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Seid ihr noch zu retten? Margot Käßmann, Frank Schätzing und andere bei einer Diskussion über Kirche und Jugend

Am Dienstag war die Bischöfin der hannoverschen Landeskirche, Dr. Margot Käßmann, auf Einladung des Kölner Stadt-Anzeigers  – neben einem Bestseller-Autor, einem Ex-Dominikaner, einem Weltjugendtagsteilnehmer, einem Priesteramtskandidaten und einem Weibischof – zu Gast bei einer Podiumsdiskussion in Köln-Ehrenfeld, in der es unter dem Titel „Seid ihr noch zu retten?“ um die Jugend, den Papst und die Religion ging. Anna Neumann hat für die Internetseiten der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) darüber geschrieben. Hier ihr Bericht:

Die Päpstin der evangelischen Kirche in Deutschland? Das ist sie natürlich nicht. Aber sie kam vor dem Papst nach Köln: Bischöfin Margot Käßmann. „Ich weise das zurück“, erklärte Käßmann zur Bezeichnung als evangelische Päpstin Deutschlands. Und berichtete vom evangelischen Verständnis des Priestertums aller Gläubigen.

„Wir sind Papst“ – diese Bild-Schlagzeile war auch Thema der vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ organisierten Diskussion außerhalb des Weltjugendtagsprogramms. Wir sind Papst, du bist Papst – das sei „gut evangelisch“, entspreche dem evangelischen Amtsverständnis, sagte Bischöfin Käßmann. Fremd bleibe den Evangelischen allerdings die Unfehlbarkeit und die Ablassfrage, an der sich die Reformation entzündet habe. Sie ist nicht Päpstin – und sie es wie alle… „Alle Gläubigen haben teil am Amt“, erklärte Käßmann.

Gegen den Jubel
„Ich bin nicht Papst“, sagte dagegen der Bestseller-Autor Frank Schätzing („Tod und Teufel“, „Der Schwarm“), der sich als bekennender Atheist vorstellte. Er zollte „Respekt für jeden, der seinen Glauben lebt“. Und der Weltjugendtag, das „Festival“, werde hoffentlich nicht zu bierernst gefeiert.

Kritische Töne auch von dem einstigen Dominikaner und Stern-Reporter Hans Conrad Zander. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. als „begeisternde Idole der Jugend – da stimmt doch etwas nicht“, erklärte Zander. Der verstorbene Papst sei dickköpfig und reaktionär gewesen, der heutige zwanzig Jahre „Großinquisitor“, quasi „Polizist“ der Kirche gewesen. „Ich jubele doch nicht dem Polizeipräsidenten zu.“

„Frisch und jugendlich“
Dagegen hielt ein Weltjugendtagsteilnehmer und Priesteramtskandidat, sowohl Johannes Paul II. als auch Benedikt XVI. begeisterten ihn mit ihrer „Frische und Jugendlichkeit, die der Glaube schenkt“. Konkreter bitte, wurde nachgehakt. Wer glaubt, ist nicht allein, habe der neue Papst bei seiner Einführung gesagt, das finde er „sehr schön“.
Und dann drehte sich die Debatte vor mehreren hundert Zuhörerinnen und Zuhörern um die Frage, ob der Papst zu sehr im Mittelpunkt stehe, ob „Heldenverehrung“ (Schätzing) läuft. Wen sucht ihr, fragte Joachim Frank nach, Moderator der Diskussion und stellvertretender Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers. Sie suche Christus als Mitte, sagte eine Weltjugendtagsteilnehmerin. Das dürfe bei den Jugendlichen allerdings nicht wie aus einem Leierkasten kommen, sondern müsse aus dem Innersten entstehen.

„Mit den Füßen abgestimmt“
Fünf Millionen Pilger in Rom nach dem Tod von Johannes Paul II. – das sei nicht ferngesteuert, sagte Thomas Maria Renz, Rottenburger Weihbischof und Mitglied der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Da habe die Jugend „mit den Füßen abgestimmt“. Kein Leierkasten, vielmehr ein klares Zeichen, „dass junge Menschen die Botschaft haben möchten“.

Es tue gut, ein Fest zu feiern, der Kirchentag in Hannover sei „wie Weihnachten“ gewesen, sagte dazu Bischöfin Käßmann („Ich freue mich auf den Kirchentag 2007 in Köln“). Entscheidend sei aber, dass junge Menschen den Glauben in der Gemeinde und in der Familie erlebten, dass sie erfahren, „was mich trägt, in guten und in schlechten Zeiten“. Das sei die „große Herausforderung für beiden Kirchen“.

„Hartes Brot“
Fünf Millionen in Rom, aber sonntags ist die Kirche fast leer? Ja, das sei das harte Brot, so Käßmann. Ja, räumte auch Weihbischof Renz ein. Das sei die Realität: Am Sonntag fehlen die Jugendlichen. Auch wenn der Weltjugendtag keine Veränderung von heute auf morgen bringe: Hier machten Jugendliche die Erfahrung einer frischen und jungen Kirche. Das könne Erneuerung in der Gemeinde schenken.

Moderator Joachim Frank forderte dann noch heraus, zu den „Reizthemen“ Frauenordination, Sexualität vor der Ehe und Zölibat. Bischöfin Käßmann stellte klar, dass die Frauenordination eine trennende, theologische Frage sei.

Priester als Singles
Zum Thema Zölibat meinte Zander leichthin, in der Großstadt lebe die Hälfte der Menschen als Single. Ergo: „Der katholische Pfarrer ist der ganz normale Großstadtmensch.“ Weihbischöf Renz sprach davon, die verschiedenen Lebensformen müssten diskutiert werden. Zur „Versingelung“ meinte er, der Beruf des Priesters könne nur in Gemeinschaft ausgeübt werden, der Weg dürfe nicht allein gegangen werden, erfordere Beziehungsstärke.

Und nachdem Käßmann für eine verantwortliche Sexualität plädiert hatte, zitierte Renz den Papst. Der habe vom Christentum als Ermutigung zum Leben gesprochen. Sexualität sei ein existenziell wichtiger Lebensbereich und „etwas Wunderschönes“, so Renz. Als der Weihbischof später allerdings davon sprach, Aids in Afrika sei vor allem ein Problem der muslimischen Länder, erntete er scharfe Buh-Rufe.

Herzlich willkommen im Land der Reformation
Letzte Frage des Moderators, was sie dem Papst gern sagen würden. Käßmanns Antwort: „Herzlich willkommen im Land der Reformation.“ Und „Schwarm“-Autor Schätzing: „Ich würde ihn fragen, warum er Käßmann nicht eingeladen hat.“

Text: Anna Neumann für die EKiR
Foto(s): Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers