungen
Den Sitz der DITIB (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion) mit ihrer Moschee innerhalb eines ehemaligen Fabrikkomplexes an der Venloer Straße haben die drei Künstlerinnen gleichermaßen als einen in Auflösung befindlichen und dennoch „lebendigen“ Ort mit „sehr gastfreundlichen Menschen“ empfunden. Inzwischen ist die Räumung der Gebäude vollzogen. Anfang April wird mit dem Abriss begonnen. Bis 2011 soll an der alten Stelle die neue Moschee entstehen. Bis dahin bezieht die islamische Gemeinde an der Herkulesstraße eine Übergangsmoschee. An der Subbelrather Straße hat sie Räume für ihre Verwaltung angemietet. Zumindest für den ersten „ARTwalk“ konnten die drei Künstlerinnen noch drei frühere Unterrichtsräume für ihre Objekte nutzen. Danach wurden auch diese zur Adresse Subbelrather Straße. Auf die vor dem Auszug Buntheit und Lebendigkeit des DITIB-Sitzes reagiert Hiß mit weiteren Holzskulpturen sowie auf Reisen entstandenen Zeichnungen. „Man merkt noch das religiöse Leben, das Neue ist aber noch nicht da. Jeden Moment können die Abrißbagger anrücken“, schildert Heinl ihre Eindrücke während des Aufbaus. Der gestaltete sich für sie relativ einfach. Einziges Objekt ist eine Aktentasche. Deren Fächer enthalten Plastikbeutel mit Pigmenten in den Farben des Regenbogens. „Portable Rainbow“, tragbarer Regenbogen, nennt Heinl die gemeinsam mit dem tschechischen Kollegen Jan Steklík gefertigte, bereits weit gereiste Arbeit. In Köln ist sie erstmals zu sehen. Oestreich steuert unter anderem durch Fenster der Friedenskirche aufgenommene Fotografien bei, die die Betrachtenden aufgrund ihrer Schemenhaftigkeit und Verfremdung womöglich „in eine andere Wirklichkeit“ versetzen.

„Projekt zur rechten Zeit am richtigen Ort“
Zum Auftakt des Projekts, zum ersten „ARTwalk“ kamen gut fünfzig Interessierte zum Ausgangspunkt Friedenskirche. Nachdem sie sich den dortigen Installationen gewidmet hatten, machten sie sich geschlossen zur Yoga-Schule auf. Abschließend steuerten sie das Gelände der DITIB an, wo deren Abteilungsleiter für Bildung und Kultur, Isik Ugurlu, sowie der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Joseph Wirges die Bedeutung der Initiative unterstrichen.
Für Siegfried Kuttner, Pfarrer an der evangelischen Friedenskirche, ist es ein „Projekt zur rechten Zeit am richtigen Ort“. Ein Projekt, das die Evangelische Kirchengemeinde Ehrenfeld vorbehaltlos unterstütze. Gerade auch vor dem Hintergrund der kontroversen Debatte um den Bau einer neuen, größeren Moschee im Viertel. In seiner Predigt im Sonntagsgottesdienst hatte Kuttner vorab über den Sinn und Zweck der Veranstaltung gesprochen. Für ein gutes Miteinander sei es unerlässlich, „dass wir einander begegnen, uns kennen lernen, aufeinander zugehen, Ängste abbauen. Das ist für Ehrenfeld, für unsere Gemeinde und die DITIB lebenswichtig.“ Die Ausstellung in der Friedenskirche hält Kuttner für sehr gelungen. „Sie führt Kunst und Religion zusammen. Sie greift die Geschichte unserer Gemeinde und Kirche auf, vertieft sie. Und sie lässt Besuchende die Kirche bis hinauf zum Dachboden erkunden.“

Ausblick: Die weiteren ARTwalks folgen bald
Der zweite „ARTwalk“ findet statt am Sonntag, 5. April: Über den bei behaltenen Treffpunkt (15 Uhr) Zentralmoschee (Venloer Straße 160) führt er voraussichtlich über das Ausweichquartier Subbelrather Straße und die Friedenskirche zur Yoga-Schule. Deren Leiter Roland Weigelt begrüßt um 17 Uhr die Teilnehmenden, bevor um 17.30 Uhr das DITIB-Sufi-Ensemble konzertiert.
Der dritte und abschließende Teil startet am Gründonnerstag, 9. April, 15 Uhr, in der Yoga-Schule. Er führt über die Moschee-Adresse zur Friedenskirche. Um 17 Uhr begrüßt Pfarrer Siegfried Kuttner die Teilnehmenden. Das um 17.30 Uhr beginnende Konzert bestreiten die Cembalistin Angela Koppenwallner und Oestreich mit Bildprojektionen.
Wichtig: Der Eintritt zu den Konzerten ist kostenpflichtig. Die Ausstellungen sind bis einschließlich 14. April geöffnet. Besuchstermine außerhalb der „ARTwalks“ müssen mit Isabel Oestreich unter kontakt@artwalk-cologne.de vereinbart werden.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich